Samstag15. November 2025

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Alain spannt den BogenCatherine Kontz, Leiterin der Rainy Days 2023: „Wir wollen Räume zum Klingen bringen“

Alain spannt den Bogen / Catherine Kontz, Leiterin der Rainy Days 2023: „Wir wollen Räume zum Klingen bringen“
Catherine Kontz: „Musik hat ja durch ihr Wesen sehr viel mit Erinnerung zu tun. Durch Musik erinnern wir uns an Menschen, Situationen, Konzerte, Gefühle, Farben oder Landschaften.“

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Die Leiterin des Festivals für Neue Musik „rainy days“, Catherine Kontz, erklärt im Interview mit dem Tageblatt, was Musikliebhaber von den vier Festivaltagen erwarten können.

Tageblatt: Am 16. November beginnen die „rainy days“ 2023. Sie haben erstmals die Leitung dieses Festivals für Neue Musik übernommen und man erkennt sofort auch eine neue Handschrift.

Catherine Kontz: Ja, ich denke, es ist sehr wichtig und auch ganz normal, dass jeder Verantwortliche eines solchen Festivals seine eigenen Ideen und Konzepte miteinfließen lässt. Was ja auch das Spannende ist. Ich bin eigentlich erst recht spät dazugekommen und somit waren viele Spielstätten belegt, sodass die Veranstaltungen der „rainy days“ 2023 in der Philharmonie stattfinden. Das ist eigentlich auch ganz in meinem Sinne, denn ich will den Festivalcharakter stärker herausarbeiten.

Musik, wie übrigens jede Art von Kunst, muss nicht immer schön sein, sie darf in ihrer Hässlichkeit auch einmal mit dem Finger auf etwas zeigen. Also! Keine Angst vor neuer Musik!

Catherine Kontz, Festivalleiterin

Also eher ein Festival der Begegnungen. Insbesondere, wenn man sich vor Augen hält, dass über 30 Konzerte in knapp vier Tagen in der Philharmonie über die Bühne gehen.

Wobei wir natürlich die ganze Philharmonie auch bespielen. In jeder Ecke wird etwas los sein. Für das Publikum ist es so auch einfacher. Wir hoffen, dass ein richtiges Festival-Feeling aufkommt, dass sich die Menschen mehrere Veranstaltungen ansehen und miteinander ins Gespräch kommen. Gerade bei einem Festival für moderne Musik ist das sehr wichtig. Auch der Kontakt zu den Künstlern wird möglich sein. Wir arbeiten aber auch mit dem CNA zusammen, hier habe ich im Archiv gestöbert und alte Aufnahmen des RTL-Orchesters mit luxemburgischer Musik ausgewählt, die man sich durchgehend mithilfe von QR-Codes anhören kann. „Et wor emol“, so der Titel, passt dann auch ganz gut zu unserem diesjährigen Thema „Memory“. Ähnlich wie „Into the Analogue“ mit dem Langham Research Center, ein auf konkrete Musik spezialisiertes Ensemble, das mit alten Techniken und alten analogen Geräten Musik macht.

Können Sie etwas näher auf das Thema „Memory“, also Erinnerung, eingehen?

Wir versuchen natürlich, dieses Thema von verschiedenen Perspektiven her anzugehen. Musik hat ja durch ihr Wesen sehr viel mit Erinnerung zu tun. Sie lässt uns längst Verborgenes wiederentdecken; durch Musik erinnern wir uns an Menschen, Situationen, Konzerte, Gefühle, Farben oder Landschaften. Musik selbst wird ja auch sehr schnell zur Erinnerung. Ist ein Ton einmal verklungen, ist er weg und existiert nur noch in unserer Erinnerung. Ein Komponist wie Morton Feldmann experimentiert dann mit dem Faktor, wie wir uns erinnern. Sein „Triadic Memories“ ist eine Meditation über die Desorientierung innerhalb unseres Erinnerungsvermögens und wird von der Pianistin und Widmungsträgerin Aki Takahashi selbst gespielt.

