Freitag31. Oktober 2025

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GrenzkontrollenJuncker und Asselborn sind sich eins: Schengen ist in Gefahr – und Luxemburgs Regierung sollte sich wehren

Grenzkontrollen / Juncker und Asselborn sind sich eins: Schengen ist in Gefahr – und Luxemburgs Regierung sollte sich wehren
Sehen die deutschen Grenzkontrollen mit großer Skepsis: Jean-Claude Juncker und Jean Asselborn  Fotos: Editpress/Tania Feller, Alain Rischard – Collage: Jenny Füldner

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Der ehemalige Premier und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (CSV) und der ehemalige Außenminister Jean Asselborn (LSAP) sind sich diesmal eins: Die deutschen Grenzkontrollen gefährden Schengen – und Luxemburgs Regierung sollte sich dagegen wehren.

Tageblatt: Deutschland kontrolliert seit Montag wieder seine Grenzen. Was war Ihr erster Eindruck dieser Maßnahme?

Jean-Claude Juncker: Das Risiko ist groß, dass die ganze Schengen-Logik den Bach heruntergeht. Wer große Grenzkontrollen macht, läuft Gefahr, dass auch Grenzen im Kopf sich wieder breitmachen.

Was wäre die Alternative gewesen?

Ich hätte lieber gesehen, es hätte einen gesamteuropäischen Ansatz gegeben. Dergestalt, dass sämtliche EU-Innenminister sich getroffen hätten, um sich ein globales Bild über den Umgang mit den Grenzen in Europa zu machen. Das ist offensichtlich nicht geschehen.

Was sind die Folgen in Ihren Augen?

Ich halte das für eine Entwicklung, die nicht gut ist, und werde den Verdacht nicht los, dass diese Initiativen, die jetzt einzelne Nationen in puncto Grenzschließung ergreifen, eine ungeschickte Reaktion sind auf einen wachsenden elektoralen Erfolg von extrem rechten Kräften in Europa. Insofern finde ich das alles nicht gut.

Grenzkontrollen sind also nicht das geeignete Mittel für die deutsche Bundesregierung in dieser Situation?

Die Schengen-Logik und die Applikation des Schengen-Kodex lassen natürlich zu, dass man solche Grenzkontrollen machen kann, wenn man unter Beweis stellt, dass sie notwendig sind und proportioniert stattfinden. Sodass, wenn es zu Grenzkontrollen kommt, diese nicht zu lange dauern, dass sie sich nicht systematisieren, dass das nicht der Anfang ist eines Antritts in die Ausnahmeregelung, die die normalen Regeln auflöst.

Luxemburgs Regierung müsste deutlich machen, in öffentlicher Äußerung, dass man diese Entwicklung nicht begrüßt

Jean-Claude Juncker, ehemaliger Premier und EU-Kommissionspräsident

Machen Sie sich Sorgen um Schengen?

Ich bin besorgt, dass dies eine Entwicklung einleitet, die einen der größten Erfolge der europäischen Integration, nämlich die Freizügigkeit der Personen, langsam, aber sicher und stückweise annulliert. Insofern ist das eine Entwicklung, die ich nicht begrüßen kann.

Luxemburgs Regierung reagierte bisher eher verhalten auf die deutschen Grenzkontrollen. Die richtige Vorgehensweise?

Ich weiß nicht, was der Stand der deutsch-luxemburgischen Konsultationen in diesem Bereich ist. Ich lese, dass der Luxemburger Innenminister im Kontakt steht mit der deutschen Innenministerin. Aber man müsste deutlich machen, in öffentlicher Äußerung, dass man diese Entwicklung nicht begrüßt.

Haben Sie kein Verständnis für die deutsche Perspektive?

