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ForumEin Trauma, nur durch das Schwert zu überwinden? Israel ist dabei, weltweit seine letzten Sympathien zu verlieren

Forum / Ein Trauma, nur durch das Schwert zu überwinden? Israel ist dabei, weltweit seine letzten Sympathien zu verlieren
  Foto: AFP/Bryan R. Smith

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Der 7. Oktober 2023 wird eingehen in die Geschichte wie vorher der 11. September 2001. In beiden Fällen war es ein unerwarteter Schock, der ein nationales Trauma auslöste. Welcher die Regierung beider Nationen zu berechtigten, aber letztlich zu überzogenen, ja gar kontra-produktiven Reaktionen verleitete.

Die von Bin Laden geplanten Anschläge von New York und Washington kosteten an die 3.000 Menschenleben. Darunter Angehörige von 92 verschiedenen Nationen. Die Anschläge der Hamas auf friedliche Kibbuze sowie auf eine Rave-Party verursachten direkt an die 1.200 Tote. Nicht nur Israeli, auch israelische Araber sowie Angehörige vieler Nationalitäten. Unter den 250 Geiseln waren gar thailändische Gastarbeiter. Terror kennt keine Grenzen, verlangt keinen Pass.

Die USA mussten 2001 reagieren. Präsident Bush startete einen „Kreuzzug“. Zuerst wurde Afghanistan militärisch angegriffen, wo Bin Laden sich versteckt hielt. Dieser entfloh nach Pakistan, wo er erst 2011 von US-Soldaten liquidiert wurde. Doch in der Zwischenzeit waren die USA und ihre NATO-Alliierten bereits in den tribalen Rivalitäten Afghanistans versackt. Die Taliban erstarkten. Nach 20 Jahren kostspieligem, mörderischem und letztlich nutzlosem „Nation-Building“ in Afghanistan ordnete Präsident Biden einen überhasteten Rückzug an. Sinnigerweise verließen die letzten US-Truppen am 11. September 2021 das Land. Gaben es dem Chaos frei. Seither sind Millionen Afghanen auf der Flucht. Die meisten in Lagern im Iran und in Pakistan.

Bush begnügte sich nicht mit dem Einmarsch in Afghanistan. Die Gunst der nationalen Einheit nach „9/11“ nutzend, fielen die USA mit ihrer Koalition der Willigen ebenfalls im Irak ein. Um Saddam Hussein und dessen „Massenvernichtungs-Waffen“ zu eliminieren. Letztere wurden zwar nie gefunden. Doch die Destabilisierung des Irak löste einen politischen Tsunami aus, der die gesamte Region erschütterte. In Tunesien, in Ägypten und in Libyen den Sturz langjähriger Potentaten herbeiführte.

Dennoch brachten die Umstürze nicht den vom Westen mythisierten „arabischen Frühling der Demokratie“. Meistens kamen mit den demokratischen Wahlen religiöse Extremisten an die Macht. Die von den USA im Irak entlassenen Offiziere und Soldaten verdingten sich beim neuen Kalifat. Der sich in Irak und in Syrien etablierte. Der „Gottesstaat“ wurde besiegt. Der Bürgerkrieg in Syrien geht weiter. Im Jemen, im Sudan, in Somalia toben Machtkämpfe. Libyen bleibt destabilisiert. Gaddafis Waffenarsenale versorgen weiterhin fundamentalistische Milizen in den Sahel-Ländern oder etwa die Boko Haram in Nigeria.

Bin Laden und viele seiner Anhänger wurden liquidiert. Doch ihre Ideen leben weiter. Nicht gerade ein gutes Vorzeichen für Israels Regierungschef, der vorgibt, die Hamas und die Hisbollah „total zu besiegen“. Fatalerweise finden „liquidierte Führer“ immer wieder Nachfolger.

Wiederholt sich die Geschichte?

