Tageblatt: Die Regierung ist knapp zwei Monate im Amt und schon gibt es hitzige Diskussionen und viel Kritik, besonders zum Bettelverbot. Hätten Sie erwartet, dass es so schnell losgeht?
Taina Bofferding: Man sagt ja immer, dass eine neue Regierung 100 Tage Welpenschutz hat. Ich hätte mir gewünscht, dass verschiedene Minister, zum Beispiel Herr Gloden, das zu nutzen gewusst hätten, um sich ein genaueres Bild über die Problematik zu verschaffen – anstatt in blinden Aktionismus zu verfallen. Ich bedauere es, dass er als seine erste große Amtshandlung diese Entscheidung getroffen hat und nicht das Urteil der Richter abgewartet hat. Dann hätten wir wesentlich mehr Klarheit in der Thematik gehabt und alle juristischen Fragen, die noch offen sind, wären beantwortet.
Wie beurteilen Sie die Position der Regierung in dieser Frage?
Die Regierung hat die Armutsbekämpfung als ihre große Priorität angekündigt. Das spiegelt sich im Koalitionsvertrag und in ihren ersten Handlungen nicht wider. Das finde ich sehr schade, weil Armut eines der großen Probleme in unserer Gesellschaft ist. Mit seiner ersten Amtshandlung zeigt Herr Gloden ganz klar, dass er eher die Armen bekämpfen möchte, als das Problem an der Wurzel zu packen. Man kennt ja Léon Gloden auch noch als Abgeordneten. Der Platzverweis ging ihm damals nicht weit genug. Er steht schon ganz klar für diese Law-and-Order-Vorgehensweise. Ich denke, dass er seiner Linie treu bleiben wird. Er hat angekündigt, den Platzverweis zu verschärfen. Die Kritik, die ich an der neuen Regierung habe: Sie bietet nur einfache Lösungen für komplexe Probleme. Das greift einfach zu kurz, wie das Bettelverbot. Auf lange Sicht führt das in eine Sackgasse.
Das bedeutet?
Platzverweis, „comparution immédiate“, Kameraüberwachung. Das alles sind Thematiken, über die wir diskutieren müssen und sollen, da gibt es auch Vorteile. Aber im Endeffekt sind das alles repressive Maßnahmen. Und man kann nicht auf all diese Problematiken mit reiner Repression antworten. Dazu gehört auch der soziale Aspekt und der wird von der neuen Regierung gerade gar nicht thematisiert. Das werfe ich auch einer CSV vor, die sich immer für die Schwächsten in der Gesellschaft eingesetzt hat. In dieser Hinsicht waren wir als LSAP mit ihnen parteipolitisch auf einer Linie. Für soziale Aspekte waren sie immer treue Verbündete. Jetzt weichen sie von diesem Kurs ab und es stellt sich die Frage: Für was wird zukünftig die CSV stehen? Konservativ, dafür sind sie bekannt, aber es geht jetzt wirklich in diese repressive, zum Teil autoritäre Richtung. Das finde ich sehr bedenklich für unser Land.
Als Abgeordneter hat man auch Verantwortung, wenn man die politische Tribüne des Parlaments verlässt
Mit der Drohung des ADR-Abgeordneten Tom Weidig an den Karikaturisten Carlo Schneider hat das Thema Bettelverbot eine weitere Volte geschlagen. Sie haben das vergangene Woche in der „Conférence des présidents“ thematisiert.
Das ist das Gremium, wo es hingehört. Und bis auf Fred Keup haben mir auch alle anderen Vertreter der Fraktionen den Rücken gestärkt. Ein Abgeordneter kann nicht alles so sagen und machen, wie er denkt. Social Media ist kein rechtsfreier Raum. Das Problem: Das Reglement der Chamber hat für solche Fälle keine Sanktionen vorgesehen, es betrifft nur die Debatten, die im Parlament selbst stattfinden. Aber wir waren uns einig, dass wir das Reglement in diesem Punkt überarbeiten wollen. Weil man als Abgeordneter auch Verantwortung hat, wenn man die politische Tribüne des Parlaments verlässt.