Deutschland kommt nicht klar mit dem Zufluss von Migranten in das Land. Die deutschen Gemeinden bekommen die Integrationsleistung, die verlangt ist, nicht hin. Ob es ein adäquates Mittel ist, die Integrationsprobleme von Migranten in Deutschland damit zu lösen, dass man Grenzkontrollen mit Zurückweisungen macht, erschließt sich mir nicht direkt. Das Problem, das Deutschland hat, ist ein internes – und das wird nicht damit begradigt, dass man einen weiteren Zuwachs durch Zurückweisungen an Grenzen macht. Umso mehr, da es juristisch nicht klar ist, ob das überhaupt zulässig ist. Ich stelle fest, dass die deutsche Regierung während Monaten gesagt hat, aus juristischen Gründen wäre genau das nicht möglich – und jetzt ist es doch möglich, ohne dass das weder juristisch noch politisch millimetergenau geprüft ist. Insofern bleibe ich der Meinung, dass das eine Reaktion ist, die durchaus einen Dammbruch bedeuten kann, was den Respekt von den Überbleibseln der Schengen-Regeln angeht.


Tageblatt: Deutschland kontrolliert seit Montag wieder seine Grenzen. Was war Ihr erster Eindruck dieser Maßnahme?

Jean Asselborn: Mir ging gleich das Bild der Schengener Brücke während Covid durch den Kopf. Als die deutsche Polizei dem Virus mit Maschinengewehren nachgelaufen ist und dachte, sie könnte es mit Gewalt stoppen. Das war falsch und unnütz. Leider sind wir jetzt wieder in einer solchen Situation. Und auch diese Kontrollen sind falsch und unnütz.

Was finden Sie falsch daran?

Sollten andere Länder diesem deutschen Alleingang folgen, ist Schengen außer Kraft gesetzt. Das ist das Acquis, das, zusammen mit dem Euro, am bürgernächsten ist in der Europäischen Union. Dann ist diese Errungenschaft gestorben – und dann kommt sie nicht wieder.

In Deutschland feierte die rechtsextreme AfD gerade Wahlerfolge. Musste die Bundesregierung da nicht handeln?

Ich kenne die deutsche Innenministerin Nancy Faeser gut und schätze sie hoch. Und ich verstehe, dass sie und auch der Bundeskanzler ein Zeichen setzen wollten vor der nächsten Landtagswahl am Sonntag in Brandenburg. Diese Wahlen mögen wichtig sein, aber in meinen Augen nicht so wichtig, dass man damit Schengen aufs Spiel setzen sollte. Denn das Problem ist nicht Schengen. Will man in einem Land wie Deutschland Grenzkontrollen effektiv und effizient machen, gibt es an allen Grenzen dutzende Kilometer Stau. Es ist illusorisch, zu denken, dass Stichproben, die die Leute auch schon eine halbe oder eine Stunde aufhalten, irgendwie ein effizientes Resultat bringen.

Was wäre dann die Lösung?

Es gibt nur einen Weg: Dass wir ein für alle Mal eine Linie in der europäischen Migrationspolitik durchziehen – und das ist die Linie, die wir auch 2015 schon klar vorgegeben haben. Solange die Länder im Süden, vor allem Italien und Griechenland, nicht wissen, dass sie in Krisenzeiten von den Ländern aus der Mitte und dem Norden Europas obligatorisch Hilfe in Form einer Aufnahme von Geflüchteten bekommen, winken diese Länder die Leute durch, setzen sie in den Zug und schicken sie weiter. Und dann sind wir in der Situation, in der wir jetzt sind. Wir hätten, und das war unsere Linie, eine große politische Solidarität gebraucht. Nicht mehr, nicht weniger. Und das gilt auch heute noch.

Ich erhoffe mir, dass die Regierung Frieden-Bettel nicht um den Brei herumredet und klar sagt, dass geschlossene Grenzen das Problem nicht lösen

Jean Asselborn, ehemaliger Außenminister

Wie geht es jetzt weiter?

