Donnerstag13. November 2025

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Großbritannien„Plausibler Blödsinn“: Spekulationen über kommenden Wahltermin machen die Runde

Großbritannien / „Plausibler Blödsinn“: Spekulationen über kommenden Wahltermin machen die Runde
Er muss sich bei der nächsten Wahl beweisen: der britische Premierminister Rishi Sunak Foto: AFP/Andreas Solaro

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Skandale gibt es genug. Die Finanzen der Königsfamilie bleiben auch im Jahr zwei der Regentschaft von Charles III. undurchschaubar, rund um den nordenglischen Freihafen Teesside tummeln sich zwielichtige Geschäftsleute, zu Unrecht wegen Diebstahls verurteilte Postangestellte warten seit mehr als einem Jahrzehnt auf Genugtuung und Entschädigung. Nicht zuletzt scheint das Ausmaß illegaler Abhöraktivitäten durch Zeitungen und von ihnen beauftragte Detektive noch keineswegs aufgeklärt zu sein.

Stoff gäbe es also genug für findige und ein wenig investigativ veranlagte britische Politikjournalisten. Stattdessen widmen sich Dutzende kluger Menschen rund ums Regierungsviertel Whitehall seit Monaten einem Phänomen, das der BBC-Chefreporter Chris Mason abfällig „plausiblen Blödsinn“ nennt: der Spekulation über den Termin der nächsten Unterhauswahl.

Über die wissen halbwegs interessierte Briten bisher nur drei Dinge. Erstens wird traditionell, also seit rund 100 Jahren, stets am Donnerstag gewählt. Zweitens ist den bestehenden Gesetzen und Konventionen zufolge der allerspäteste Termin am 28. Januar 2025, einem – horribile dictu! – Dienstag, nämlich fünf Jahre und 25 Arbeitstage, nachdem die derzeit andauernde Legislaturperiode begonnen hat. Und drittens liegt die Festlegung des Termins ausschließlich im Benehmen des Premierministers. Dass der König sich dessen „Ratschlag“ verweigert und die Parlamentsauflösung verhindert, käme einer verfassungspolitischen Atombombe gleich.

Nun hat Rishi Sunak bereits im Dezember den Briten die Angst vor einem Januar-Wahlkampf genommen. Der Urnengang werde auf jeden Fall 2024 steigen, verriet der Konservative beim Weihnachtsumtrunk für Journalisten. Beim Besuch eines Nachbarschaftszentrums im nordenglischen Mansfield ging der 43-Jährige einen Schritt weiter. Gewählt werde erst in der zweiten Hälfte des Jahres, denn bis dahin „gibt es noch viel für mich zu erledigen“. Da das dritte Quartal wegen der diversen Ferientermine und Parteitage kaum infrage kommt, dürfte der Termin also im Oktober oder November liegen – diese Interpretation ließ sich aus Sunaks Worten lesen. Allerdings wollte er seine Mitteilung ausdrücklich als „Arbeitshypothese“ verstanden wissen.

Eine Arbeitshypothese, soso. Mit dieser salvatorischen Klausel ließ sich der Regierungschef also doch noch ein Hintertürchen offen für jenen Wahltermin, der sich aus Sicht der Parteiaktivisten eigentlich am besten eignet: Anfang Mai, gleichzeitig mit den Kommunalwahlen in weiten Teilen des Landes. Im Frühjahr ist das Wetter oft erstaunlich stabil schön, jedenfalls werden die Tage stetig länger, sodass für die obligatorischen Besuche bei der Wählerschaft genug Tageslicht bleibt. Für die Briten gehört nämlich der persönliche Kontakt mit den aussichtsreichen Parteien, am besten gleich mit den lokalen Wahlkreis-Kandidaten, zu den Fixpunkten ihres politischen Lebens, ganz egal, wie elegant die Anwärter auf die Downing Street im Fernsehen diskutieren.

Elegant hat Sunak jedenfalls die Opposition düpiert. Die Abgeordneten der in den Umfragen weit vorn liegenden Labour-Party hatten nämlich seit Wochen allen, die es hören wollten, erzählt, in Whitehall gelte der Mai-Termin als „das am schlechtesten gehütete Geheimnis“ der Regierung. Dahinter steckte wohl das Kalkül, Sunak als Feigling zu denunzieren, wenn dieser erst im Frühjahr dem Mai-Termin eine Absage erteilt hätte.

Genau aus diesem Grund hatte der Chefredakteur der einflussreichen Website „Conservative Home“ seinem Parteichef schon zu Wochenbeginn zu einer klaren Ansage geraten. Sunak solle nicht nur den Mai-Termin ausschließen, schrieb Paul Goodman: „Er könnte gleich den 14. November als Wahltermin benennen und damit allen Spekulationen auf einen Schlag den Garaus machen.“ Mal abgesehen davon, dass dieser Tag der Geburtstag des Königs ist und die fälligen Salutschüsse nicht gut mit einem demokratischen Spektakel zusammenpassen – ganz so weit mochte Sunak dann doch nicht gehen.

Ob es an Goodmans „Conservative Home“ liegt? In der jüngsten Rangliste des Kabinetts haben die Leser der Website nämlich den Premierminister auf den letzten Platz verwiesen. Sunak hat also viel Arbeit vor sich, die eigenen Parteifreunde von sich zu überzeugen, von der britischen Öffentlichkeit ganz zu schweigen.