Ein kahler Denkmalsockel kündet am Sofioter „Tsar Osvoboditel“-Boulevard von Bulgariens halb vollzogener Zeitenwende. Sofias Verwaltungsgericht hat die Mitte Dezember in Angriff genommene Entfernung des Denkmals für die sowjetische Armee eine Woche nach Beginn der Demontage zwar gestoppt. Die Sockelhelden sind jedoch bereits entfernt: An dem Stadtzankapfel teilen sich schon seit der Wende von 1989 die Geister.
Ein Jahrzehnt nach dem sowjetischen Einmarsch von 1944 war der 37 Meter hohe Koloss errichtet worden. Nach Bulgariens Abschied vom Sozialismus hatte Sofias Stadtrat zwar bereits 1993 die Entfernung der wuchtigen Huldigung für die Ex-Besatzer verfügt. Doch diese blieb drei Jahrzehnte aus. Der Grund: Rücksicht auf Moskau, aber auch prorussische Sentiments ließen die Stadtväter von dem Denkmalsturm lange zurückschrecken.
Der abgetakelte Platz um das bröckelnde Monument ist längst zum Treffpunkt der Sofioter Skater- und Hiphopszene mutiert: Die Soldatenreliefs im Sockel wurden in den letzten Jahren je nach Anlass mehrmals in den ukrainischen Nationalfarben, blutrot, bunt oder rosa übermalt.
Offiziell wurde der Abriss nun aus „Sicherheitsgründen“ angeordnet. Aber tatsächlich sind es der Ukraine-Krieg sowie die Machtwechsel im Rathaus und auf der Regierungsbank, die nach dem Willen der Stadtväter das späte Ende von Sofias Sowjeterbe besiegeln sollen: Die bereits vom Sockel geholten Soldatenskulpturen sollen zwar restauriert werden, aber keinesfalls an ihren bisherigen Platz zurückkehren, sondern ins Museum wandern.
Pyrrhussieg für Sowjetfreunde
Sofia habe „die falsche Seite der Geschichte gewählt“, schäumte zu Beginn der Demontage im fernen Moskau das russische Außenministerium. Über die „barbarische Entscheidung“ erregte sich Bulgariens russophiler Präsident Rumen Radew. Prorussische Oppositionsparteien reichten derweil Klage ein.
Wegen der undeutlichen Beschlusslage hat das Verwaltungsgericht die weitere Demontage vorläufig gestoppt: Es sei nicht klar, wie die Restaurierung finanziert und was mit den Denkmalhelden geschehen solle. Der Pyrrhussieg vor Gericht ist für Bulgariens Sowjetfreunde dennoch nur ein schaler Trost: Mit einem Sockelcomeback der geerdeten Sowjethelden wird kaum gerechnet.
Erleichterung über die „Befreiung von den Befreiern“ macht sich derweil bei den Gegnern des als „Symbol des russischen Imperialismus“ kritisierten Denkmals breit. „Wir verschaffen uns die Möglichkeit, die Geschichte durch unser eigenes Prisma zu verstehen und nicht durch das der russischen Propaganda“, so der Parlamentarier Iwajlo Mirtschew.
De Maart
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