Donnerstag13. November 2025

Demaart De Maart

Alain spannt den Bogen„Wir müssen dem Publikum das Bestmögliche an Musik bieten“

Alain spannt den Bogen / „Wir müssen dem Publikum das Bestmögliche an Musik bieten“
Matthew Studdert-Kennedy: „Wenn man einen so tollen Spielplatz wie die Philharmonie hat, muss man den natürlich voll ausnutzen. Und da sind der Fantasie eigentlich keine Grenzen gesetzt.“ Foto : Eric Engel

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der Head of the Artistic Planning Division der Philharmonie, Matthew Studdert-Kennedy, erzählt uns, wie seine Institution vorgeht, um den vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen der Öffentlichkeit gerecht zu werden.

Tageblatt: Sie sind Head of the Artistic Planning Division, also der Mann, der für die gesamte Programmplanung der Philharmonie verantwortlich ist. Wie würden Sie Ihren Job denn selbst beschreiben?

Matthew Studdert-Kennedy: Ufff…  Das zu definieren, ist fast unmöglich, weil vieles ineinander übergreift. Auf der einen Seite bin ich – um jetzt einmal bei den klassischen Konzerten zu bleiben – verantwortlich für alle Orchester, die bei uns gastieren, auf der anderen Seite für alle Projekte des Luxembourg Philharmonic. Die Vorgehens- und Arbeitsweise ist da natürlich sehr verschieden. Beim Luxembourg Philharmonic arbeiten wir sozusagen im Wochenrhythmus, es gibt also sehr viele Konzerte mit vielen Proben, die auf mehrere Tage verteilt sind. Bei einem Gastorchester, das auf Tournee ist, ist das viel kompakter; die Musiker kommen, haben eine Saalprobe und spielen das Konzert. Da vergehen meistens nur ein paar Stunden und alles muss somit perfekt geplant sein. Das ist jetzt der rein praktische Teil. Ich arbeite da auch nicht alleine, sondern mit vielen Kollegen, die in anderen Musikbereichen spezialisiert sind. Dann gibt es natürlich für jedes Projekt, für jedes Konzert einen Verantwortlichen, der zugleich Ansprechpartner für die Musiker und Organisatoren ist und während der ganzen Zeit auch vor Ort ist.

Dann gibt es aber auch die Planung.

Genau, und die ist sehr, sehr wichtig, weil wir ja auch einen öffentlichen Auftrag gegenüber den Menschen hier haben. Die Programmierung soll dann so gut wie möglich auf die Bedürfnisse und Wünsche des luxemburgischen Publikums abgestimmt sein. Wir müssen dem Publikum das Bestmögliche an Musik bieten. Was sich aber kaum von denen der großen Musikstädte wie Wien, Berlin oder London unterscheidet. Sicher, es gibt immer spezifische Programme und typisch luxemburgische Projekte, wie beispielsweise das Atlantico-Festival, das Fräireim-Festival, die Rainy Days, die EME-Initiative oder das Projekt Orchestre de la Place de l’Europe. Nicht zu vergessen die über hundert Education-Konzerte für die Kinder und Familien. Aber das Herzstück sind neben den Konzerten des Luxembourg Philharmonic die Gastkonzerte der weltbesten Orchester, Dirigenten und Solisten, die wir auch im Musikverein, in der Pariser Philharmonie oder der Elbphilharmonie finden.

Die Philharmonie also als ein Ort der Begegnungen.

Das ist es, was wir anstreben. Wir wollen ein möglichst großes Publikum erreichen und mit dem Atlantico-Festival wollen wir auch integrative Arbeit leisten. Wenn man einen so tollen Spielplatz wie die Philharmonie hat, muss man den natürlich voll ausnutzen. Und da sind der Fantasie eigentlich keine Grenzen gesetzt. Andere Philharmonien oder Konzerthäuser gibt es bedeutend länger und sie hatten Zeit, sich nach und nach ein Publikum aufzubauen und ihr Angebot zu festigen. Luxemburg hatte diese Kultur nicht und war vor der Philharmonie musikalisch quasi inexistent auf der europäischen Bühne. Wir mussten also sehr schnell und effektiv arbeiten, um all diese verpassten Jahrzehnte aufzuholen. Und das geht nur mit einem fantastischen Team. Wenn man jetzt schaut, was die Philharmonie seit der Eröffnung 2005 auf die Beine gestellt hat, dann ist das schon außergewöhnlich. Und was wirklich schön ist, wir sind inzwischen auch bei den Künstlern und Orchestern zu einem Wunschhaus geworden, an das sie immer wieder gerne zurückkehren.

Wie kann man sich denn jetzt praktisch die Organisation einer Spielzeit vorstellen?