Ich hoffe, dass sie schnell damit aufhören, die Leute an den Grenzen zu schikanieren. Mich als Sozialdemokrat trifft eine Sache besonders. Auch wenn Sozialdemokraten der AfD hinterherlaufen, bekommen sie keine Wähler zurück. Die SPD wird die Rechtsextremen nicht einholen, denn die laufen dann einfach noch schneller, werden noch extremer. Ich hoffe, dass Einsicht einkehrt.

Die ADR in Luxemburg sagt, die Grenzkontrollen seien auch eine Folge Ihrer Migrationspolitik. Was sagen Sie dazu?

Ich weiß, dass wir eine Filiale der AfD in Luxemburg haben. Einer von denen ist ja mittlerweile im Europaparlament. Und der sagt, dass Deutschland seine Grenzen jetzt kontrolliere, sei wegen der Flüchtlingspolitik von Merkel und Asselborn? Das ist dasselbe, wie wenn Trump sagt, dass die Attentate auf ihn von Biden und Harris verschuldet werden. Das ist genauso falsch und genauso ein Schwachsinn. Wenn wir 2015 in der Europäischen Union die Linie durchgezogen hätten, die wir entschieden hatten – und ich habe wie Merkel immer nur die Linie der großen Mehrheit in der Europäischen Union vertreten –, dann hätten wir heute weder das Durcheinander an unseren südlichen Außengrenzen noch jenes durch Dublin.

Luxemburgs Regierung reagierte bislang recht verhalten auf die neuerlichen Grenzkontrollen. Können Sie das nachvollziehen?

Während der Pandemie habe ich in den deutschen Abendnachrichten im TV die klare Botschaft gegeben, dass Grenzen zu schließen das Schlimmste ist, was man machen kann, um den Leuten zu zeigen, dass es wieder Grenzen in Europa gibt – während wir den Leuten jahrzehntelang erzählt haben, dass die Grenzen in Europa abgeschafft sind. Ich erhoffe mir, dass die Regierung, die jetzt im Amt ist, nicht um den Brei herumredet und klar sagt, dass geschlossene Grenzen das Problem nicht lösen, sondern es noch größer machen.

JUNG LUC
1. Oktober 2024 - 20.32

Schengen schnell töten. Keine Islamisten oder andere Radikale in unserem Land. Deutschland hat es verstanden. Aussengrenzen und interne Grenzen sind nötig.
Wenn in diesem Sinne nichts geschieht dann werden wir bald in vielen Ländern viele extrem rechte Regierungen haben. Die Leute haben es satt dem europäischen Blabla zuzuhören.

Phil
25. September 2024 - 0.13

Schon déizäit huet et vun Juncker & Konsorten geheescht "Éier mir d'Bannegrenzen ofrappen, mussen mir d'Baussegrenzen dicht machen". Wat ass bis elo geschitt... näischt, guer näischt!

Europa gläicht engem Stëck Schwäizer Kéis. Hei kennt a geet wien well, legal oder illegal, mat Pabeieren an ouni Pabeieren... an gesponsort gin sie mat onsen Steuergelder an machen nach de Geck mat ons, entretemps deelweils nach vill Schlëmmeres.

Dank der Politik vun esou Realitéitsverweigerer wéi
Juncker: "Wann et eescht gett, muss een och mol léien kënnen!"
Merkel: "Wir schaffen dass!
Von der Leyen: "Migrantenkinder sind unsere Zukunft" Asselborn: "Merde alors!"
ass Europa haut an deem miserablen Zoustand deen et ass, an deen mir all Dag ze spieren kréien.

Merci, Dir Dammen an Dir Hären... Merci!

Jeremy
22. September 2024 - 10.05

Dei Zwee Hären do mussen séch nett esou maachen wéi wann
si onschöllèg wieren,si woren laang derbei,hunn schein
agesèckelt an dreimol neischt gemaach,ausser vill Gelaaber,
Europa ass ruinéiert an geet d'Baach an, dank deenen
EU-Super-Jempien,hunn alleguer neischt beigeléiert.
Armsélécht Gedeessems.

