Donnerstag13. November 2025

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Wahlen / Serbiens organisierter Wählerwille
„Unendlich glücklich“: Serbiens Präsident Vucic bei der Wahlparty Foto: AFP/Elvis Barukcic

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Statt der erwarteten Einbußen Zugewinne: Nach den von Manipulationen überschatteten Parlaments- und Kommunalwahlen feiert sich Serbiens Präsident Vucic erneut als Triumphator. Doch den von seiner SNS mit Importwählern forcierten Sieg bei der Belgrader Stadtratswahl erkennt die Opposition nicht an.

Ein zufriedenes Lächeln huschte über die vollen Lippen von Serbiens Dauertriumphator. Er sei „unendlich glücklich“, bekannte der allgewaltige Präsident Aleksandar Vucic, als er bei der Wahlparty seiner nationalpopulistischen SNS in der Nacht beifallsumtost zum Rednerpult schritt: „Es gibt keinen Wahlkreis, in dem wir nicht zugelegt haben. Wir werden die absolute Mehrheit im Parlament haben. Wir sind die ersten, die Siegerliste!“

Statt der erwarteten Verluste, Zugewinne: Alles drehte sich bei Serbiens Parlaments- und Kommunalwahlen wieder einmal um den mächtigsten Mann im Staat. Dabei stand der autoritär gestrickte Staatschef trotz der nach ihm benannten Liste seiner Partei gar nicht zur Wahl.

Doch ungeachtet der hohen Inflation, endloser Korruptionsskandale und der monatelangen Protestwelle nach den blutigen Amokläufen im Mai hat der Strippenzieher seine SNS erneut zu einem klaren Sieg bei der Parlamentswahl geführt: Mit vermutlich 46,2 Prozent der Stimmen hat die SNS gegenüber der Wahl im letzten Jahr selbst um knapp vier Prozent zugelegt und ist im neuen Fünfparteienparlament nicht einmal mehr auf Koalitionspartner angewiesen.

Die Zuwächse der SNS gingen auf Kosten ihres bisherigen Partners: Die von der SNS im Wahlkampf ungekannt hart attackierten Sozialisten (SPS) von Außenminister Ivica Dacic verloren mit 6,6 Prozent fast die Hälfte ihrer Wähler. Außer der Verbannung in die Opposition droht den bisherigen Königsmachern der Abschied von den Futtertrögen in den Vorstandsetagen der Staatsbetriebe. Der konsternierte Dacic bot noch in der Wahlnacht seinen Rücktritt an.

Zweitstärkste Parlamentskraft ist mit 23,6 Prozent das proeuropäische Wahlbündnis „Serbien gegen die Gewalt“ (SPN), dem es allerdings nicht gelang, wie beabsichtigt mehr Wähler für den Urnengang zu mobilisieren: Die Wahlbeteiligung lag mit rund 59 Prozent nur wenig über der des Vorjahres.

Prorussischer Impfgegner profitiert

Von den zahlreichen rechten Oppositionsparteien, die sich nicht auf eine gemeinsame Liste einigen konnten, glückte nur der NADA (4,9 Prozent) der Sprung über die Dreiprozenthürde. Von den Stimmverlusten der gescheiterten Rechtskonkurrenz profitierte vor allem die mit 4,8 Prozent überraschend ins Parlament gelangte Liste des prorussischen Impfgegners Branimir Nestorovic.

Ihrem Wahlglück hat die SNS beim Kampf um das Belgrader Rathaus mit aus Bosnien und Kosovo angekarrten Importwählern mit fiktiven Meldeadressen allerdings kräftig nachgeholfen. Auf 40.000 beziffert die oppositionelle SPN die Zahl der in den letzten Wochen ausgestellten Personalausweise für die sogenannten Phantomwähler.

Dies waren weder freie noch faire Wahlen

Analyst Dragan Popovic

Laut der geschäftsführenden SNS-Regierungschefin Ana Brnabic hat sich die Zahl der Wahlberechtigten in Belgrad hingegen „nur“ um 12.000 erhöht: „Menschen unserer Staatsangehörigkeit und eingetragen im Wählerregister reisen organisiert an, um zu wählen – was soll daran ungesetzlich sein?“

Andere sehen das anders. Die generalstabsmäßig vorbereitete Lenkung des Wählerwillens gefährde die Legitimität des von zahllosen Unregelmäßigkeiten überschatteten Urnengangs, so der Analyst Dragan Popovic: „Dies waren weder freie noch faire Wahlen.“ Proteste gegen das von ihr nicht anerkannte Ergebnis der Kommunalwahl kündigte die Opposition an. Von einem Wahlsieg der SNS könne in Belgrad „keine Rede“ sein, so SPN-Spitzenkandidat Miroslav Aleksic.

Tatsächlich kommt die SNS trotz der Unterstützung ihrer Hilfstruppen aus den Nachbarstaaten in der Hauptstadt vorläufig nur auf 38,7 Prozent der Auszählstimmen: Selbst mit ihrem bisherigen Koalitionspartner SPS ist dies für eine Mehrheit im Stadtrat zu wenig. Umgekehrt dürfte auch den oppositionellen Partnern SPN und NADA die Wahl eines Bürgermeisters nicht glücken.

Da Politneuling Nestarovic bisher eine Kooperation sowohl mit der SNS als auch mit der SPN ausschließt, zeichnet sich eine Wiederholung der Belgrader Kommunalwahl ab. Ohne Nestarovic sei eine Mehrheit nicht möglich, räumt der geschäftsführende SNS-Bürgermeister Aleksandar Sapic offen ein: „Wenn er keine Gespräche will, werden wir nicht weinen – und in neue Wahlen ziehen.“

Pit
19. Dezember 2023 - 10.00

Orban II