Sonntag23. November 2025

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IrlandDie irisch-republikanische Sinn Féin steckt in einer schweren Krise

Irland / Die irisch-republikanische Sinn Féin steckt in einer schweren Krise
Die nordirische Erste Ministerin Michelle O’Neill (r.), hier mit dem Chancellor of the Duchy of Lancaster, Pat McFadden, dürfte ebenfalls von schweren Vorwürfen an die Spitze der Sinn Féin visiert sein Foto: Jonathan Brady/Pool/AFP

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Wenige Monate vor der nächsten Parlamentswahl in Irland steckt die lange auf Siegeskurs liegende größte Oppositionspartei Sinn Féin (SF) in einer schweren Krise.

Binnen weniger Tage verließen zwei wichtige Mitglieder die Fraktion im Dubliner Parlament Dáil. Zur Begründung nannten sie undurchsichtige Disziplinarverfahren in der geheimniskrämerischen Partei. Schwere Vorwürfe richten sich zudem gegen frühere SF-Funktionäre im nordirischen Belfast, wo die Regionalvorsitzende Michelle O’Neill die Regierung anführt: Sie sollen einen bekannten Sexualverbrecher gedeckt haben. Ein weiterer Funktionär musste wegen Belästigung einer 17-Jährigen zurücktreten.

In Nordirland ist sie längst stärkste Partei, auch in der Republik Irland eilte Sinn Féin lange von Erfolg zu Erfolg. Schon bei der jüngsten Wahl 2020 stimmten mehr Iren (24,5 Prozent) für SF als für jede andere Partei; weil im personalisierten Wahlsystem der Republik aber nicht genug Kandidaten aufgestellt worden waren, landete die Partei in der Dáil nur auf Platz zwei. Diese schwere Panne konnte der Parteivorsitzenden Mary Lou McDonald damals nichts anhaben. Und in den Umfragen lag SF lange bei bis zu 36 Prozent, scheinbar uneinholbar vor den Parteien der Koalition aus der nationalliberalen Fianna Fáil und der konservativen Fine Gael sowie den Grünen.

Seit aber der erst 37-jährige Fine-Gael-Chef Simon Harris die Regierung anführt, geht es mit SF bergab. Bei der Europawahl blieb der erwartete Erfolg aus, anschließend gab es in der straff geführten Partei erstmals Stimmen, die öffentlich McDonalds Ablösung forderten – ein unerhörter Vorgang für eine „Bewegung“ (Selbstbezeichnung), die als politischer Arm der katholisch-republikanischen Terrortruppe IRA groß geworden ist. In jüngsten Umfragen bekennen sich um die 20 Prozent der Iren zu SF, ebenso viele wie zu Fianna Fáil. Harris’ Fine Gael wollten 26 Prozent die Stimme geben.

Teure Wiedervereinigung

Fachleute in Dublin sprechen von drei möglichen Ursachen: Die wieder mit Energie geführte Regierung konnte im letzten Haushalt zu Monatsbeginn Wohltaten in Milliardenhöhe ankündigen, vor allem Beihilfen für Wohnungssuchende. Sinn Féin gilt als Befürworter beinahe unbegrenzter Zuwanderung, was auf der grünen Insel zunehmend kritisch gesehen wird. Und schließlich ist der Enthusiasmus in der Republik für die Wiedervereinigung mit den bisher aus London regierten Cousins im Norden abgeflaut.

Das dürfte nicht zuletzt an einem umfangreichen Papier der beiden Dubliner Ökonomie-Professoren John Fitzgerald und Edgar Morgenroth liegen. Demnach würde die Angleichung der Löhne und Gehälter in Nordirland auf das Niveau in der Republik jährlich wohl elf Milliarden Euro – die notwendigerweise unpräzise Schätzung reicht von acht bis 20 Milliarden Euro – kosten. Das entspricht fünf Prozent des derzeitigen Nationaleinkommens von Irland.

Hingegen scheint die ungebrochene Verbindung, ja die Verherrlichung der blutigen IRA-Terrortaten der Partei kaum zu schaden. Bis heute, so sagt es Drew Harris, der höchste Polizeibeamte der Republik Irland, wird die Parteispitze vom Armeerat der offiziell aufgelösten IRA kontrolliert. Weder McDonald noch O’Neill mussten sich je einer Vorsitzenden-Wahl stellen; vielmehr wurden sie, für die Öffentlichkeit undurchschaubar, zu Nachfolgerinnen der beiden IRA-Terroristen Gerry Adams (Gesamtpartei) und Martin McGuinness (Belfast) gekürt. Dabei dürfte die Kalkulation eine Rolle gespielt haben, dass keine der großen Parteien im Dubliner Parlament jemals von einer Frau geführt worden sind.

Parteiaustritte

Der Parteiname „Wir selbst“ ist Programm: Konflikte werden in der kaum demokratisch zu nennenden Partei intern geregelt. Immer wieder sind in den vergangenen Jahren gewählte Mandatsträgerinnen von ihren Posten zurückgetreten, weil sie in undurchsichtigen internen Untersuchungen unter Druck geraten waren.

So ist es nun auch der Abgeordneten Patricia Ryan und dem Vorsitzenden des überaus mächtigen Dáil-Rechnungsprüfungsausschusses, Brian Stanley, ergangen. Doch statt wie gewohnt zu kuschen, verließen beide Fraktion und Partei. Sie lasse sich ihre Meinungsäußerungen nicht von der Partei vorschreiben, gab die 55-Jährige der Ortspresse ihres Wahlkreises im mittelirischen Kildare zu Protokoll. Lustig machte sich Ryan auch über einen angeblichen Partei-Ukas, wonach Fragen an die Vorsitzende in internen Sitzungen vorab eingereicht werden müssten.

Schwerer wiegt für SF der Fall Stanley, in dem es offenbar um strafrechtlich relevante Vorgänge geht. Der 66-Jährige beschuldigt die Partei, sie habe den Gang zur Polizei gescheut; er aber wolle sich nicht einem Partei-internen Standgericht stellen. Die Parteichefin McDonald will über das Disziplinarverfahren gegen einen ihrer prominentesten Abgeordneten ebenso wenig informiert gewesen sein wie die Belfaster Regierungschefin O’Neill über die schweren Vorwürfe gegen einen früheren SF-Pressesprecher, der sich mehrerer Sexualstraftaten schuldig bekannt hat. Nun sollen die Partei-internen Kontrollinstanzen „überholt“ werden, hat McDonald angekündigt.

Luxmann
18. Oktober 2024 - 22.37

Was soll dieser artikel der irische freiheitskaempfer wie gerry Adams auf billige weise diffamiert?