Mit der Planung fangen wir zwei bis drei Jahre im Voraus an. Dabei müssen wir natürlich auch einige Fixpunkte miteinbeziehen, wie beispielsweise die Ferien, wo viele Menschen in Urlaub sind. Auch die Feiertage sind wichtig. Um Weihnachten werden wir also nie eine Achte Bruckner programmieren. Ein anderer Fixpunkt ist die Spielzeiteröffnung. Da müssen wir mit mindestens einem Kracher beginnen und natürlich ebenfalls unser Luxembourg Philharmonic bestens in Szene setzen. Wir versuchen deshalb, besonders den September mit einem sehr attraktiven Programm auszustatten. Wir müssen uns natürlich auch den Tourneedaten der großen Orchester anpassen. Wenn ein Orchester wie das NHK Symphony Orchestra aus Tokio auf Tour geht, dann bestimmen sie die Tournee-Periode und wir müssen uns daran orientieren. Genauso ist es mit den amerikanischen Orchestern. Und all diese Dinosaurier der Musiklandschaft, die jeder haben will, ob es jetzt die Berliner oder Wiener Philharmoniker sind, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder das London Symphony Orchestra. Denn all diese Orchester planen ihre Tourneen lange Jahre im Voraus. Manchmal müssen wir auch sehr flexibel sein. Viele große Künstler entscheiden oft spontan und sehr kurzfristig. Dann müssen wir natürlich versuchen, innerhalb unserer Möglichkeiten ein Datum zu finden. Und diese ganze Organisation muss wiederum an die Konzerte unseres hauseigenen Luxembourg Philharmonique angepasst sein.

Aber damit alleine ist es nicht getan.

(lacht) Nein, denn dann müssen die Termine auch noch für unseren Chefdirigenten Gustavo Gimeno passen, genauso wie für die Gastdirigenten und die Solisten. Gerade für das Luxembourg Philharmonic Orchestra sind wir sehr darauf bedacht, die besten Solisten der Welt zu bekommen. Am Beispiel von Yuja Wang haben wir gesehen, was eine gute Zusammenarbeit ausmacht, denn diese Musikerin, die von allen Orchestern begehrt wird, kommt immer wieder, und das fast jedes Jahr, zu uns zurück.

Natürlich versuchen wir, die viel gefragten Starensembles und Weltklassekünstler zuerst zu verpflichten, dann, wenn der Spielplan noch relativ offen ist. Wenn diese Fixpunkte stehen, füllen wir auf. Nicht dass das jetzt Künstler zweiter Garnitur sind, aber Tourneeorchester haben nun einmal ein festes Tournee-Datum.

Wer hat denn Vorrang?

Also: Es gibt keine fixen Regeln. Natürlich versuchen wir, die viel gefragten Starensembles und Weltklassekünstler zuerst zu verpflichten, dann, wenn der Spielplan noch relativ offen ist. Wenn diese Fixpunkte stehen, füllen wir auf. Nicht dass das jetzt Künstler zweiter Garnitur sind, aber Tourneeorchester haben nun einmal ein festes Tournee-Datum. Oft ist es aber so, dass wir regelmäßig mit den gleichen Künstlern zusammenarbeiten, denken Sie nur an Anne-Sophie Mutter, Hélène Grimaud oder Grigory Sokolov. Die sind alle schon sehr lange dabei und kehren auch immer wieder gerne zurück. Für uns als Haus ist es natürlich wichtig, dass sich die Musiker bei uns wohlfühlen und dass dann solche langfristigen Kooperationen zustande kommen.

Es ist schon erstaunlich, wie Sie es schaffen, bei einer „kleinen“ Bevölkerung wie in Luxemburg, das Haus voll zu bekommen.

Sie sprechen da einen sehr wichtigen Punkt an. Das müssen wir bei unserer Planung nämlich auch berücksichtigen. Von der Bewohnerzahl her kann sich Luxemburg natürlich nicht mit Städten wie Wien, London oder Berlin messen, wo praktisch jeden Abend die besten Künstler der Welt auftreten und das Publikum dafür auch vorhanden ist. In Luxemburg müssen wir aufpassen, wie wir beispielsweise die Orchesterkonzerte einsetzen. Zwei, höchstens drei Orchesterkonzerte pro Woche sind das Maximum. Wir könnten mehr machen, aber irgendwann würde das Publikum nicht mehr mitmachen. Es wäre einfach zu viel. Auch wenn wir sehr viele Zuhörer aus Deutschland, Frankreich und Belgien, also aus dem nahen Ausland, haben, wir müssen auf ein wohlausbalanciertes Programm achten. Und auch natürlich darauf, dass sich die Werke im Laufe einer Spielzeit nicht wiederholen. Manchmal bleibt es nicht aus, aber auch hier versuchen wir, so vielseitig, aber auch so ambitioniert wie möglich zu sein.