Sonntag28. Dezember 2025

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Hörbücher„Zur See“ und „Ich träumte von einer Bestie“ im Test

Hörbücher / „Zur See“ und „Ich träumte von einer Bestie“ im Test
 Quellen: Random House Audio, HarperAudio

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Hörbücher im Text: Wie empfehlenswert sind die Vertonungen von Dörte Hansens „Zur See“ und Nina Blazons „Ich träumte von einer Bestie“? Françoise Stoll hat reingehört.

Dörte Hansen: „Zur See“

Heute ist Sylt die Insel der Schönen und Reichen. Generell gelten die Nordseeinseln als beliebtes Urlaubsziel. Doch wenn die nordfriesischen Eilande im Winter von Unwettern, von Sturm und Flut eingeholt werden, bröckelt das Bild vom idyllischen Urlaub im Standkorb. In ihrem dritten Roman „Zur See“ besinnt sich Dörte Hansen auf eine Zeit vor dem Tourismus und beschreibt das Leben einer alteingesessenen Inselfamilie aus verschiedenen Perspektiven.

Die karge Natur im Norden Deutschlands gibt nicht viel her, weshalb es die Menschen von je her aufs Wasser zog. Während die Männer monatelang auf See waren, kümmerten sich ihre Ehefrauen um Heim und Familie. Wenn die Männer draußen waren, blieb die Zeit zu Hause nicht stehen – eine bittere Lektion, die auch die Familie Sander lernen muss. So wuchsen die Kinder ohne (eine Bindung zu ihrem) Vater auf, die Eltern entfremdeten sich.

„Zur See“ von Dörte Hansen, Rating: 5/5
„Zur See“ von Dörte Hansen, Rating: 5/5 Quelle: Random House Audio

Heute fährt kaum noch einer (beruflich) zur See. Als Mutter versucht Hanne Sander, ihre Familie mithilfe des Tourismus über Wasser zu halten. Im Sommer vermietet sie ein paar Zimmer ihres Kapitänshauses. Die Kinder, insbesondere ihre Tochter Eske, hassen es, ihr Zuhause mit Fremden teilen zu müssen. Aber wenn das keine Lösung ist und sie keine Seeleute mehr sind, was sind sie dann?

Dörte Hansens Roman handelt von dem Verlust kollektiver und individueller Identität: von Menschen – verkörpert durch die Mitglieder der Familie Sander – die keinen Platz in der modernen Gesellschaft finden, die es nicht schaffen, sich an die Gepflogenheiten des „Festlands“ anzupassen und das vielleicht auch gar nicht wollen. Es ist nicht die Handlung, sondern die Atmosphäre des Romans, die Zuhörer*innen und Leser*innen in seinen Bann zieht. Hansen schreibt von unendlichem, unausgesprochenem Schmerz, von Melancholie und Schönheit. Die Art, wie ihr das gelingt, ist außergewöhnlich. Ebenso eindrucksvoll interpretiert Nina Hoss die Geschichte als Hörbuch. Zu Recht erhielt die Schauspielerin 2023 den Deutschen Hörbuchpreis als beste Interpretin. 

Zu Dörte Hansen und Nina Hoss

Die deutsche Schriftstellerin und Journalistin Dörte Hansen veröffentlichte mit „Zur See“, 2022 in Buchform erschienen, ihren dritten Roman. Er stieg nach der Publikation unter anderem auf Platz zwei der Spiegel-Bestsellerliste ein.
Die deutsche Schauspielerin Nina Hoss wirkte in mehreren Filmen – darunter „Toter Mann“ (2002), „Yella“ (2006) und „Die weiße Massai“ (2005) – mit: Rollen, für sie mit diversen Preisen ausgezeichnet wurde. Nebenberuflich setzt sich Hoss gegen Armut und gegen weibliche Genitalverstümmelungen ein.
„Zur See“ von Dörte Hansen, RandomHouse Audio, September 2023


Nina Blazon: „Ich träumte von einer Bestie“

Kann man Albträume (ver-)erben? In „Ich träumte von einer Bestie“ beschäftigt sich Nina Blazon, die sich insbesondere durch Jugend- und Fantasybücher einen Namen machte, mit transgenerationellem Trauma. In ihrem dritten Erwachsenenroman erzählt sie die Geschichte von Fleur Martin. Fleur hat deutsche und französische Wurzeln, lebt jedoch seit ihrer frühen Jugend in Deutschland. Mit ihrem leiblichen Vater, der aus Frankreich stammt, scheint sie längst abgeschlossen zu haben. Als dieser plötzlich verstirbt, beginnt eine unerwartete, emotionale Reise in die Vergangenheit.

Auf der Suche nach ihrer Herkunft bröckelt die Fassade der betont rationalen Datenforensikerin. Zunächst führt es sie nach Luxemburg, wo ihr Vater zuletzt gelebt hatte, anschließend in die Auvergne. Dort erfährt Fleur, die Nacht für Nacht in ihren Träumen vor einem Jäger davonläuft, zum ersten Mal von der Bestie des Gévaudan. Laut der Legende soll ein Raubtier zwischen 1764 und 1767 bis zu einhundert Menschen (vorwiegend Frauen und Kinder) getötet und viele weitere angegriffen haben.

„Ich träumte von einer Bestie“ von Nina Balzon, Rating: 4/5
„Ich träumte von einer Bestie“ von Nina Balzon, Rating: 4/5 Quelle: HarperAudio

Ob Wölfe für die zahlreichen Todesfälle verantwortlich oder die Morde einem französischen Jack The Ripper zuzuschreiben sind, ist ungeklärt. Fest steht jedoch, dass die Geschichte der „Bête du Gévaudan“ in der Region heute noch sehr lebendig ist und sich immer wieder mit Fleurs Familiengeschichte kreuzt. Und so kommt die Protagonistin nicht umher, sich zu fragen, ob sie von einem Monster abstammt und vielleicht sogar selbst eines in sich trägt.

In „Ich träumte es von einer Bestie“ trifft Märchen auf True Crime. Diese spannende Kombination verleiht dem Familienroman eine ganz eigene Dynamik. Auch gelingt es der Schriftstellerin und Journalistin Nina Blazon mit Leichtigkeit, ihre umfassende Recherche in eine fiktive, dennoch glaubhafte Geschichte zu verwandeln.

Einziger Wermutstropfen ist die Hörbuch-Interpretation von Charlotte Puder. Zwar trägt ihre sanfte Stimme zu einem atmosphärischen und in sich stimmigen Hörerlebnis bei – an mancher Stelle wirkt ihre Aussprache französischer (Orts-)Namen und (Teil-)Sätze jedoch recht schief. Offenbar bemüht sich die Schauspielerin sehr um eine authentische Betonung, die für die Ohren eines deutschen Publikums sicherlich durchgehen mag, luxemburgische Zuhörer*innen aber zweifellos immer wieder leicht zusammenzucken lässt.

Zu Nina Blazon und Charlotte Puder

Nina Blazon ist eine deutsche Autorin und Jugendbuchautorin. Seit 2003 veröffentlicht sie Fantasyromane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. In Buchform erschien „Ich träumte von einer Bestie“ im September 2023.
Die deutsche Schauspielerin Charlotte Puder war bereits in mehreren Theater- und Fernsehproduktionen zu sehen, wie etwa in „Der Bergdoktor“ und „Soko Leipzig“ auf ZDF. Fürs Theater stand sie bereits deutschlandweit auf der Bühne. Darüber hinaus ist sie Gründungsmitglied des Kunstkollektivs „George Bele“.
„Ich träumte von einer Bestie“ von Nina Blazon, HarperAudio, September 2023