Sie ist schon fast Tradition: die wöchentliche Kommissionssitzung zum Bettelverbot. In dieser Woche zu Gast: Staatsanwalt Georges Oswald. Vergangene Woche noch war er terminlich verhindert, an diesem Donnerstag stellte er gemeinsam mit Generalstaatsanwältin Martine Solovieff die Position der Staatsanwaltschaft in der Causa Bettelverbot dar: Man trage dem Rechnung, was die Gerichtsbarkeiten entschieden hätten. Heißt also: In den Augen der Staatsanwaltschaft ist einfache Bettelei nicht strafbar.
„Das ist dieselbe Lesart, die die Gerichte haben, die die Staatsanwaltschaft hat und ergo auch die Polizei“, sagte Dan Biancalana (LSAP) nach der Sitzung gegenüber dem Tageblatt. Der Vizepräsident der Ausschüsse für Inneres und für Justiz erinnerte an die Aussagen der Polizei: Die habe ganz klar gesagt, dass ihrem Verständnis nach die einfache Bettelei im „Code pénal“ nicht mehr strafbar sei. Weil im Artikel 42 des Gemeindereglements von Luxemburg aber alle Formen von Bettelei festgehalten sind, müsse die Polizei nun auch der einfachen Bettelei nachgehen. Das bestätigte auch die Staatsanwaltschaft: Die Polizei könne keinen Unterschied machen zwischen einfacher und organisierter Bettelei.
Reform des „Code pénal“ nötig
Für den Kommissionspräsidenten Laurent Mosar (CVS) verlief die Sitzung größtenteils im Einverständnis zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien. „Wir waren uns alle einig, dass die organisierte Bettelei konsequenter verfolgt werden muss“, sagte Mosar. Man müsse der Polizei und der Justiz mehr Mittel an die Hand geben. Auch habe man festgestellt, dass eine juristische Unsicherheit im „Code pénal“ bezüglich der einfachen Bettelei bestehe. Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) wolle sich der Sache annehmen. Margue hatte bereits eine Gesetzesreform im Laufe des Jahres angekündigt. In der Kommissionssitzung bestätigte sie, dass darin einfache Bettelei im Strafgesetzbuch nicht strafbar sein soll. Zwar begrüßte Biancalana es, dass es nicht zu einer legislativen Verschärfung kommen soll, „aber das ist das, von dem wir bislang sowieso ausgegangen sind“. Laut Sam Tanson („déi gréng“) wolle Margue aber auch die Möglichkeit vorsehen, dass Gemeinden die Bettelei in ihrem Reglement einschränken können. „Das widerspricht wieder der Behauptung, es gehe nicht um die einfache Bettelei“, so Tanson.
Mosar habe vor allem die Kritik der Staatsanwaltschaft in Richtung der früheren Regierungsparteien interpelliert. Die juristische Unsicherheit bezüglich des Paragrafen im „Code pénal“ sei bereits 2015 angesprochen worden. Und: „Die Finanz-Kriminalität wird nicht genügend verfolgt“, so Mosar. Auch diese Ansicht teile die Staatsanwaltschaft. In Richtung Opposition meinte der CSV-Abgeordnete und -Gemeinderat der Stadt Luxemburg: „Als Opposition würde ich mich klein halten, weil frühere Regierungen ihre Arbeit nicht gemacht haben.“
Biancalana wies besonders auf eine Aussage von Staatsanwalt Oswald hin: Im Hinblick auf organisierte Bettelei hätte sowohl die Stadt Luxemburg als auch Innenminister Gloden (CSV) oft von Limousinen gesprochen, die Bettler über die Grenze nach Luxemburg bringen würden. „Oswald hat uns in der Sitzung ganz klar gesagt, seine Ermittler von der ,Police judiciaire‘ hätten keine Kenntnis von solchen Limousinen.“
Gutachten zu einem großen Teil „copy & paste“
Über die beiden juristischen Gutachten, die Minister Gloden bei der Anwaltskanzlei Thewes&Reuter in Auftrag gegeben habe und die am Mittwoch den Abgeordneten vorgelegt wurden, sei in der Sitzung der Kommission leider nicht gesprochen worden, so Tanson. „Aber eigentlich steht auch nichts Neues in den Gutachten drin, sie sind zu einem großen Teil copy & paste.“ Gloden hatte vergangenen Mittwoch dieselbe Kanzlei beauftragt, die auch schon im Auftrag der Stadt Luxemburg die Beschwerde gegen die Entscheidung der damaligen Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) verfasst hatte.
Ganz objektiv sei das Ganze laut Biancalana nicht: „Die können ja in ihrem Gutachten nichts anderes schreiben als bei der Beschwerde aus dem vergangenen Jahr.“ Nun habe man die problematische Situation, dass Gerichtsurteile besagen, einfache Bettelei sei nicht strafbar, zwei juristische Gutachten aber, dass eben diese doch noch im „Code pénal“ stehe, so der LSAP-Politiker. Dass sowohl der Einspruch der Stadt Luxemburg als auch das vom Innenministerium vorgelegte juristische Gutachten aus einer Anwaltskanzlei eines langjährigen CSV-Mitgliedes stammen, sei Laurent Mosar zufolge überhaupt nicht problematisch. Durch den Einspruch habe man gewusst, dass die Anwaltskanzlei sich bereits eingehend mit der Thematik beschäftigt habe. Das sei in der alltäglichen Praxis gang und gäbe – unabhängig davon, welcher Partei der jeweilige Anwalt nahestehen würde. Die Vorwürfe bezeichnete der CSV-Politiker deswegen auch als „ein starkes Stück“.
Für Tanson hingegen sei die Vorgehensweise von Minister Gloden unverständlich: „Eigentlich hätte er die Beschwerde nehmen können, von der er damals ja schon sagte, sie habe ihn überzeugt. Anstatt sich das noch mal auf dem gleichen Briefpapier bestätigen zu lassen.“ Sie habe deshalb auch nach dem Kostenpunkt für die Gutachten gefragt. „Das konnte mir der Minister aber nicht sagen“, so die Grünen-Politikerin. Interessant sei ihrer Meinung nach vor allem das zweite Gutachten von Thewes&Reuter. Es sei, so Tanson, auf Nachfrage zum ersten Gutachten entstanden und komme zur Schlussfolgerung, dass es tatsächlich eine weitere juristische Unklarheit gebe, die gesetzlich geklärt werden müsse. In der neuen Verfassung heißt es in Artikel 124: „Gemeindeverordnungen können in den Bereichen, die laut der Verfassung dem Gesetz vorbehalten sind, nur aufgrund einer besonderen gesetzlichen Bestimmung erlassen werden, die das Ziel der Ausführungsbestimmungen und gegebenenfalls die Bedingungen, denen sie unterliegen, festlegt.“ Diese gesetzliche Bestimmung fehle. Eine weitere Komplexität: Das Gemeindereglement der Stadt Luxemburg wurde vor Inkrafttreten der neuen Verfassung gestimmt, die Bestätigung durch Minister Gloden erfolgte danach. „Das Gutachten kommt zum Schluss, dass es doch eine Rechtsunsicherheit gibt, ob dieses Reglement rechtssicher ist“, sagte Tanson.
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