Dienstag28. Oktober 2025

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RechtsstaatNach Deal mit Separatisten: Brüssel hat Zweifel am Kurs Spaniens

Rechtsstaat / Nach Deal mit Separatisten: Brüssel hat Zweifel am Kurs Spaniens
Der konservative Oppositionsführer Alberto Nunez Feijoo erhält aus Brüssel Unterstützung von seiner EVP bis hin zu ganz rechts in seiner Ablehnung, über ein Amnestiegesetz in Spanien die Chance zu einer möglichen Beilegung des Katalonien-Konflikts zu ergreifen Foto: AFP/Thomas Coex

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Hat sich Spaniens gerade wiedergewählter Regierungschef Pedro Sanchez zum Machterhalt in windige Separatistenhände begeben und den Rechtsstaat infrage gestellt? Mit diesem Verdacht befassen sich die EU-Kommission und das Europäische Parlament.

Ausgerechnet während seiner eigenen EU-Ratspräsidentschaft ist Spanien selbst in den Verdacht zweifelhafter Rechtsstaatlichkeit geraten. „Ernste Bedenken“ äußerte EU-Justizkommissar Didier Reynders und forderte das Land auf, ihm Details des geplanten Amnestiegesetzes mitzuteilen. Damit hatte sich der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sanchez die Stimmen der Separatisten gesichert, indem er ihnen für die bislang als schwere Straftaten verfolgten illegalen Aktivitäten Straffreiheit versprach. Auch das Parlament befasst sich nächsten Mittwoch mit der „Gefährdung der Rechtsstaatlichkeit in Spanien“.

Die Debatte haben Christdemokraten, Liberale und Rechtspopulisten gegen Sozialdemokraten, Grüne und Linke durchgesetzt. Die Verabredungen von Sanchez mit Separatistenführer Carles Puigdemont bezeichnete EVP-Chef Manfred Weber als „Anfang vom Ende der Rechtsstaatlichkeit und Zusammenbruch der Gewaltenteilung“. Grünen-Rechtsstaatsexperte Daniel Freund sagte dem Tageblatt zwar ebenfalls: „Natürlich muss die Unabhängigkeit der Gerichte in Spanien gewahrt bleiben, und es ist richtig, dass die EU-Kommission hier frühzeitig ein Auge drauf hat.“ Anderseits gibt es für ihn „europarechtlich grundsätzlich keine Bedenken an diesem Amnestiegesetz“. Für ihn liegt etwas anderes auf der Hand: „Die scharfen Attacken von Europas Konservativen zeigen, dass mit der Entwicklung in Spanien Europawahlkampf gemacht werden soll.“

Europäische Akteure waren beim Einfädeln des Deals, der Sanchez zur Macht verhalf, tatsächlich beteiligt. Die Chefin der Sozialdemokraten im Europa-Parlament, Iratxe Garcia, gehörte zu denjenigen, die Puigdemont in dessen Abgeordnetenbüro aufsuchten, um die Verhandlungen zur spanischen Regierungsbildung voranzubringen. Doch nicht alle gehen gelassen mit der jüngsten Entwicklung um. Selbst EU-Außenbeauftragter Josep Borrell, der seinen Job vor allem seinem Parteifreund Sanchez verdankt, meldete „Bedenken“ an. Sanchez selbst hatte unmittelbar vor den Wahlen beteuert, keinesfalls eine Amnestie auf den Weg zu bringen, um sich Stimmen von Separatisten zu sichern. Danach meinte er nur, die Umstände seien nun „so, wie sie sind“.

Amnestie ohne Überprüfung

In Spanien kann nach Umfragen allenfalls ein Drittel mit dem Deal leben. Seit Tagen gehen die Kritiker mit wachsendem Zorn auf die Straße. Auch in der Nacht zum Freitag kam es wieder zu teilweise gewaltsamen Protesten. Die spanische Richterschaft kritisiert die Vereinbarung ebenfalls massiv. Denn die Amnestie soll sofort wirken und auch nicht durch eine verfassungsrechtliche Überprüfung aufgehalten werden können. Zudem soll es im Parlament eine Untersuchung geben, ob sich Richter im Umgang mit der Amnestie politisch unter Druck setzen lassen. Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz hatten die EU-Kommission zuletzt veranlasst, EU-Mittel für Polen zurückzuhalten. Nun gilt es, den Vorwurf von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán zu entkräften, wonach Brüssel bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit „auf dem linken Auge blind“ sei.

Die kritischen Blicke aus Brüssel nach Madrid richten sich jedoch auch auf zwei weitere Aspekte der Regierungsbildung in Spanien. Da ist die Drohung der Separatisten, den Einfluss auf Sanchez zu nutzen, um ein neues Unabhängigkeitsreferendum zu starten. Das weckt Befürchtungen um einen Zerfall des Staates. Und da sind die angekündigten zahlreichen sozialpolitischen Wohltaten, die dazu führen können, dass Spanien die Verschuldungsvorgaben der EU auf lange Sicht nicht mehr einhalten kann.