Ein anderes Beispiel ist Alvin Luciers „Knuedler Memory Space“, eine Idee, dass Musiker Situationen darstellen, die sich eine Woche zuvor auf dem Knuedler zugetragen haben. Bei „To Hold a Memory“ lassen sich fünf Komponistinnen von Fotos aus ihrer Kindheit inspirieren. Das Ensemble Noise Watchers Unlimited erinnert dann an drei Komponisten, die das Wirken der Musiker sehr stark beeinflusst haben, wie eben Luciano Berio, Henri Dutilleux und Bernard Parmegiani. Weiter erlebt das Publikum Konzerte mit World- oder Volksmusik, die nur mündlich übertragen wurde. Und natürlich ist auch das Luxemburg Philharmonic ebenfalls mit dabei.

Es sind aber auch viele andere luxemburgische Künstler bei Rainy Days vertreten.

Natürlich. Rainy Days ist ein luxemburgisches Festival und es ist selbstverständlich, dass hier auch einheimische Musiker und Komponisten zu Wort kommen. Wie beispielsweise Ivan Boumans, dessen Werk „Turtle Song“ in Zusammenarbeit mit der Fondation EME und Menschen, die von Demenz oder Alzheimer betroffen sind, aufgeführt wird, die Ensembles Lucillin, Gëlle Fraen und Noise Watchers Unlimited, das finnisch-luxemburgische Trio WAS+ oder die Pianistin Beatrice Rauchs. Neben Boumans sind noch luxemburgische Komponisten wie Marco Pütz, Camille Kerger, Roby Steinmetzer, Nic Bohnenberger und Albena Petrovic vertreten.

Inwieweit hat sich das Konzept verändert?

Wie gesagt, alle Veranstaltungen finden in der Philharmonie statt, somit ist das Festival kompakter geworden. Auch haben wir darauf geachtet, dass die Konzerte nie länger als 60 Minuten sind, damit man sich problemlos mehre Veranstaltungen nacheinander anhören kann, ohne überfordert zu werden. „rainy days“ sieht sich als Festival für Neue Musik, in anderen Worten, das Publikum bekommt sowohl experimentelle als auch zeitgenössische Musik zu hören, obwohl man hier keinen so großen Unterschied machen soll. Es sind eigentlich nur die Stile, die sich ändern, denn sowohl in der experimentellen als auch in der zeitgenössischen Musik suchen die Künstler nach neuen Wegen.

Wir wollen Räume zum Klingen bringen und die Freude an neuen Klängen vermitteln. Ich hoffe, unser Konzept erreicht möglichst viele Menschen. Wichtig für uns war auch, Familien und Kinder zu erreichen. So gibt es bereits am 11. und 12. sowie am 18. und 19. November mit „Hören-Verklingen-Erinnern“ einen Kompositionsworkshop zu entschwundenen Klängen für Kinder und Jugendliche und am 19. November einen „rainy days family day“ sowie ein interaktives Familienkonzert „How good is your memory“ für Kinder ab sechs Jahren mit dem Ensemble Architek Percussion. Das Festival dauert vier Tage, also vom 16. bis 19. November von jeweils 11.00 bis ungefähr 22.00 Uhr. Es werden entweder Tagestickets oder Tickets für das gesamte Festival verkauft, sodass man als Zuschauer sehr frei ist und viele Möglichkeiten hat. Und alle Werke haben etwas mit dem Thema „Memory“ zu tun.

Wir haben dann auch versucht, die besten Interpreten für jedes spezifische Werk zu finden, und verzichten bewusst auf große Namen. Das Werk und die Musik stehen im Mittelpunkt. Natürlich wird man sich während des Festivals auch immer die Frage stellen, was denn Musik überhaupt ist. Heute gibt es eigentlich keine Regeln mehr, als zeitgenössischer oder moderner Komponist hat man alle Möglichkeiten des Ausdrucks und des Klanges. Man hat auch das Recht, nicht alles zu mögen. (lacht) Musik, wie übrigens jede Art von Kunst, muss nicht immer schön sein, sie darf in ihrer Hässlichkeit auch einmal mit dem Finger auf etwas zeigen. Also! Keine Angst vor neuer Musik!

Zum Festival

Das vollständige Programm und weitere Details gibt es unter www.rainydays.lu.