In Deutschland stellt sich der Bundeskanzler vor jedem EU-Gipfel einer öffentlichen parlamentarischen Debatte im Bundestag. In Luxemburg hat der Staatschef keine vergleichbare Verpflichtung. Dennoch stand Premier Luc Frieden (CSV) den Mitgliedern der Kommission für Außen- und Europapolitik an diesem Montagmorgen immerhin eine Stunde lang Rede und Antwort. „Frieden hat meines Erachtens heute eine gute Figur gemacht“, sagt Gusty Graas (DP), Präsident der Kommission, gegenüber dem Tageblatt. Es habe sehr viele, auch kritische Fragen gegeben, die der Premier souverän beantwortet habe. Der Premier zeige eine gewisse Vorkenntnis in europäischen Angelegenheiten, auch wenn er sich in das ein oder andere Dossier wie z.B. die EU-Erweiterung noch einarbeiten müsse, so Graas. Auch Kommissionsmitglied Sam Tanson („déi gréng“) begrüßte auf Nachfrage des Tageblatts die Möglichkeit des Austausches, „sowohl als Debrief von den ersten internationalen Treffen, die Frieden letzte Woche hatte, als auch als Ausblick auf den Europäischen Rat.“ Der erste EU-Gipfel, an dem Frieden als luxemburgischer Staatschef teilnehmen wird, findet Ende der Woche, am 14. und 15. Dezember in Brüssel statt.
In der Kommissionssitzung am Montagmorgen waren es laut Graas vor allem vier große Themenfelder, die auf der Tagesordnung des Europäischen Rates stehen und zu denen Nachfragen gestellt wurden. Angefangen mit der Erweiterung der Union um die drei Länder Ukraine, Georgien und Moldawien. „Die Position Luxemburgs ist die, dass man dem Rat der Kommission folgen und Beitrittsgespräche beginnen würde“, fasst Tanson die Haltung Friedens vor dem Gipfeltreffen zusammen. Frieden hätte dennoch angemahnt, dass man gleichzeitig nicht den Eindruck vermitteln wolle, dass die Ukraine in zwei bis drei Jahren Mitglied der EU sein werde, so Graas. Beitrittsprozesse seien langwierig und es gebe einige Kriterien zu erfüllen.
Luxemburg soll seinen Beitrag leisten
Ein weiteres Thema des EU-Gipfels Ende der Woche ist eine Änderung des Finanzrahmens 2021 bis 2027. Um weitere Hilfe für die Ukraine zu finanzieren, hatte EU-Ratspräsident Charles Michel Einsparungen vorgeschlagen. Möglich sei auch eine Finanzierung über die Mitgliedstaaten. „Das brächte mit sich, dass auch der Luxemburger Beitrag erhöht werden müsse“, so Graas. Frieden habe von zusätzlichen 50 Millionen Euro gesprochen, so der Kommissionspräsident. An einer Unterstützung der Ukraine zweifelt die Regierung laut Graas und Tanson nicht – weder kurz- noch langfristig. Tanson sieht darin eine Kontinuität zur Vorgängerregierung: „Das ist die absolut richtige Haltung.“
Ein weiterer internationaler Konflikt, der die Luxemburger Parlamentarier umtreibt, ist die Situation im Nahen Osten. Die sei, so gibt Graas die Einschätzung Friedens weiter, zwar ein Punkt auf der Tagesordnung des EU-Gipfels, werde aber wahrscheinlich leider kein großes Thema sein, „weil keine Einigkeit auf europäischem Niveau herrsche.“ In der Kommission fragte Tanson nach, wie sich Luxemburg zu dem, was in Gaza passiert, positioniert. „Ich habe eigentlich die gleichen Antworten erhalten wie vergangene Woche von Außenminister Xavier Bettel: Luxemburg sei weiterhin für eine Zwei-Staaten-Lösung und unterstütze humanitäre Hilfe.“
Bereits am vergangenen Donnerstag war Frieden Gast im NATO-Hauptquartier in Brüssel gewesen, um sich mit Generalsekretär Jens Stoltenberg zu treffen. Bei den Gesprächen ging es auch um das luxemburgische Verteidigungsbudget und das Zwei-Prozent-Ziel der NATO, zu dem sich Frieden mehrfach bekannte. Auch vor der Kommission am Montag habe Frieden bestätigt, dass Luxemburg einen höheren Beitrag leisten müsse, so Graas. Tanson berichtet, Frieden plane, sich im Januar mit Außenminister Bettel und Verteidigungsministerin Backes zusammenzusetzen, um im Detail auszuarbeiten, wie der luxemburgische NATO-Beitrag erhöht werden könne. Die Idee sei, bis zum NATO-Gipfel im Juli in Washington einen Plan vorlegen zu können. Die Regierung Frieden möchte die Verteidigungsausgaben binnen fünf bis zehn Jahren auf zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens anheben. Unter der Vorgängerregierung hatte der damalige Verteidigungsminister Bausch („déi gréng“) eine Sonderregelung für Luxemburg ausgehandelt: Anders als bei anderen NATO-Staaten bemisst sich das Budget des Großherzogtums nicht am Bruttoinlandsprodukt, sondern am Bruttonationaleinkommen. Für die meisten Länder sind diese Werte beinahe austauschbar, für Luxemburg jedoch nicht – aufgrund der vielen Grenzgänger, die im Land arbeiten.
Bei dieser Erhöhung gehe es um „sehr substanzielle Summen“, sagt Sam Tanson. „Die Frage ist vor allem auch: Wie wird das Geld investiert?“ Klare Projekte zählte Frieden vor der Kommission am Montag nicht auf, so Graas. Er habe aber gesagt, es gehe ihm nicht nur um Verteidigung, sondern auch um Sicherheit. „Das könnte man so interpretieren, dass nicht prioritär neue Panzer angeschafft werden sollen, sondern man weiter auf Bereiche wie Cybersecurity oder Space setzt“, so Kommissionspräsident Graas.
Auch zum nächsten EU-Gipfel möchte Frieden den Kontakt zu den Parlamentariern suchen. Der Premier wünsche sich einen besseren Austausch mit der Kommission, sagt Graas. Eine Fragestunde ist noch keine Parlamentsdebatte, aber sie ist ein Anfang.
De Maart
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