Donnerstag13. November 2025

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ÖsterreichEntgegen allen Beteuerungen bleibt Russland wichtigster Gaslieferant

Österreich / Entgegen allen Beteuerungen bleibt Russland wichtigster Gaslieferant
Die Gasspeicherstation Haidach bei Straßwalchen im österreichischen Bundesland Salzburg: Im zweiten Jahr des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bezieht Österreich noch immer einen Großteil seines Gases aus Russland Foto: Manfred Fesl/APA/dpa

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Ein Vielfaches der österreichischen Ukraine-Hilfen fließt über die Gasrechnung in Wladimir Putins Kriegskasse. Noch immer kommen bis zu 90 Prozent der alpenrepublikanischen Gasimporte aus Russland.

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine träumte man auch in Wien vom Ausstieg aus dem Gasgeschäft mit dem Aggressor. Vor einem Jahr verkündete Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) schon die Erfolgsmeldung: „Wir haben die Abhängigkeit von russischem Gas von 80 Prozent zu Beginn des Kriegs der russischen Föderation gegen die Ukraine auf 20 Prozent reduziert.“ Tatsächlich war das nur ein einmaliger Ausreißer nach unten, welcher jedoch nicht auf österreichische Maßnahmen zurückzuführen war, sondern darauf, dass „Gasputin“ vorübergehend die Lieferungen gedrosselt hatte.

Schon Ende 2022 lag der Anteil russischen Gases am gesamten Gasimport Österreichs nach Angaben der staatlichen E-Control wieder bei 71 Prozent. Unter 50 Prozent lag dieser Anteil auch heuer in keinem Monat, meistens deutlich darüber. Im September wurden 80 Prozent erreicht, im Oktober der bisherige Rekordwert von gar 90 Prozent. Seit Jahresbeginn bezog Österreich russisches Gas im Wert von 2,9 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 stellte Österreich nach Angaben des Außenministeriums in Wien Finanzhilfen von 124 Millionen Euro für die Ukraine und deren Nachbarländer zur Verfügung.

Ausstieg ist das Ziel

Dabei herrscht in der türkis-grünen Koalition Einigkeit über das Ziel des Ausstieges aus dem Russen-Gas. „Russische Gaslieferungen sind unsicher und ich halte es für völlig falsch, mit diesen einen Krieg zu finanzieren“, beteuerte Energie- und Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) nicht nur einmal. Nachdem dieser Tage der Rekordwert für Oktober bekannt wurde, blieb ihr nur die Flucht in statistische Interpretationen. Da die Stromerzeugung aus Gas im Herbst durch einen hohen Erneuerbaren-Anteil gering, der Energieverbrauch insgesamt niedriger als in den Vorjahren war und die Speicher im Oktober bereits fast voll waren, sind die österreichischen Gasimporte in absoluten Zahlen sogar gesunken, teilt das Energieministerium mit. Die genauen Zahlen dürften aus rechtlichen Gründen jedoch nicht veröffentlicht werden. Durch das Absinken der absoluten Gasimportmenge sei jedenfalls der prozentuale Anteil Russlands gestiegen. Im Klartext: Österreich hat den sinkenden Verbrauch nicht für eine Abkehr vom bisherigen Hauptlieferanten genützt. Und selbst bei den offiziell nicht-russischen Importen ist nicht garantiert, dass sie kein russisches Gas enthalten. Denn, so das Energieministerium, „die Teilnehmer:innen am Gasmarkt müssen der E-Control nicht die exakte Herkunftsquelle der Gasimporte nennen“.

LNG statt Pipelinegas

Tatsächlich ist Russland nicht nur mit den Österreichern weiter gut im Gasgeschäft. So hat die auf Rohstoffausbeutung spezialisierte Nichtregierungsorganisation Global Witness herausgefunden, dass immer mehr russisches Flüssiggas (LNG) per Schiff in die EU gelangt. Demnach importierte die EU heuer bis September 52 Prozent des von Russland exportierten LNG im Gegenwert von knapp 5,3 Milliarden Euro. Hauptumschlagplatz ist das LNG-Terminal im belgischen Zeebrugge. Die EU-Kommission räumte ein, dass derzeit mehr russisches LNG als vor der Ukraine-Invasion gen Westen verschifft wird, der Import über Pipelines sei aber um 80 Prozent zurückgegangen.

Kurz‘ Erbe

Seit der Zerstörung der Nord-Stream- und der Schließung der Jamal-Pipeline durch Polen fließt russisches Erdgas noch über die Ukraine beziehungsweise über die Türkei in die EU. Die Ukraine-Pipeline führt direkt zum Gasknotenpunkt im österreichischen Baumgarten. Und daran wird sich kaum etwas ändern, da die Ukraine ihre Drohung, nach dem Auslaufen des Gastransitvertrages mit Russland ab 2025 kein russisches Gas mehr nach Österreich durchzulassen, schnell wieder zurückgenommen hat.

Österreich braucht Putins Lieferungen nicht nur, es könnte nicht einmal darauf verzichten, wenn es wollte. Denn der teilstaatliche Energiekonzern OMV hat mit Russland einen noch bis 2040 laufenden Liefervertrag, der jährlich sechs Milliarden Kubikmeter Gas zu einem Vorzugspreis garantiert. Allerdings enthält er auch eine „Take-or-pay“-Klausel. Das heißt, wenn Russland zur Lieferung bereit ist, muss Österreich zahlen, egal ob es das Gas tatsächlich nimmt oder nicht. Die Verlängerung des ursprünglich nur bis 2028 geltenden Vertrages erfolgte 2019 unter der Ägide von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), der damals mit der ebenso russophilen FPÖ koalierte. Von Freundschaft mit Putin kann zwar inzwischen keine Rede mehr sein, aber das Erbe der auf Russland fixiert gewesenen Energiepolitik lässt sich nicht so schnell abschütteln.