Israel musste auf den Terror vom 7. Oktober 2023 reagieren. Doch bei aller Sympathie für die israelische Demokratie ist die Reaktion der Regierung Netanjahu todgefährlich für die ganze Region und selbst den Weltfrieden.

Die israelische Regierung ist leider dominiert von rechtsextremen Kräften, auf die Netanjahu angewiesen bleibt, um eine Mehrheit in der Knesseth zu behalten. Sowie weiterhin den drei Korruptionsanklagen gegen ihn zu entgehen.

Ultranationalisten wie Finanzminister Smotrich oder Polizeiminister Ben-Gvir machen keinen Hehl aus ihrer Absicht, alle Palästinenser zu vernichten oder zumindest zu vertreiben, um ein „biblisches Groß-Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer“ zu errichten. Netanjahu ließ sich schon neben solchen Landkarten abbilden.

Die Massaker der Hamas von 1.200 unschuldigen Menschen, die Verschleppung von 250 Geiseln rechtfertigen keineswegs die Brutalität, mit der die israelische Armee in Gaza 1,2 Millionen Menschen gnadenlos herumtreibt. Drei Viertel aller bebauten Strukturen in Gaza sind zerstört. Nach dem Einsatz von durchschnittlich 60 Kilogramm Sprengstoff pro Einwohner! Nahezu 42.000 Todesopfer sind zu beklagen. 35-mal mehr tote Gaza-Bewohner als die Opfer vom 7. Oktober. Ist das noch das biblische „Auge um Auge, Zahn um Zahn“?

Gewiss, Israel bleibt weiterhin Terroranschlägen ausgesetzt. Raketen und Drohnenangriffen der Hisbollah, Luftangriffen der jemenitischen Ableger Irans, das ebenfalls schon eine geballte Salve Richtung Israel abfeuerte. Immerhin mussten einige 60.000 Israeli aus den Kibbuzen an der Grenze mit Gaza und vor allem mit dem Libanon flüchten.

Ebenfalls auf der Flucht sind nicht nur die Palästinenser in Gaza. Auch im West-Jordan kommt es immer wieder zu mörderischen Anschlägen. Vereinzelt durch Palästinenser. Vor allem jedoch durch Lynch- und Vertreibungsaktionen radikaler Siedler, bewaffnet von Minister Ben-Gvir und geduldet von dessen Polizei.

Was ist noch „Moral“?

Netanjahu gibt vor, Israel würde bloß auf Terroranschläge antworten. Doch erlauben sich seine Armee und seine Geheimdienste Aktionen, die nach geltendem Völkerrecht „Terrorismus“ sind. Gezielte Morde, Angriffe auf Kliniken und Schulen, Explosionen von mit Sprengstoff versehenen Kommunikationsmitteln, bei denen auch Kinder zu „kollateralen Opfern“ werden.

Ist es moralisch zu vertreten, wenn zur Tötung einiger Hisbollah-Kommandeure zivile Gebäude bombardiert werden, unter Inkaufnahme von Dutzenden unbeteiligten Opfern? Dass an einem einzigen Tag durch massive israelische Luftangriffe auf angebliche Hisbollah-Stellungen im Libanon über 500 Zivilisten starben? Und zehntausende Libanesen flüchten mussten? Die Tötung von Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah, bei der es zusätzlich anscheinend 300 meistens unbeteiligte zivile Opfer gab, wird mitnichten zur Ausradierung der schiitischen Terrororganisation führen. Nur eine neue Spirale der Gewalt in Bewegung setzen.

Israel besitzt die Lufthoheit dank bester amerikanischer Militärtechnologie. Hat mit dem Aufbau seines „Eisernen Doms“ eine recht erfolgreiche Abwehr feindlicher Raketen realisiert. Doch die vielen handwerklichen Drohnen, welche nunmehr alle Kriegsgebiete dominieren, von Russland/Ukraine über Jemen bis Gaza und Libanon, bleiben tödliche Nadelstiche. Die ein normales Leben verbieten.