Neben dem Bettelverbot war eine mögliche Rentenreform das Aufregerthema der ersten Regierungswochen. Wie schaut die LSAP auf dieses Thema?
Auch hier ist es schade, dass die Ministerin Deprez nicht die 100 Tage abgewartet hat und sofort eigene Ideen eingebracht hat. Wir verstehen nicht, warum das jetzt zu so einem großen Thema wird. Pensionen sind immer ein Thema in der Politik, klar, aber es war kein Wahlkampfthema bei der CSV. Das finde ich schon merkwürdig. Auch die Ankündigung, die zweite und dritte Säule zu stärken. Unter einer großen Reform stelle ich mir etwas anderes vor. Für uns als LSAP ist es sehr wichtig, den Staat nicht aus der Verantwortung zu nehmen.

Was sind die Prioritäten der LSAP für 2024?
Auf der Agenda steht das Logement. Wenn man sich die Ankündigungen der Regierung anschaut, den „Bëllegen Akt“, das „amortissement accéléré“, das sind alles Maßnahmen, die nur die Seite des Angebots bedienen, die der Investoren und Bauträger. Solche Lösungsversuche gab es schon in der Vergangenheit und wir wissen, dass das nicht funktioniert hat. Wir wissen, dass wir damit die Preise nicht stabilisieren konnten – im Gegenteil. Ich finde es schade, dass die Regierung sich für aktuelle Problematiken wieder dieser alten Rezepte bedient. Das ist nicht sehr innovativ. Für das Problem beim Logement gibt es nicht nur die eine Lösung. Es ist wie ein Puzzle, es braucht mehrere Teile. In der Vergangenheit haben wir die Mobilisierungssteuer auf den Weg gebracht, die ich sehr wichtig finde, um gegen die Spekulationen vorzugehen. Oder der Baulandvertrag, wo das „remembrement ministériel“ dranhängt. Das sind Instrumente, die wir brauchen. Ich kann der neuen Regierung nur ans Herz legen, dass sie unbedingt diese neuen Reformen umsetzt.
Was wird neben dem Logement noch wichtig?
Ganz klar, die Armutsbekämpfung. Es gibt immer mehr Menschen, die auf Sozialhilfe angewiesen sind. Immer mehr Menschen, die auf der Straße leben. Luc Frieden hat gesagt, er möchte nicht, dass die Schere zwischen Reich und Arm weiter auseinandergeht. Wir sind da anderer Meinung: Sie sollte kleiner werden. Das ist ein fundamentaler Unterschied zwischen der CSV und der LSAP. Da hatten wir auch konkrete Vorschläge wie die Erhöhung und Steuerbefreiung des Mindestlohns. Davon will die Regierung aber nichts hören.
Wie wird die LSAP in der Opposition vorgehen?
Wir werden Gesetzesvorschläge einbringen und auch als Abgeordnete proaktiv agieren. Das ist mir sehr wichtig: Dass wir, wenn wir kritisieren, auch eine Alternative auf den Tisch legen. Dass wir konstruktiv eigene Vorschläge ausarbeiten – auch zu Themen, die vielleicht noch nicht auf der politischen Agenda stehen.
Was bedeutet das konkret?
Wir werden Arbeitsgruppen einsetzen. Es wird vor allem um gesellschaftspolitische Themen mit sozialer Dimension gehen. Ein Projekt ist das Wahlsystem. Das werden wir weiter unter die Lupe nehmen. Nicht nur, weil wir in diesen Wahlen wieder erlebt haben, wie kompliziert diese ganze Rechnung mit der Sitzverteilung ist. Auch die Frage: Vier Wahlbezirke oder einer? Wir möchten da ganz konkrete Vorschläge entwickeln, wie das Wahlsystem zukünftig aussehen kann, wie das Parlament zusammengestellt werden kann, wie die Trennung auf kommunaler und nationaler Ebene stattfinden kann.
