Donnerstag13. November 2025

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KosovoFreude über Wegfall der Visapflicht bei Reisen ins Schengenreich

Kosovo / Freude über Wegfall der Visapflicht bei Reisen ins Schengenreich
„Visa-Liberalisierung für Kosovo #OhneVisum“ steht auf der Tasche einer Passagierin am Flughafen von Pristina Foto: AFP/Armend Nimani

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Seit dem 1. Januar können auch die Kosovaren endlich visafrei in die Schengenzone reisen. Die Betroffenen sind erleichtert. Die Wirtschaft fürchtet eine noch schnellere Abwanderung der Fachkräfte. Die Regierung nutzt den späten Wegfall der Visapflicht zum Aufpolieren ihres angeschlagenen Images.

Die Ära der endlosen Warteschlangen vor den ausländischen Konsulaten und Botschaften ist in Kosovos Hauptstadt Pristina vorbei. Mit Genugtuung und Erleichterung reagieren die meisten Bewohner des 1,8 Millionen-Einwohner zählenden Balkanstaats auf die späte Aufhebung der Visumspflicht bei Reisen ins Schengenreich zu Jahresbeginn.

„Wir hätten die Visa-Liberalisierung viel früher verdient“, ist Habib Spahia überzeugt. Als einer von 20 Gewinnern eines von der Regierung organisierten Quiz zur Aufhebung der Visapflicht brach der Familienvater aus Rahovec (Orahovac) am 1. Januar zu einem Kurzurlaub nach Wien auf: „Aber nun fühlen wir uns gut, dass endlich auch wir ohne Visa in Europa reisen können.“

Tatsächlich ist der seit 2008 unabhängige Kosovo der letzte EU-Anwärter, dessen Bürger nach jahrelanger Verzögerung endlich auch in den Genuss des visafreien Reisens kommen: Die nun in Kraft getretene Visaliberalisierung trat für die anderen fünf Beitrittskandidaten auf dem Westbalkan bereits 2008, für Georgien 2011 sowie für die Ukraine und Moldau 2013 in Kraft.

Obwohl Brüssel bereits 2016 die Bedingungen zur Aufhebung der Visapflicht erfüllt sah, waren es die Widerstände der Niederlande und Frankreichs, die die Reisefreiheit für die isolierten Bewohner von „Europas letztem Visumreservat“ immer wieder verzögerten. Als „Beseitigung einer großen Ungerechtigkeit“ bezeichnet Kosovos Premier Albin Kurti die Aufhebung der Visumpflicht. Gleichzeitig ermahnt er seine Landsleute, die nur für touristische Reisen und Familienbesuche gedachte Visafreiheit nicht zur Arbeitssuche zu missbrauchen.

Der „gesamte Westbalkan“ sei nun „mit der Schengenzone verbunden“, feiert der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die „historische EU-Entscheidung“. Beim wortreichen Selbstlob übersieht Europas Chefdiplomat allerdings geflissentlich zwei Ausnahmen. Ausgerechnet in sein Heimatland Spanien, das den Kosovo-Pass noch immer nicht anerkennt, können Kosovaren auch in Zukunft nicht ohne Visum reisen. Zudem bleibt jenen Kosovo-Serben, die über keinen Kosovo-Pass, sondern nur über einen serbischen Sonderpass verfügen, weiter die Reisefreiheit verwehrt.

Viele wollen kündigen und emigrieren

Auch weil die Kosovaren ab 1. Januar endlich auch mit ihren von Belgrad zuvor nicht anerkannten Autokennzeichen über Serbien ins Ausland reisen können, hat sich ihre Reisefreiheit merklich vergrößert. Doch mit durchschnittlichen Nettogehältern von 400 Euro im Monat können sich ohnehin nur die Wenigsten teure Auslandsreisen leisten.

Einerseits dürfte der Wegfall der lästigen Visapflicht der Wirtschaft die Erschließung neuer Exportmärkte erleichtern. Andererseits fürchten Analysten, dass sich mit der neuen Reisefreiheit der Emigrationsaderlass der Fachkräfte ins Ausland noch merklich vergrößern dürfte: Laut einem Report des Riinvest-Instituts sind 18 Prozent der heimischen Firmen von ihren Beschäftigten bereits informiert worden, dass sie 2024 kündigen und emigrieren wollen.

Premier Kurti scheint die Visafreiheit vor allem dazu nutzen zu wollen, die bescheidene Leistungsbilanz und das ramponierte Image seiner Regierung aufzupolieren. Denn die bei seinem Amtsantritt 2021 gelobte Verbesserung der Lebensverhältnisse ist ausgeblieben, der Unmut des Westens über seine zögerliche Kooperation beim festgefahrenen Dialog mit Serbien hingegen groß.

Doch mit den sich ans eigene Revers gehefteten Erfolgen der Visafreiheit und der Serbien abgerungenen Anerkennung von Kosovos Autokennzeichen könnte Kurti die Flucht nach vorne wagen: In Pristina mehren sich bereits die Spekulationen über vorgezogene Parlamentswahlen noch in diesem Frühjahr.

Ludwig
4. Januar 2024 - 11.09

"Ode an die Freude".