Montag10. November 2025

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DrogenmissbrauchIn Schwedens Parlamentstoiletten wurde Kokain nachgewiesen

Drogenmissbrauch / In Schwedens Parlamentstoiletten wurde Kokain nachgewiesen
 Foto: dpa/Marcus Brandt

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Einige Abgeordnete im schwedischen Parlament haben ein Kokainproblem. Nun wartet auf die Politiker demnächst Aufklärungsunterricht.

Der Sicherheitschef des „Riksdagen“, wie das Abgeordnetenhaus auf Schwedisch heißt, hat kürzlich einen Maßnahmenkatalog vorgestellt. Die Parteioberen sollen in Workshops darüber geschult werden, welche Folgen Drogenmissbrauch haben kann. Anschließend sollen sie dies den Mitgliedern ihrer Fraktion vermitteln. Auch mit der Polizei würde bald enger zusammengearbeitet.

Drogenmissbrauch in der Politik ist eigentlich nichts wirklich Überraschendes. In Schweden ist die Skandalwirkung jedoch weit stärker. Zum einen fährt das durch die protestantische Pflichtethik geprägte Land eine strenge Drogenpolitik, von Liberalisierungen oder gar Legalisierungen redet kaum jemand. Zum anderen ist der Kampf gegen die Drogen auch mit Schwedens Problem Nummer eins verbunden, bei dem Politiker als Lösungsanbieter dringend gefragt sind. Seit Jahren tobt in den schwedischen Vorstädten ein Bandenkrieg um Drogenreviere, der mittels Schusswaffen und Bombenanschlägen ausgetragen wird.

Dass nun Politiker, die allesamt ihre Glaubwürdigkeit mit einer erfolgreichen Verbrechensbekämpfung verbinden wollen, mittels ihrem Kokain-Konsum gerade besagte Kriminelle unterstützen, stößt vielen Schweden bitter auf. „Heuchelei“ heißt das Schlagwort.

Aufgedeckt wurde der Drogenmissbrauch durch eine Reportage der Zeitung Aftonbladet, die im Januar die acht Parlamentsparteien zu ihrer Haltung in der Drogenpolitik befragte. Doch es blieb nicht beim Gespräch. Auch die Toiletten der Parteibüros wurden inspiziert und gesammelte Spuren einem Labor übergeben. In vier der acht Toiletten wurde Kokain nachgewiesen.

Betroffen sind „die Liberalen“, die an der Regierung beteiligt sind, die rechten „Schwedendemokraten“, die die bürgerliche Koalition im Parlament unterstützen, sowie die Oppositionsparteien, die Sozialdemokraten und die Linkspartei. Teils geben sich die betroffenen Fraktionen zerknirscht, teils weisen sie darauf hin, dass auch Besucher zu den Toiletten Zugang hätten. Anonym gaben Abgeordnete gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Sender SVT jedoch zu, dass Kokain im Umlauf sei. Der Erfolgsdruck in der Politik sei schließlich enorm hoch.

Drogentest am Arbeitsplatz

Die Zeitung Aftonbladet setzte noch eins drauf und interviewte einen Drogenhändler aus Stockholm. Der verkaufe an die Spitzen der Gesellschaft, an Journalisten, Geschäftsleute und eben auch an Politiker.

Nun wartet ein Erziehungsprogramm auf Letztere. „Wir werden das Bewusstsein und das Wissen um die Drogen verbessern, sodass wir dem Missbrauch vorbeugen“, glaubt der Sicherheitschef des „Riksdags“, Niklas Aström. Dies ist typisch schwedisches Denken: der Staat als Familie, als Fürsorger wie Aufpasser, schließt alle ein, auch die Politiker. Schließlich betrifft die Kontrolle auch die normalen Bürger. Ohne Begründung können am Arbeitsplatz und an Gymnasien Drogentests durchgeführt werden. Kokain wird jedoch vor allem von den Wohlhabenden konsumiert, in Schweden kaufen Konsumenten nach Angaben der Zeitschrift Capital ein Gramm für umgerechnet 96 Euro.

Einen hohen Preis zahlt die Gesellschaft. Die Bombenanschläge und Schießereien führen zu großen Ausgaben des Staates und zu traumatisierten Kindern. Insgesamt kosteten die Auseinandersetzen um den lukrativen Drogenmarkt im vergangenen Jahr 53 Menschen das Leben. Erst in der Nacht auf Dienstag verstarb ein junger Mann bei einer Schießerei in dem südschwedischen Ort Kristianstad.