Erst ein Besuch beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris, nun folgt Anfang Januar noch ein Abstecher zum neuen NATO-Mitglied Finnland und zum Beitrittskandidaten Schweden – Friedrich Merz schärft in diesen Tagen sein außenpolitisches Profil. Besser ist das. Denn das kommende Jahr wird für den CDU-Chef wohl eines der wichtigsten seiner wechselhaften, politischen Karriere werden. Es naht die Entscheidung in der K-Frage. Da können außenpolitische Meriten hilfreich sein.
Die K-Frage. Sie hat den CDU-Vorsitzenden und Fraktionschef der Union im Bundestag auch im ablaufenden Jahr permanent begleitet. Will er Kanzlerkandidat werden? Wer Partei- und Fraktionschef ist, sollte diese Frage für sich selber schon längst beantwortet haben. Nur öffentlich wollte Merz darüber zunächst gar nicht reden, dann etwas mehr – und zum Ende des Jahres glauben Beobachter, zwischen den Zeilen bei Merz heraushören zu können, wie einst Schröder an den Gittern des Kanzleramtes rütteln zu wollen. Intern wird schon lange kein Hehl mehr daraus gemacht, dass der Sauerländer der Kandidat ist, falls die Ampel noch vor der Bundestagswahl 2025 platzen sollte. Auch seitens der Schwester CSU bestreitet das keiner.
Das hat auch mit dem Verlauf des turbulenten Jahres 2023 zu tun. Merz ist es gelungen, die Union im Bundestag zu einer schlagkräftigen Opposition zu formen. Und das in einer durchaus konstruktiven Weise – bei einer Vielzahl von Ampel-Plänen hoben die Abgeordneten von CDU/CSU die Hand. Je schwächer und zerstrittener das Bündnis freilich wurde, desto heftiger attackierte die Union. Man witterte Chancen.
Der Geist der alten, bürgerlichen Union
Ab dem Sommer verschärften Merz und seine Getreuen daher den Ton deutlich. Höhepunkt war die Rede des Fraktionschefs anlässlich der Haushaltskrise Ende November im Bundestag: „Sie können es nicht“, rief er Olaf Scholz zu. Die Kanzler-Schuhe seien dem SPD-Mann einige Nummern zu groß. Der deftige Auftritt wirkte wie eine eigene Bewerbung. Man muss aber auch wissen: Merz und Scholz sind in Abneigung miteinander verbunden. Die Kontakte sind spärlich. Scholz ließ Merz zappeln beim Deutschlandpakt, den der Unionsmann freilich in einen zur Begrenzung der Migration umwandelte. Bei zwei Treffen kam man sich nicht wirklich näher. Mehr noch, die Umstände einer der beiden Zusammenkünfte sollen dem Vernehmen nach Merz nachhaltig verärgert haben. Auch inhaltlich gibt es einen besonders wunden Punkt: Der Umgang der Ampel mit dem Sondervermögen Bundeswehr, dem die Union seinerzeit zugestimmt hatte. Was daraus finanziert werde, entspreche nicht den Absprachen, wird beklagt.
Die Union glaubt jedenfalls zu wissen, wo sie die Ampel jetzt stellen muss: bei der Migration, in der Haushalts- und Wirtschaftspolitik, bei ihren wenigen, aber umstrittenen Sparbemühungen. Und bei dem, wo nicht oder kaum gespart wird, dem Bürgergeld etwa. Intern soll Merz die Losung ausgegeben haben, mit Bedacht vorzugehen. Schließlich muss die Union nach 16 Jahren Regierung nach wie vor Vertrauen zurückgewinnen. Dass man in den Umfragen bei um die 30 Prozent eher festklebt, die AfD aber zulegt, wird als Beleg dafür genommen.
Vertrauen schaffen will man auch mit dem frischen Grundsatzprogramm, das Merz und der von ihm neu installierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in diesem Jahr entscheidend vorangetrieben haben. Es atmet den Geist der alten, bürgerlichen Union – Leitkultur, Werte, Leistung, klare Ansagen. Kritiker sagen, es ist die Rückkehr in die 1990er Jahre, als Merz politisch erstmals erfolgreich war. In der CDU glaubt man indes, dass Deutschland dringend mal wieder eine Wertedebatte benötigt. Die will man anstoßen. Für manchen ist das Grundsatzprogramm eine Absage an andere. Insbesondere an SPD und Grüne.
Unberechenbar
Womit man auch bei dem Merz ist, der unberechenbar sein kann. Das hat er 2023 wieder gezeigt. Erst schlug er die Tür zu den Grünen vehement zu, die er als Hauptgegner im Bund bezeichnete. Dann machte der Vorsitzende sie in seinem schon legendären TV-Sommerinterview zur AfD auf. Die Brandmauer bröckelte in diesem Jahr gewaltig. Bis heute, heißt es in der CDU, zahle das Interview bei der AfD ein. Merz gilt als stur, der politische Gegner unkt, er sei schnell beleidigt. Er spitzt gerne zu und glaubt, so reden zu müssen, wie es die Leute in seinem Heimatort Arnsberg angeblich tun. Sein umstrittener Satz über abgelehnte Asylbewerber – „die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen“ – ist noch in guter Erinnerung.
Darüber hinaus legte er sich verbal mit dem einen oder anderen CDU-Ministerpräsidenten an – speziell mit dem Nordrhein-Westfalen Hendrik Wüst. Denn die ambitionierten Landesfürsten ließen den 68-Jährigen durchaus spüren, dass sie sich von ihm aus Berlin nicht viel sagen lassen wollen. 2024 dürfte sich das nicht ändern. Selbst dann nicht, wenn Merz die K-Frage tatsächlich für sich entscheiden sollte.
De Maart
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