Montag20. Oktober 2025

Demaart De Maart

AnalyseDeutsche Ampelkoalition am Ende: Es reißt auseinander, was auseinander gehört

Analyse / Deutsche Ampelkoalition am Ende: Es reißt auseinander, was auseinander gehört
Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz im vergangenen Juni im Bundestag Foto: dpa/Kay Nietfeld

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

„Es wächst zusammen, was zusammengehört.“ Diesen Satz soll der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt am Tag nach dem Mauerfall vom 9. November 1989 gesagt haben. Nun zerfällt, was gar nicht zusammengehörte, könnte man das Ende der Berliner Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP bezeichnen. Mit dem Rauswurf seines Finanzministers Christian Lindner (FDP) musste Kanzler Olaf Scholz (SPD) wohl oder übel die Reißleine ziehen. Nun ist ein aus pragmatischen Gründen unter dem Eindruck des Endes der Angela-Merkel-Ära, in der die CDU in der Krise steckte, und der Covid-Pandemie geschmiedetes Regierungsbündnis Geschichte.

Es war allerdings eine Koalition, die auf einem Bündnis der nach der Bundestagswahl 2021 überraschend wiedererstarkten sozialdemokratischen Partei mit ihrem wie Phönix aus der Asche auferstandenen Spitzenkandidaten sowie den damals vor Kraft strotzenden Umfrage-Überfliegern der Grünen beruhte – und die mit Lindners Liberalen scheinbar willige Juniorpartner fand. Allerdings hatte der FDP-Vorsitzende sich schon damals einen Ruf als notorischer Sprengstoffexperte für Bündnisse zugelegt: Vier Jahre zuvor hatte er die zu jener Zeit anvisierte Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen wie einen Rohrkrepierer platzen lassen. Der dauernde Krisenmodus – Russlands Überfall auf die Ukraine und die damit verbundene Energiekrise – hatte die Regierung nahezu von Anfang an belastet. Große Projekte wie die dem Klimawandel geschuldete Energiewende standen somit unter keinem guten Stern.

Andere Länder Europas hatten es damals bereits vorgemacht, dass eine Mehr-als-zwei-Parteien-Regierung durchaus möglich ist, allen voran Luxemburg. Die hiesige Gambia-Koalition war nicht zuletzt aus dem Wunsch entstanden, die CSV unter Jean-Claude Juncker nach einer gefühlten Ewigkeit auf die Oppositionsbank zu schicken. Die luxemburgische blau-rot-grüne Koalition unter dem Liberalen Xavier Bettel war durchaus von einem gemeinsamen Wechsel-Geist getragen. Es war eine Koalition des Willens, auch wenn es die Christsozialen damals nicht wahrhaben wollten und heftig bestritten. Das Berliner Trio hingegen war vielmehr aus der Not geboren, auch wenn damalige Selfie-Spielereien mit Baerbock, Lindner, Habeck und Wissing fast schon wie eine unbeholfene Honeymoon-Verspieltheit aussahen. Ein gemeinsames Projekt war nur schwer zu identifizieren. Dabei hatte die bundesdeutsche Geschichte durchaus gelehrt, dass zumindest sozial-liberale Koalitionen möglich waren, wie etwa unter den Kanzlern Brandt (1969-1974) und Helmut Schmidt (1974-1982), ebenso rot-grüne wie unter Gerhard Schröder (1998-2005). Dass aber vor allem Liberale und Bündnisgrüne nicht miteinander „matchen“ sollten, hatte Lindner mit seinem Jamaika-Ausstieg angedeutet.

In jüngster Zeit ist jedoch ein Gefahrenfaktor hinzugekommen, der die deutsche Politiklandschaft belastet: Die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme AfD ist bundesweit laut Umfragen zur zweitstärksten Partei aufgestiegen. Von den drei Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ging ein über den deutschen Osten hinausreichendes Signal aus, wie der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke in den Blättern für deutsche und internationale Politik konstatierte: „Das Regieren in Deutschland wird immer schwieriger, wenn nicht gar in alter Form unmöglich.“ In den drei genannten Bundesländern wurde das Bündnis Sahra Wagenknecht nicht nur zum Zünglein an der Waage, sondern zum Player, wenn es um Koalitionen geht. Mit den hochkomplizierten Mehrheitsverhältnissen könne der Osten zur Avantgarde der gesamten Republik werden, so von Lucke – angesichts einer Bundesregierung, die von der dort marginalisierten FDP unter Lindner auf ihr vorzeitiges Ende zugetrieben wurde.

Nach drei Jahren Ampel-Dauerzoff gibt es laut Umfragen des Allensbach-Instituts mit der CDU nur noch eine Partei, der die Führung des Landes zugetraut wird. Nach der „Nicht-Führung“ von Scholz wäre die SPD bestenfalls noch eine Ergänzung in einer Neuauflage der Großen Koalition unter der CDU-Führung von CDU-Parteichef Friedrich Merz. Schwarz-Grün scheint nach dem ausgeprägten Green-Bashing vor allem von CSU-Chef Markus Söder vom Tisch zu sein. Dabei wäre es auch längst nicht sicher, dass CDU/CSU und SPD auf eine eigene Mehrheit kommen würden. Eine weitere Option wäre eine Beteiligung der FDP. Schwarz-Rot-Gelb sähe sehr stark nach einem Revival der alten bundesrepublikanischen Parteienlandschaft aus. Echt oldschool. Eine andere Variante, etwa eine „Entzauberung“ der AfD durch Einbindung, wäre dagegen der blanke Horror.

„Es wächst zusammen, was zusammengehört“ – den berühmten Ausspruch machte der SPD-Ehrenvorsitzende Brandt 1989 Journalisten gegenüber unter Tür und Angel und nicht etwa vor großem Publikum. Außerdem hatte er es auf Europa im Ganzen bezogen. Doch wie ein berühmtes Zitat des Hollywood-Regisseurs John Ford („Der Mann, der Liberty Valance erschoss“) lautet: „Wenn die Legende zur Tatsache wird, druck die Legende.“ Lindner hat die Ampel gekillt – und Scholz hat ihn gefeuert. Mit den absehbaren Folgen.

Nomi
7. November 2024 - 23.07

@RCZ :

Lenks Politik ass daat wat di Extreemriets stark mecht .

Romain C.
7. November 2024 - 17.24

15 Milliarden Schulden aufnehmen mit gelöster Schuldenbremse um die korrupte Ukraine zu unterstützen!? Lindner hat das richtige getan das zu verweigern. Scholz sollte sofort abtreten! Die Ukraine wird ganz Europa mit in den Abgrund ziehen!.....

RCZ
7. November 2024 - 12.33

Bei Neuwahlen in Deutschland jetzt CDU/CSU zu wählen, oder Robert Habeck zum Kanzler zu machen wäre keine gute Idee. Ohne AfD und BSW wird keine neue Bundesregierung zu Stande kommen.Die SPD braucht andere Partner als CDU/CSU.Wo bleibt eigentlich die Linke? Deutschland und Europa sind am Abgrund. Ist der Russe schuld? Nein, vielleicht eher die Ukraine Politik?......