Mittwoch22. Oktober 2025

Demaart De Maart

DeutschlandAmpel-Koalition vor dem Aus?: Was macht Olaf Scholz im „Herbst der Entscheidungen?“

Deutschland / Ampel-Koalition vor dem Aus?: Was macht Olaf Scholz im „Herbst der Entscheidungen?“
Kanzler Olaf Scholz will seinen Amtsbonus nicht aus der Hand geben Foto: AFP/Ralf Hirschberger

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Nach der vergangenen Woche ist das Risiko eines Bruchs der Ampel-Regierung massiv gestiegen. Kanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner begegnen sich mit zunehmendem Misstrauen. Wie aber könnte ein Bruch aussehen? Dabei muss es nicht unbedingt zu Neuwahlen kommen.

Nach dem Fernduell der Ampel-Spitzen ist vor dem Parallel-Gipfel der Ampel, vielleicht lässt sich die politische Lage Ende Oktober in der Hauptstadt so auf den Punkt bringen. Was aber folgt danach, im von FDP-Finanzminister Christian Lindner ausgerufenen „Herbst der Entscheidungen“? Völlig unklar.

Aber der Reihe nach: Für Dienstag hatte zunächst Bundeskanzler Olaf Scholz Vertreter aus der Wirtschaft zu Beratungen eingeladen. An diesem „Industriegipfel“ im Kanzleramt sollen zudem Gewerkschaften teilnehmen. Den Gipfel hatte der SPD-Regierungschef bei seiner Regierungserklärung vor knapp zwei Wochen öffentlich angekündigt, allerdings unabgestimmt. FDP-Chef und Finanzminister Lindner beklagte daraufhin, dass er in die Planungen nicht einbezogen worden war, und beraumte seinerseits ein Treffen mit (anderen) Vertretern der Wirtschaft und des Mittelstands und FDP-Fraktionschef Christian Dürr im Reichstagsgebäude an. Das Gespräch findet ebenfalls am Dienstag statt – nur wenige Stunden vor Scholz’ Treffen.

So weit, so gut, könnte man meinen. Angesichts der Wirtschaftskrise im Land und dem Gespenst Arbeitslosigkeit, was man eigentlich überwunden glaubte, können Gespräche zwischen Regierung und Wirtschaft nicht schaden.

Wegkommen von den Theaterbühnen, wir müssen wegkommen davon, dass irgendwas präsentiert und vorgeschlagen wird, was dann gar nicht von allen akzeptiert und angenommen wird

Olaf Scholz, deutscher Kanzler

Doch in der Ampel gibt es weiter Streit, und zwar von einer Güte, dass nun auch in Fraktionen und Parteien immer lauter von einem Ende der Regierung gesprochen wird. Es ist nicht so, dass man grundsätzlich glaubt, dass die drei Parteien sich nicht einigen könnten bei Rezepten gegen die Konjunkturschwäche – aber es ist nicht klar, ob die Protagonisten es eigentlich noch wollen.

In der vergangenen Woche hatten sich Lindner, Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Scholz quasi ein Fernduell qua Interviews geliefert. Habeck schlug einen milliardenschweren schuldenfinanzierten „Deutschlandfonds“ vor, Lindner nannte dies Ausdruck von „konzeptioneller Hilflosigkeit“ und kritisierte seinerseits die Einladungspolitik des Kanzlers und machte deutlich, dass er Scholz’ industriepolitische Agenda nicht kenne. Dadurch entstehe Unsicherheit. Scholz wies den Vorschlag Habecks wiederum zurück, SPD-Chefin Saskia Esken nannte den Zeitpunkt für Lindners Alternativtreffen „kindisch“. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) sprach von „Kindergartenspielen“ in der Bundesregierung.

Minderheitsregierung könnte weitermachen

Was also kann Scholz, der Kanzler ist und bleiben will, nun in dieser verfahrenen Situation tun? Für ihn muss als Regierungschef die Wirtschaft an oberster Stelle stehen, zumal im SPD-regierten Niedersachsen der mächtige VW-Betriebsrat öffentlich machte, dass mindestens drei Auto-Werke und Zehntausende Arbeitsplätze massiv bedroht sind. Von den Zulieferbetrieben ganz zu schweigen.

Der Kanzler muss, auch stark getrieben von seiner Partei, also einen Erfolg vorweisen, bei Arbeitsplätzen, Energiepreisen und der Automobilwirtschaft, etwa durch eine E-Auto-Prämie, wie sie die SPD fordert. Aber wird der Finanzminister da mitgehen? Lindner wirkt derzeit, als sei ihm die Lust am Mitregieren vergangen. Also Neuwahlen? Scholz wird sich im Kampf gegen Unionsherausforderer Merz den Amtsbonus erst mal nicht nehmen lassen wollen. Ein Szenario, was durchaus diskutiert wird, ist das Folgende: Lindner kommt für die FDP zu dem Schluss, dass man mit dem Ende der Ampel bei den eigenen Anhängern so punkten kann, dass man bei der nächsten Wahl mehr als fünf Prozent erzielt. Die FDP würde also die Koalition verlassen. Oder es aber darauf anlegen, dass Scholz die FDP-Minister entlasse. Und der SPD-Regierungschef? Würde in einer Minderheitsregierung weitermachen. Ginge das? Eine Zeit lang durchaus. Eine Minderheitsregierung muss für jedes Einzelthema Verhandlungen führen und versuchen, sich in der Sache wechselnde Mehrheiten zu besorgen.

Regieren mit einem Nothaushalt

Anders als in den USA aber gibt es in Deutschland keinen Haushaltsnotstand, bei dem etwa Hunderttausende Staats-Angestellte auf der Straße säßen. Dafür sorgt ein Nothaushaltsrecht, Artikel 111 Grundgesetz, der im Grunde sagt: Alle rechtlichen Verpflichtungen darf der Bund erfüllen, auch ohne Haushaltsgesetz.

Eine solche Regierung hätte zwar kaum mehr Gestaltungsmomente und könnte sich nicht mehr viel Neues vornehmen. Aber würde man das in der Ampel denn gemeinsam machen?

Der Druck auf Scholz würde stark steigen, die Union Sturm laufen. Ihr wiederum fehlen die Stimmen im Bundestag für ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum. Es bleibt also bei den vielen Fragezeichen in Berlin.

Ob man sich doch noch mal zusammenraufen wird, die „großen drei“, also Scholz, Habeck und Lindner, zusammenfinden und gemeinsam einen Wirtschafts-Pakt vorschlagen? Wie drückte es Scholz im fernen Indien in der vergangenen Woche so schön aus: „Wegkommen von den Theaterbühnen, wir müssen wegkommen davon, dass irgendwas präsentiert und vorgeschlagen wird, was dann gar nicht von allen akzeptiert und angenommen wird.“ Genau das bleibt abzuwarten.