The King himself tritt in Sofia Coppolas neuem, in Venedig prämierten Film nur ganz oberflächlich auf. Der Film heißt „Priscilla“, was genug Hinweis dafür sein sollte, wer die eigentliche zentrale Figur ist. Priscilla war nämlich nicht immer ein Presley. Denn ehe sie im Alter von 21 Jahren Elvis heiratete, war sie eine Beaulieu. Wir treffen sie zu Beginn des Films in Wiesbaden an, wo sie mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater – einem Offizier der Air Force, dessen Namen sie angenommen hat – lebt und sich vor allem langweilt. Priscilla ist erst 14 Jahre jung, als ihr der ebenfalls in Deutschland stationierte Elvis vorgestellt wird. Sie kann es nicht fassen – der hüftenschwingende Rock ’n’ Roller scheint sich für sie zu interessieren. Es fühlt sich an wie ein Märchen. Wären da nicht die bösen Eltern, die dem Treffen ihrer Tochter mit dem zehn Jahre älteren Mann argwöhnisch gegenüberstehen. Die Verliebten bleiben aber stark. Sie besucht ihn regelmäßig im sagenumwobenen Graceland, wo sie dann knapp 18-Jährig hinzieht. Es dauert aber nicht lange, ehe Priscilla merkt, dass ihr Märchen eine falsche Wendung nimmt.
Goldene Käfige
Sofia Coppolas Filmografie ist eine voller goldener Käfige: der Vorstadt-Käfig von „The Virgin Suicides“, derjenige auf der anderen Seite des Planeten im Tokio von „Lost in Translation“ oder der wortwörtliche goldene Käfig von Versailles in „Marie Antoinette“, um nur diese drei (besten) Filme der erfolgreichen Coppola-Tochter zu nennen. „Priscilla“ ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Der Film hat nicht nur Priscilla Presleys Memoiren „Elvis and Me“ als Vorlage, Priscilla selbst ist auch als Produzentin mit an Bord des Films. Zwei Elvis-Filme also und keiner davon ist ein geglücktes Elvis-Biopic. Baz Luhrmanns Film ist ein unterm Strich sehr klassisches, fast schon abgelutschtes Biopic, das aber als spektakulär glitzernder Musikfilm daherkommt und in dem die mehr als problematische, fast schon faustianische Beziehung zwischen Elvis und seinem Manager Colonel Tom Parker im Zentrum steht. „Priscilla“ hingegen ist weit weg von Luhrmanns musikalischer Bonanza – die Presley-Erben ließen Coppola keine Songs des Kings benutzen; was ihr wieder einmal die Gelegenheit gab, ihren Film mit Musik von damals und mit zeitgenössischer Musik, wie z.B. von Dan Deacon oder den Sons of Raphael, zu untermalen –, sondern ist ein psychologisches Kammerspiel zwischen den beiden Figuren.
Sofia Coppola untergräbt dabei ganz nebenher ihr eigenes Image als Pinterest-Göttin und dämpft zusammen mit Kameramann Philippe Le Sourd die Farben ihres Zeitstücks, welches sich größtenteils in den Sechzigern abspielt. Priscilla verwelkt zu einem weiteren Dekorum von Elvis, welches eine nicht zu verachtende Zeit auf sich alleine gestellt im dunkelbraunen „Graceland“-Käfig wartet. Auf Elvis wartet. Nur um dann aus der quietschbunten Klatschpresse von seinen vermeintlichen Liebeleien und Betrügereien zu erfahren. Coppolas Casting-Entscheidungen sind in diesem Kontext nicht unclever. Den Australier Jacob Elordi, nach dem seit „Saltburn“ von Emerald Fennell scheinbar jeder gelüstet, gegenüber seiner Partnerin als sexlosen Elvis zu besetzen, ist ein smarter Move. Der auf den ersten Blick zierlichen 25-jährigen Cailee Spaeny, die für ihre Priscilla-Rolle in Venedig ausgezeichnet wurde, gelingt es, gleichzeitig 14- sowie 27-jährig aufzutreten. Die Kostümarbeit – zum Teil Originaldesigns von Chanel – trägt einiges dazu bei. Vom Unbehagen des Zuschauers gegenüber der Beziehung bis zum Sich-Selbst-Finden von Priscilla selbst. Coppola spielt (vielleicht ganz unbewusst) mit dem Karneval-Faktor ihres period piece. Während Spaeny zu Beginn verkleidet daherkommt – Elvis entscheidet auch über ihre Garderobe –, ist er es am Ende, der kostümtechnisch wie eine Karikatur seiner selbst auftritt.
Obwohl lobenswert, dass Sofia Coppola in immerhin 110 Minuten nicht sehr viel passieren lässt und ihre anderen Markenzeichen wie Ennui und Einsamkeit zur Geltung kommen, ist „Priscilla“ bei weitem der didaktischste Film in ihrer Karriere. Die Situation zwischen den beiden ist von Anfang an gegeben: bedenklich und creepy – und Priscilla bleibt in aller Hinsicht auf ihrem Trockenen. Ihr persönliches Erwachen abseits ihres Status als Symbol eines Symbols wird am Ende des Films ziemlich schnell abgefrühstückt. Was dem Film Priscilla den Anschein verleiht, nur das erzählen zu wollen, was er an der Oberfläche vordergründig präsentiert. Aber auch die Oberfläche ist schon lange fester Bestandteil von Sofia Coppolas Œuvre. Und dennoch will der kosmische Zufall der Filmgeschichte, in dem sich „Priscilla“ und „Elvis“ wiederfinden, dass diese beiden Filme koexistieren und sich ungewollt komplementieren.
„Priscilla“ von Sofia Coppola, mit u.a. Cailee Spaeny und Jacob Elordi. Zu sehen im Ciné Utopia und in den Regionalkinos von Cinextdoor.
De Maart
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