Zum Auftakt eine Anekdote: Ein Politiker wird zum Interview ins RTL-Studio eingeladen. Er beschwert sich am Rande des Gesprächs über die generelle Niveaulosigkeit und Einseitigkeit der RTL-Kommentarspalten. Die Journalistin antwortet ihm: „Lesen Sie das einfach nicht. Ohnehin stammen 95 Prozent der Kommentierenden aus ADR-Kreisen.“
Hier erfahren wir aus berufenem Mund, was hinter der angeblichen „vox populi“ steckt. Da RTL die wahre Identität all jener kennt, die sich mit Tarnnamen unkenntlich machen, weil sie zu feige sind, um mit offenem Visier anzutreten, ist an der 95-Prozent-Information wohl nicht zu zweifeln. Man reibt sich die Augen. Wieso winkt RTL wider besseres Wissen den gehäuften Stuss einer rechtsradikalen Minderheit durch, die so nach außen plötzlich als meinungsbildende Mehrheit erscheint? Wieso erlaubt sich das Medienhaus dieses tägliche Täuschungsmanöver? Wieso verfälscht es gezielt das Meinungsspektrum? Wie ernst kann man einen Journalismus nehmen, der beide Augen verschließt, um aus niederen kommerziellen Gründen einer Handvoll Trollen Vorschub zu leisten? Gefällt sich RTL in der Rolle des bewussten Faktenverdrehers? Auf welche Art Pressefreiheit stützt sich der Privatsender eigentlich?
Vom verführerischen Freiraum in den Kommentarspalten fühlen sich offenbar vor allem jene angezogen, die außer Krawall und Stammtischgesabber nichts zu bieten haben. Wie schnell sich eine schäbige Polemik zur schlimmstmöglichen Wendung entwickelt, lässt sich anschaulich an den RTL-Kommentaren zum offenen Brief des ausgewiesenen Iraners Alborz Teymoorzadeh an Premier Frieden ablesen. Der Briefschreiber argumentiert höflich, aber bestimmt, intelligent und hart in der Sache, er nimmt kein Blatt vor den Mund und räsoniert mit großer Klarheit. Doch dann lässt RTL die Kommentarspaltenmeute von der Kette (16.10.2024). Die Heckenschützen lassen sich nicht lange bitten. Sie fallen mit immer rücksichtsloseren Attacken über den Briefschreiber her. RTL sieht keinen Grund, einzugreifen.
Herauskotzen des eigenen Frusts
„Esou net, jonke Mënsch!“ (Hikinator). Man verzeiht Teymoorzadeh nicht, dass er selbstbewusst seine Position und seine Interessen beschreibt. „Wat fir eng Arroganz“ (Mateus). Wenn wir schon einem Ausländer erlauben, sich zeitweilig auf unserem Territorium aufzuhalten, soll er gefälligst den Mund halten. „Hien huet hei nach näischt geleescht!“ (Ass-et-wouer). Wer hier das Gastrecht genießt, darf uns die Füße küssen und sich ansonsten verkrümeln. „Deen ass gutt wou en ass, an hoffentlech bleift en och do wou en ass“ (De Meckermisch). Wo kommen wir denn hin, wenn wir zulassen, dass hergelaufene Ausländer den Anspruch anmelden, ernst genommen zu werden? Wir verlangen Demut und Dankbarkeit, nicht etwa den frechen Drang nach Selbstbestimmung. „Ma deen ass gutt fort“ (nobus).
Frage an RTL: Welchen Informationsgehalt hat ein Satz wie „Ma deen ass gutt fort“? Welchen Erkenntniswert? Wieso muss dieser arglistige Anwurf überhaupt mitgeteilt werden? Es handelt sich um nichts weiter als substanzloses Anrempeln und Drauflospöbeln. Damit Meinungsfreiheit wahrgenommen werden kann, müssen zunächst einmal Meinungen vorhanden sein. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Oder ist im Verständnis von RTL die pure Hassbotschaft schon eine Meinung? Gibt es im RTL-Lastenheft eine Klausel, die vorschreibt, den öffentlichen Diskurs wissentlich entgleisen zu lassen?