Netanjahu versprach den „totalen Sieg“ in Gaza. Nach fast einem Jahr Krieg noch immer nicht in Sicht. Selbst wenn es gelingen sollte, alle Hamas-Führer physisch zu eliminieren, fehlt ein Konzept für das „Danach“! Was soll mit 2,2 Millionen Gaza-Bewohnern geschehen? Wie sieht die Zukunft aus für die Palästinenser im West-Jordan? Israels Regierung hat schon neue Siedlungen und damit neuen Landraub beschlossen.

Die Hisbollah im Libanon feuert seit Monaten Raketen und Drohnen gegen Israel ab. Angeblich als Druckmittel, um einen Waffenstillstand in Gaza zu erzwingen. Doch Israels Regierung will keine Verhandlungslösung. Netanjahu hat offensichtlich die noch lebenden Geiseln abgeschrieben. Widersetzt sich störrisch allen UNO-Aufrufen, selbst dem Druck der USA und Präsident Bidens.

Vor einem Flächenbrand?

Der Premierminister und seine Hardliner geben nunmehr vor, die Hisbollah „auszuradieren“. Notfalls durch eine Bodenoffensive israelischer Truppen im Libanon. Frühere Einfälle Israels in das geschundene Nachbarland brachten viele Tote für beide Seiten, aber keinen definitiven Sieg.

Der nicht zu erringen ist. Dazu müsste Israel nicht nur in den Libanon einfallen. Sondern auch in den Krieg mit Syrien und vor allem dem Iran treten. Einen Flächenbrand auslösen, der den gesamten Nahen Osten in Flammen setzten würde. Ohne Perspektive auf Erfolg, aber mit fatalen Konsequenzen für den Weltfrieden.

Netanjahu und seine Extremisten sind dabei, die Existenz der jüdischen Demokratie in Gefahr zu setzen. In der UNO, im Internationalen Gerichtshof verspielt Netanjahu die letzten Sympathiewerte, die Israel während langer Jahre besaß. Das hat nur wenig mit dem leider ebenfalls auflebenden Antisemitismus zu tun, sondern ist eine berechtigte Reaktion der Weltmeinung auf überbordende Gräueltaten durch Israel. Das jüdische Volk war schlimmsten Verbrechen ausgesetzt. Was zur Gründung des Staates Israel durch die UNO führte. Doch weder der versuchte Holocaust noch der letztjährige Hamas-Anschlag erlauben einen „Freibrief“ zur Ausradierung anderer.

Man kann nur wiederholen, was der zur Nazi-Zeit aus Luxemburg in die USA ausgewanderte, inzwischen verstorbene Historiker Arno J. Mayer schrieb: „Ich bin zutiefst verstört über Israels Weigerung, zuzugeben, dass seine Zukunft weder in seinem Gott noch in seinem Schwert liegt, sondern im Konzert der Welt- und Regionalmächte.“

Die USA und Frankreich hatten zum Schutz der Libanesen einen 21-tägigen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah vorgeschlagen. Die EU, Deutschland, Italien, Japan, Kanada, Australien, aber auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Qatar haben sich dem Appell angeschlossen. Doch das offizielle Israel stellt sich taub. „Wer nicht hören will, muss fühlen!“ steht in der Bibel (Samuel 2.27-36).

Robert Goebbels ist ein ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter
Robert Goebbels ist ein ehemaliger LSAP-Minister und Europaabgeordneter Foto: Editpress/Didier Sylvestre
fraulein smilla
30. September 2024 - 9.11

Israel musste 80000 Einwohner wegen des Raketenbeschuss der Hisbollah evakuieren . Den zu legitimieren dass sie damit einen Waffenstillstand im Gaza erzwingen will , darauf muss man mal kommen . Die Eliminierung Nasrallahs und der ganzen militaerischen Fuehrung der Hisbollah war ein Coup de Maitre den man neidlos anerkennen soll und bei den libanesischen Christen und Drusen und bestimmt auch vielen Muslimen ist die Freude bestimmt nicht nur klammheimlich .