Wenn wir das Wahlsystem reformieren wollen, kommen wir an der Frage des Ausländerwahlrechts nicht vorbei
Würden Sie an der Größe des Parlaments rütteln oder nur an den Wahlbezirken?
Darüber kann man diskutieren. Ein ganz großes Problem ist noch immer, dass ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt nicht an den Wahlen beteiligt ist, gar nicht mitentscheiden darf, obwohl ihn die Entscheidungen, die getroffen werden, betreffen. Das ist das Demokratiedefizit, das wir haben.
Sie gehen das Thema Wahlrecht also trotz des Referendums von 2015 wieder an?
Ich weiß, dass das jetzt keiner hören möchte, weil es immer heißt: Das Referendum war klar. Ja, das Ergebnis ist ganz klar. Aber trotzdem. Wenn wir diese Reform angehen, kommen wir nicht daran vorbei, das wieder zu thematisieren. Wir versuchen, die Menschen für Politik zu begeistern und die Demokratie zu stärken. Dann müssen wir auch den Mut haben, diesen Schritt zu wagen. Nicht nur die Nicht-Luxemburger einzubinden, sondern auch die jungen Menschen. Wahlrecht ab 16 ist auch ein Thema, das für viele vom Tisch ist. Für mich nicht unbedingt.
Sam Tanson und „déi gréng“ positionieren sich in der Opposition sehr sozial und links. Ist das eine Konkurrenz oder die Chance für ein neues sozial-ökologisches Projekt?
Ich finde es gut, dass sie sich mehr für die sozialen Aspekte interessieren, weil ich denke, dass wir da gerade als Opposition sehr stark zusammenarbeiten können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir den linkeren Flügel in der Opposition stärken könnten, auch zusammen mit „déi Lénk“. Da sehe sich ein großes Potenzial. Klima ist ein Zukunftsthema, dem kann man sich nicht verschließen.
Charles Hild und Emile Müller. Ich möchte Ihnen sagen, dass ich Ihre Meinungen voll unterstütze.
Mme Bofferding, wât hu dir géint des Regierung. Si as elo mol just 3 Méint am Amt an elo hu dir soß kèng Problemer wèi géint des Leit ze stänkeren. Wier dir esou gudd an ärem Amt gewiecht, wéi dir elo iwert des Regierung hierfâlt, dann wier dir nach Ministech. Dât schéint jo guer net esou déck gewiecht ze sinn, well dir sid jo mat Glanz ogwielt gin. Wann èn selwer näischt färdeg bréngt, fällt én eben iwert séng Nofolger hier, ouni hinnen mol èng Chance ze gin fier sech richteg anzeschaffen an ären Mief erauszekieren dén dir hannerlooss hut.
...und der Stammtisch poltert wieder.
Mme Bofferding, ech hoffen Där liest wat d‘Leit hie am Forum schreiwen, duerch d‘Band si mär eis eenz a frou dass d‘Kaviarsozialisten weg vom Fenster sinn! Wann een am Glashaus setzt, soll ee jo bekanntlech net mat Stäng schéissen, oder?
Dei Blamage haut hätt Der Äech sollen/kënne spueren. Mat Äerem Gebaubbs hëlleft de Leit op der Strumm och net weider…
Die Regierung bietet nur einfache Lösungen für komplexe Probleme . Frau Bofferding in Ihrer Ministerfunktion hatten Sie leider keine Lösungen gefunden um komplexe Probleme zu bekämpfen. Wenn man in einen Glashaus sitzt ,sollte man nicht mit Steinen werfen.
Opposition ist alles besser zu wissen, regieren alles besser machen zu müssen.
Das wird so bleiben, egal welche Couleur gerade wo ist?♂️?♀️
Dir wart dach elo ëmmer an den Regierungen dobéi. Dir hut et färdech bruecht, bei den Wahléchéancen ze maachen, wéi wann dir an der Oppositioun waard.
Allen Respekt!
An elo, maacht dir just nach politique politicienne.
45 Johr Regierungsbedeelegung an dann haut ob so'u een heicht Perd klammmen. Do kann een nemmen nach mei' hei'ch eroof faalen !