Ist es zu viel verlangt, eine qualitative Prüfung der Kommentarspalten in Angriff zu nehmen? Würde RTL wenigstens all jene Beiträge herausfiltern, die nicht einmal Spurenelemente einer Argumentation enthalten, wäre die Rubrik schnell geschrumpft. Warum besteht die RTL-Redaktion nicht darauf, den immergleichen, pausenlos Pöbelnden eine minimale Denkanstrengung abzufordern? Warum wird das Feld jenen überlassen, die ohne Rücksicht auf Verluste ihren Frust herauskotzen? Diese merkwürdige Toleranz gegenüber sinnloser Aggressivität beruht wohl auf einem Kalkül: Randale reizt, sowas wird gelesen, das spricht primäre Instinkte an, da werden die eigenen Hassimpulse stimuliert. Knackige Beschimpfungen sind immer süffiger als komplexe Überlegungen. Indem RTL das Niveau der Auseinandersetzung quasi auf null herunterschraubt – man erinnere sich nur an den famosen Tabubruch „Et mussen emol Lénker erstach ginn“ –, entwertet es die letzten Chancen einer kultivierten Streitkultur.
„Nation ending“ statt „nation branding“
Alborz Teymoorzadehs beeindruckender Brief an Frieden hingegen ist formal und inhaltlich ein echtes Anthologiestück, das künftig in jede einschlägige Publikation über Luxemburg gehört. „Nation ending“ statt „nation branding“: Es gelingt dem Autor, mit seinem distanzierten Blick von außen den wandelnden Eisblock namens Frieden und seinen moralisch tiefgefrorenen Adjutanten Gloden vollends zu entzaubern und die strukturelle Unmenschlichkeit der aktuellen Regierung bloßzulegen. Das Schreiben zeichnet sich aus durch einen Charakterzug, der dem Frieden-Kabinett völlig abhandenkommt: nämlich Würde. Teymoorzadehs Fazit ist vernichtend. Soziale Kälte, Kulturfeindlichkeit und Empathielosigkeit sind die überdeutlichen Grundpfeiler der Regierungsarbeit. Fragt sich nur, ob der Adressat des Schreibens aus dieser klugen Bestandsaufnahme irgendetwas lernen wird. Herzenskälte führt bekanntlich schnell zum Hirnfrost.
Davon zeugen auch die erbärmlichen RTL-Kommentarspalten. Statt seine Klientel aufzufordern, „das einfach nicht zu lesen“, wäre der Kommerzsender gut beraten, „das einfach nicht zu publizieren“. Oder geht es nur darum, mit Sprach- und Denkverrohung Geld zu machen, wie es sich sonst nur zynische Abzockerfirmen leisten?

De Maart
Meine Empfehlung an die Medien geht in die Richtung, künftig keinerlei anonyme Kommentare mehr zu veröffentlichen!
Da die Autor*innen ja stets unter ihrem Namen veröffentlichen, sollten dies die Kommentator*innen aus Respekt ebenfalls tun.
Meinerseits verzichte ich übrigens fast immer auf die Lektüre der anonymen Kommentare.
Majo dann, Här Rewenig... t'ass alles ok!
Dir hutt Iech jo schon lang a breed genuch missen iwwert dem Pobst säin Besuch ausloossen. Hun seit langem e Buch vun Iech am Schaf leien, hat e bessen dran gebliedert an hun geduecht, di djö, déi Suen häss du dir awer kéinten spueren.
Ob RTL nun wirklich die identitaet und besonders die parteizugehoerigkeit seiner kommentatoren so gut kennt um zu wissen ,dass 95 prozent bei einer einzigen partei mitglied sind, bezweifle ich.
Fakt ist dass recht viel unsinn zu manchen themen dort in den kommentarspalten erscheint...u.a. zum gaza krieg.
ee gudden Artikel..
awer
ët gët just vun dene negativen Commentaire geschriwwen, ët woren dër awer gerad esou vill dobäi déi iwwert den Artikel ganz positiv geschriwen hun..
ët muss Een Eppes nët vergiëssen: d'Mënsche së ganz verschidden an dat wor nach ëmmer esou, wann Een vun der Entsteeung bis Haut Geschicht kuckt..
ët ass scho mat Adam an Eva ugaang..
an déi vill Kricher déi entstaane sën..
viirwat?
well mër nët All selwëch sën..