Salla, finnischer Grenzübergang nach Russland am Dienstagmittag, 17 Grad minus: drei Dutzend Personen schieben ihre Fahrräder über die verschneite Straße Richtung finnisches Territorium, sie erwartet neben den Beamten auch ein großes Medienaufkommen. „Hybrid-Kampagne“ bezeichnen Finnlands Regierungsvertreter das organisierte russische Heranführen von Migranten an die Grenzübergänge.
Die Mitte-rechts-Koalition unter Petteri Orpo lotet derzeit die rechtliche Situation aus, alle Grenzübergänge nach Russland zu schließen. In der vergangenen Woche wurden bereits die vier häufig genutzten Übergänge im Südosten dicht gemacht. Darauf wurde auf die beiden nördlichen Übergänge Salla und Vartius ausgewichen, die einzigen, bei denen Asyl beantragt werden kann. Nach finnischen Medienberichten werden vermutlich am Mittwochabend alle Übergänge nach Russland geschlossen.
Insgesamt 700 Menschen, die meisten aus Syrien, Irak und Somalia, haben seit August die finnische Grenze mit fehlenden oder unvollständigen Papieren überquert und Asyl beantragt. Und diese müssen vorerst in Finnland bleiben, die russischen Grenzer lassen sie nicht mehr zurück. Durch die Kälte drohen den Schutzsuchenden zudem gesundheitliche Probleme, einige der Flüchtlinge hatten Erfrierungen.
Aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Finnland beschlossen, seine Bündnisfreiheit aufzugeben, und der NATO beizutreten. Zudem ist das Land dabei, ein bilaterales Verteidigungsabkommen mit den USA abzuschließen. Ende Oktober lief dazu in Helsinki die fünfte Verhandlungsrunde. Der finnische Staatspräsident Sauli Niniistö geht davon aus, dass dieses Abkommen ein Grund für den Kreml sei, Migranten an die Grenze zu schicken. Der Konservative forderte Anfang dieser Woche eine EU-weite Lösung zur unkontrollierten Einreise.
Befürchtet wird ein Szenario wie vor zwei Jahren – der russlandnahe weißrussische Präsident Aleksander Lukaschenko lockte Menschen aus Nahost und Afrika mit dem Versprechen in sein Land, in der EU einen Antrag auf Asyl stellen zu können. Die Betroffenen ließ er an die grüne Grenze nach Polen, Litauen und Lettland fahren, wo sie teils mit Gewalt zurückgeschickt wurden. Darum hat Finnland im vergangenen Jahr das Grenzschutzgesetz deutlich verschärft.
Kreml sieht feindlichen Akt
Die EU-Agentur Frontex hat Hilfestellung für Finnland sowie Estland angekündigt. An den Grenzen des baltischen Landes kam es ebenfalls zu Versuchen von Migranten aus Somalia, die Grenze zu überqueren. Auch Polen hat seine Hilfe angeboten.
Vertreter des Kremls sehen die Grenzschließung Finnlands als feindlichen Akt und streiten jede Beteiligung ab. In den Medien der Russischen Föderation wird das Nachbarland seit dem NATO-Beitritt als Feind gesehen. Auf die zunehmenden Einschränkungen für russische Staatsbürger, die Grenze zu überqueren, reagieren russische TV-Moderatoren mit Anspielungen, dass Russen dann eben den Panzer nutzen müssten. Witze, die in Finnland ungut ankommen. Schließlich versuchte während des Zweiten Weltkriegs die Rote Armee zweimal das Land zu besetzen.
Um die Kontrolle über die Grenzen nicht zu verlieren, ließ die finnische Regierung Panzersperren aus Beton sowie Stacheldraht aufstellen. Zudem wird die Frage diskutiert, ob etwa Wagner-Soldaten oder russische Spezialkräfte unter den Migranten sein könnten.
De Maart
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