Dienstag28. Oktober 2025

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GroßbritannienAbschiebungen nach Ruanda rechtswidrig: Supreme Court kippt konservative Asyl-Politik

Großbritannien / Abschiebungen nach Ruanda rechtswidrig:
Supreme Court kippt konservative Asyl-Politik
Protestler gestern vor dem Supreme Court in London  Foto: AFP/Daniel Leal

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Massive Ohrfeige für Premier Rishi Sunak: Einstimmig und ohne jede Einschränkung hat der britische Supreme Court am Mittwoch die Ruanda-Asylpolitik der konservativen Regierung für ungesetzlich erklärt.

Angesichts der Menschenrechtssituation in dem zentralafrikanischen Land könne nicht garantiert werden, dass Asylbewerber dort ein faires Verfahren erhalten würden. Vielmehr bestehe die Gefahr ihrer zwangsweisen Rückführung ins Heimatland, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben drohe, sagte Gerichtspräsident Lord Robert Reed in einer kurzen Begründung.

Dies sei „nicht der Verfahrensausgang, den wir uns gewünscht haben“, teilte Sunak mit. Immerhin habe das Gericht das Prinzip anerkannt, wonach Flüchtlinge in Drittländer geschickt werden und dort ein Asylverfahren erhalten könnten. Seine Regierung werde nun mit anderen Mitteln versuchen, die „illegale Migration“ über den Ärmelkanal zu stoppen. Dies hatte Sunak den Briten zu Jahresanfang versprochen.

Erst am Montag hatte der Regierungschef die Innenministerin Suella Braverman gefeuert, wofür sich die Galionsfigur des harten rechten Flügels tags darauf mit einer wortreichen Abrechnung rächte: Sunak sei schwach und halte seine Versprechen nicht ein. Die Downing Street reagierte mit der eisigen Mitteilung, der Premier „danke Frau Braverman für ihre Arbeit“. Der frühere Innenminister und Parteichef Michael Howard, selbst ein eingefleischter Parteirechter, beschuldigte Braverman der Meuterei: „Die Regierung ist ohne sie besser dran.“

100-prozentige Ablehnungsrate

Bravermans Vorwurf gegen Sunak bezieht sich auf den lang gehegten Wunsch der nationalistischen Rechten, dem Europarat und damit der Europäischen Menschenrechtskonvention den Rücken zu kehren. Ausdrücklich verwies Lord Reed in der Urteilsbegründung jedoch darauf, man habe sich keineswegs nur auf die Konvention, sondern auch auf eine Reihe von UN-Verträgen gestützt. Die UN-Flüchtlingskommission habe die beste Möglichkeit, das Asylsystem in Ruanda zu beurteilen, sagte der Gerichtspräsident und verwies auf die 100-prozentige Ablehnungsrate Ruandas gegen Flüchtlinge aus Konfliktzonen wie Syrien, Jemen, Afghanistan.

Reed selbst sowie der erfahrene Höchstrichter David Lloyd-Jones waren mit der Bearbeitung des Falls befasst; ihrer Bewertung stimmten die anderen drei Richter – allesamt Männer, darunter Reeds Vizepräsident – uneingeschränkt zu.

Das von Braverman verfolgte Projekt, durch ein drakonisches Gesetz abgesicherte Vorhaben sah vor, dass „illegal“ per Lastwagen oder Schlauchboot auf die Insel Gekommene zukünftig grundsätzlich ihr Asylrecht verwirkt haben. Sie sollen interniert und abgeschoben werden. Im 7.000 Kilometer entfernten Ruanda sollten die überwiegend alleinreisenden jungen Männer Aufnahme und ein Asylverfahren erhalten, die Rückkehr ins Königreich wäre in jedem Fall ausgeschlossen gewesen. London hat der wegen Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Regierung von Präsident Paul Kagame bisher bereits mindestens 140 Millionen Pfund (162,5 Millionen Euro) bezahlt.

Labour für Reform des Asylsystems

Schon wenige Minuten nach dem Urteil traf aus Kigali eine pikierte Reaktion ein. Ruanda sei von den UN für „unsere vorbildliche Behandlung von Flüchtlingen“ gelobt worden. Man nehme die international gültigen Regeln ernst.

Labour hatte den Regierungsplan von Beginn an als „unausführbar, unethisch und total überteuert“ bezeichnet. Die bezweckte Abschreckung werde nicht eintreten. Für viel wichtiger hält die Oppositionspartei eine Reform des Asylsystems: Derzeit warten 175.000 Menschen auf eine Entscheidung, Zehntausende verbringen lange Jahre in Notunterkünften, ehe sie am Ende häufig doch anerkannt werden.

Das Königreich nimmt auf offiziellem Weg Flüchtlinge aus der Ukraine, Hongkong und Afghanistan auf. Unter den „illegal“ Ankommenden waren dennoch viele Afghanen, zudem Iraner und Menschen aus Ostafrika, vor allem dem Sudan. Viele von ihnen erhalten derzeit, nach häufig jahrelanger Ungewissheit, am Ende doch politisches Asyl.

liah1elin2
15. November 2023 - 17.19

Einen Dank an die Judikative die aufzeigt, dass Gesetze auch für Regierungen gelten.