Grober J-P.
21. September 2024 - 13.04

@ Pin Mac / Ganz einfach, auswanderen, Problem geléist!

Pin Mac
21. September 2024 - 7.45

Europa = Dreckslach

palaver
20. September 2024 - 13.52

@Nils
jo dat könnt da nach dobäi..

duërfiir gin "Së" elo un ons Pensioune kniwwelen..

oh happy day

Grober J-P.
20. September 2024 - 10.07

"bekommen die Integrationsleistung, die verlangt ist, nicht hin."
Das heißt was, wollen die Asylanten sich nicht integrieren oder dürfen die nicht? Habe kürzlich Bekanntschaft gemacht mit 3 Asylbewerber, in Frankreich, eine Person aus der Ukraine, eine aus Marokko, eine aus dem Sudan. Alle drei motiviert und kompetent, was mich noch mehr überrascht hat alle 3-sprachig. Liegt hier das Problem, was befürchtet man? Verstehe, dass man einen loswird, der nicht will.

Grober J-P.
20. September 2024 - 8.30

"Grenzkontrollen" Meint man wirklich, dass ich als Schleuser die Wasserbilliger Brück oder in Perl die Grenze überqueren würde? Opa Franz hat sogar in der Rundstedtoffensive nicht nur Speck "geschleust".

Nils
19. September 2024 - 16.13

@palaver/t'ass dach scho geännert gin. Z.B. Europa ënnerstëtzt e "NET EU LAND" am Krich mat Milliarden Euros a mat Waffen. Well d'NATO och nach kräfteg matmëscht ass e Weltkrich net méi auszeschléissen. Ween interesséiert do nach Schengen?

LeCze
19. September 2024 - 16.10

Schengen ist tot! Und von der Leyen schweigt!.....

palaver
19. September 2024 - 8.34

Eent ass jo mol kloër..
d'Zäite hu geännert a mër können do nët nëmmen soën, esou war a steet ët awer am Schengen-Oofkommes..

d'Lompe stenken, an och an Europa, ët hät scho laaang missën Eppes geännert gin dat am "Fall wou" eng Decisioun prett steet..

Europa misst eng Grenzkontroll hun, esou wéi Amerika a soss nach..
ma Nee, an Europa ziëlt just de "Money"

(ëch gesin och nët an
fiir wat dann elo dën Trump mat ran ze brengen)

Meier Peter
18. September 2024 - 14.56

@JJ: Auf die Ampel zu kloppen zeugt von einem Kurzzeitgedächtnis, obwohl ich auch nicht viel von der Ampel halte. Aber wenn man sich erinnert, dann war es Junkers Freundin Mutti Angela, die das Scheunentor sperrangelweit aufgerissen hat. Sie und der Friede-Freude-Eierkuchen-Schönwetterpolitiker Juncker sind doch Schuld daran, dass weder bei der Zuwanderung noch beim Euro entsprechende Mechanismen installiert sind, die auch in schlechteren Zeiten funktional sind.

Nomi
18. September 2024 - 13.14

Frontex an Aussengrenzen ! Do leit d'Leisung .

Firwaat ass d'EU-Konstitutio'un refusei'ert gin vun Holland an Frankreich ? Do war een Artikel iwert d'Aussengrenzen dran, deen dodurch net applizei'ert gin ass. Et wir jo jo einfach deen Artikel III-265 eenzel ze developpei'eren an elo ze applizei'eren !

JJ
18. September 2024 - 10.31

"..eine ungeschickte Reaktion sind auf einen wachsenden elektoralen Erfolg von extrem rechten Kräften in Europa.."
Genau. Den Nol op de Kapp. D´AfD nennt d´Kand beim Numm an d´Ampel kuckt no ouni Reaktioun. Dat gëtt bestroft. No de Wahlen ass d´Ampel e peinlecht Stéck Geschicht.