Madame Bofferding. 35 Joer war är Partei an der Regierung, an dir 5 Joer dovun. Wat hätten an déir Zéit déi Problemer déi iech elo esou schwéier um Herz leien kënnen geléist oder nëmmen ungeschwacht gin. Nada! Dir sidd eng super schlecht Verléierin. Leet ären Ego an den Tirang, klammt vun ären héige Perd erôf a gesit endlech an dass de verluer hut an dofir der Oppositioun setzt.
Hoffentlech nach ganz lâng.
Man darf aber auch gar keine Skrupel in der Politik haben. Hier stellt eine Dame sich hin, als hätte sie die Patentlösung auf alle soziale Probleme, da muss man sich fragen, warum man die letzten 5 Jahre als Innenministerin nichts aber auch gar nichts gemacht hat? Dieses "Randproblem" ist doch erst in den letzten 10 Jahren unter Gambia explodiert! Weniger Polizeipräsenz dank der LSAP! Die Schere zwischen Arm und Reich wurde doch dank der LSAP auseinandergerissen ! Natürlich ist dies ein politisches Thema bei dem es keine Gewinner gibt, ist wohl auch der Grund warum Frau Bofferding das Prooblem einfach ignorierte. Was nun allerdings schlimmer ist, eine Realitätsflucht, oder eine übertriebene Bekämpfung des Problems sei mal in den Raum gestellt, in beiden Fällen verlieren die Betroffenen gleichermaßen! Wenigstens wird dem Problem ENDLICH mal gehör geschenkt, allerdings nicht dank einer LSAP, welche 10 Jahre damit beschäftigt war sich um Vorstandsposten zu bewerben anstelle ihre Ministerien zu führen.... Typisch Kaviarsozen!
Wann begreifen diese nervige Oppositions Damen endlich das der Wähler sie nicht mehr wollte, und fragen sich warum?
Madame Bofferding, wat fannt dir esou cool um Heeschen? Et ass e Skandal, dat zweedausend Joer nodeems een d' Nächsteléift gepriedegt huet, et nach ëmmer Leit gëtt, déi sech op der ëffentlecher Platz esou mussen dohi stellen. Et ass awer nach vill méi ee grousse Skandal, dat dee Misère haut nach ëmmer do ass, och nodeems zënter 1984 eng LSAP, bis op fënnef Joer, an alle Regierungen mat derbäi war! Also 35 Joer LSAP an der Regierung, a nach ëmmer sti Leit op der Strooss fir ze heeschen. A net nëmmen dat, Zënter Gambia ass de Problem konstant méi grouss ginn. Nach emol: maacht eppes dat déi aarm Leit an der Dignitéit liewe kënnen! Huelt se vun der Strooss ewech, well dat huet kee Mënsch verdéngt. Madame Bofferding, den Heesche Verbuet ass net de Problem! Kämpft dach endlech derfir, dat ons Gesellschaft deenen äermste vun den aarme Leit hëlleft!
"Es gibt immer mehr Menschen, die auf Sozialhilfe..."
Liebe Taina, habe mitgekriegt, dass bei der LSAP hin und wieder das S einfach vergessen wurde. Bitte bleiben Sie sozial.
"Alte Rezepte für aktuelle Probleme": Ab 1933 haben die katholischen Kräfte Luxemburgs den den barmherzigen gewaltfreien Prinzipien der Bergpredigt zuwidersprechenden Umgang des Nationalsozialismus mit BettlerInnen und anderen "anstaltsbedürftigen Ballastexistenzen" befürwortet.
MfG
Robert Hottua
Waerend der letzten 50 Jahren war die LSAP 40 Jahre in der Regierung und hat jetzt im Ernst die Armutsbekaempfung entdeckt,
Die Armut wird man bestimmt nicht bekaempfen in dem man das Betteln ueberall erlaubt . Mit Frau Bofferding als Oppositionsleader kann sich die Regierung ganz entspannt zuruecklehnen ...