Donnerstag13. November 2025

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Völkermord-ProzessIsraels Krieg im Gazastreifen entzweit EU-Partner 

Völkermord-Prozess / Israels Krieg im Gazastreifen entzweit EU-Partner 
Der belgische Regierungschef und amtierende EU-Ratsvorsitzende Alexander De Croo fordert von Israel mehr Zurückhaltung im Gazastreifen Foto: Ludovic Marin/AFP

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Offiziell will die EU mit dem Völkermord-Prozess gegen Israel, der gestern vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag begann, nichts zu tun haben. „Wir kommentieren keine laufenden Verfahren“, sagte der Sprecher von EU-Chefdiplomat Josep Borrell in Brüssel.

Doch hinter den Kulissen sorgt das Verfahren für erheblichen Wirbel. Denn die 27 EU-Staaten sind sich wieder einmal nicht einig – dabei wollen sie doch eigentlich das Völkerrecht hochhalten. In der Ukraine ist dies gelungen: Die EU unterstützt das Land bei seiner Klage gegen Russland vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Die EU-Justizbehörde Eurojust sammelt sogar Beweise zur Verfolgung der russischen Aggression. Völlig anders ist die Lage im Streit zwischen Südafrika und Israel: Die EU ist tief gespalten und vermeidet es, sich auf eine Seite zu schlagen.

Besonders krass ist der Kontrast zwischen Belgien und Deutschland. Das kleine Königreich, das seit Jahresbeginn den EU-Vorsitz innehat, und das größte EU-Land liegen bei der Beurteilung des Krieges in Gaza komplett über Kreuz. Israel habe das Recht zur Selbstverteidigung; von einer Vernichtungsabsicht könne keine Rede sein, heißt es in Berlin. Doch aus Brüssel kommen ganz andere Töne.

„Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel, die Bombardierung von Gaza ist unmenschlich“, erklärte Vizepremierministerin Petra De Sutter schon im November. Kurz vor dem Prozess in Den Haag äußerte sich die Grünen-Politikerin noch deutlicher. „Wir müssen gegen die Drohung eines Völkermords vorgehen“, erklärte sie auf „X“. Belgien solle sich Südafrikas Klage vor dem IGH anschließen.

Mit dieser Forderung steht De Sutter in der belgischen Regierung zwar ziemlich allein, wie sie selbst einräumt. Doch ihre Kritik an der israelischen Kriegsführung wird sogar von Premierminister Alexander De Croo geteilt. Bei einem Besuch in Israel, den er im Dezember gemeinsam mit dem damaligen EU-Ratsvorsitzenden, dem Spanier Pedro Sanchez, absolvierte, forderte De Croo mehr Zurückhaltung.

„Keine Tötung von Zivilisten mehr“, mahnte der liberale belgische Politiker bei einem Treffen mit dem israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog. Israel müsse das humanitäre Völkerrecht achten und zivile Opfer vermeiden. Das israelische Außenministerium stellte daraufhin den belgischen Botschafter ein. Dennoch gingen die Proteste gegen Israel in Belgien weiter – sogar auf Regierungsebene.

Gegensätze in der EU kaum zu überbrücken

Neuerdings teilen belgische Politiker sogar gegen Deutschland aus. „Es ist schwer zu begreifen, dass sich Deutschland von dieser israelischen Regierung, die eine schamlose Kolonisierungspolitik betreibt, so vor den Karren spannen lässt“, sagte Entwicklungsministerin Caroline Gennez, die der sozialdemokratischen Partei Vooruit angehört.

Es stelle sich die Frage, ob Deutschland wirklich zwei Mal auf der falschen Seite der Geschichte stehen werde – und ob man in Berlin weiter zusehe, ob es zu einer ethnischen Säuberung komme, so Gennez. Daraufhin sah sich auch der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, genötigt, zu reagieren: „Vergleiche mit der Shoah und dem, was gerade geschieht, passen nicht.“

Damit ist der Streit allerdings nicht beendet. Er dürfte sich sogar noch ausweiten. Deutschland erwägt nämlich, sich im Hauptverfahren vor dem IGH einzuschalten – und für Israel Partei zu ergreifen. Damit dürfte der Graben zu Belgien noch größer werden. Und das Schweigen des belgischen EU-Vorsitzes noch lauter – denn die Gegensätze innerhalb der EU sind kaum zu überbrücken.