Zumindest der gegenwärtige Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) scheint zum Empfang des kontroversen Gastes bereit. Sein Ministerium werde versuchen, die Anreise von Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow zu dem am 29. November beginnenden OSZE-Außenministertreffen in Skopje zu „ermöglichen“, so Nordmazedoniens Außenminister Bujar Osmani in einem TV-Interview in der letzten Woche: „Doch die Entscheidung liegt bei den Mitgliedstaaten.“
Darf, kann und soll er kommen? Vor Jahresfrist hatte der damalige OSZE-Vorsitzende Polen dem Kreml-Gesandten die Einreise zum Außenministertreffen in Lodz verweigert – mit dem Verweis auf die EU-Sanktionen auch gegen Lawrow persönlich. Doch vor dem nahenden OSZE-Treffen in Skopje sollen sich einige Mitgliedstaaten beim jüngsten EU-Außenministertreffen ausdrücklich für die Teilnahme des anreisewilligen Lawrow ausgesprochen haben, auch um den dünn gewordenen Dialogfaden mit Moskau nicht ganz abreißen zu lassen.
Einerseits gilt die 1995 aus der KSZE hervorgegangene OSZE mit Sitz in Wien als eine der letzten internationalen Organisationen, in dem der Westen und Russland seit Beginn des Ukrainekriegs noch eine Minimalkooperation pflegen. Andererseits hoffen die Befürworter der Anreise von Lawrow, dass dessen Anwesenheit der OSZE dabei helfen könnte, zwei ihrer drängenden Probleme zu lösen: Wegen des Moskauer Vetos gegen Estland steht der jährlich rotierende OSZE-Vorsitz für 2024 noch immer nicht fest – und konnte wegen des Prinzips der Einstimmigkeit auch das Budget für das kommende Jahr noch nicht verabschiedet werden.
Nach Polen und Nordmazedonien dürfe nicht zum dritten Mal in Folge ein NATO-Mitglied die OSZE-Geschicke führen, begründet Russland sein Veto gegen Estland, das seine Kandidatur bereits 2020 eingebracht hatte. Den OSZE-Vorsitz des NATO-Neulings Finnland für 2025 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Gründung des KSZE-Vorgängers in Helsinki hat Moskau hingegen schon längst abgesegnet – allerdings noch vor dem finnischen NATO-Beitritt.
Bisher halten die EU-Partner an dem estnischen OSZE-Vorsitz offiziell entschlossen fest. Doch Radio Free Europe berichtete in dieser Woche, dass in Brüssel hinter den Kulissen auf US-Druck bereits über Alternativen spekuliert werde – wie eine Last-minute-Übernahme des Vorsitzes durch Malta oder Österreich oder eine Verlängerung des mazedonischen Vorsitzes um ein weiteres Jahr.
Anreise stellt Probleme
Nicht nur die baltischen Staaten, sondern auch die meisten EU-Mitgliedstaaten im Osten und Südosten des Kontinents lehnen einen Kompromiss mit Moskau jedoch resolut ab – und fordern eine konsequente Fortsetzung der Politik der internationalen Isolierung Russlands. Bei einer Anreise des russischen Chefdiplomaten könnte zudem der ukrainische Außenminister dem Treffen fernbleiben: Eine Woche vor dem Gipfel in Skopje ist die Anreise von Lawrow daher noch immer ebenso ungewiss wie in der uneinigen OSZE umstritten.
Zu den politischen Hindernissen gesellen sich für die Organisatoren zudem die logistischen Herausforderungen bei einer etwaigen Anreise von Lawrow. Die EU-Sanktionen gegen Russland sehen zwar Ausnahmen für Flüge zu den Treffen von internationalen Organisationen vor. Allerdings liegt die Entscheidung bei den betroffenen Mitglieds- oder EU-Anwärterstaaten.
Normalerweise würde die Flugroute von Moskau nach Skopje über die Ukraine, Rumänien, Bulgarien oder Serbien führen. Doch weder von Kiew noch von Bukarest oder Sofia wäre derzeit grünes Luftraumlicht für ein russisches Ministerflugzeug zu erwarten. Mit einem normalen Linienflugzeug der Air Serbia könnte Lawrow allerdings bis zum Sanktionsverweigerer Serbien reisen, um von Belgrad über Land ins 430 Kilometer entfernte Skopje zu gelangen.
De Maart
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