Samstag15. November 2025

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7.000 heimliche WerkeWie ein australischer Mathelehrer nach seinem Tod zum Kunststar wird

7.000 heimliche Werke / Wie ein australischer Mathelehrer nach seinem Tod zum Kunststar wird
Martiensens Werk inspiriert sich von den großen modernistischen Künstlern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts Fotos: Hamilton Gallery

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Als Robert Martiensen 2007 tot auf seinem Bauernhof in Südaustralien aufgefunden wurde, kam eine Sammlung von 7.000 Gemälden zum Vorschein. Diese hat der einstige Mathelehrer über Jahre heimlich gemalt. Jetzt wurden die Bilder zum ersten Mal in Australien ausgestellt – die Begeisterung ist groß.

Robert Martiensen war bisher kein Name, den man in Australien kannte. Zudem ist der Australier bereits seit 16 Jahren tot. Der frühere Mathelehrer war 2007 im Alter von 74 Jahren tot in seinem einsam gelegenen Bauernhaus in Südaustralien aufgefunden worden. Zu seinen Lebzeiten wusste niemand, dass Martiensen ein Künstler war. Der Lehrer hat nie eine Kunstschule besucht, Kameras hat er gemieden, seine Werke nie ausgestellt oder gar verkauft.

Doch in den Jahren seines Ruhestands hat der frühere Lehrer ein künstlerisches Lebenswerk geschaffen, das ihn in eine Reihe mit Künstlern wie Kandinsky, Mondrian oder Klee platziert. Mehr als 7.000 Kunstwerke sind nach seinem Tod zum Vorschein gekommen. Dafür muss er rund 20 Jahre unermüdlich gemalt haben. Jedes seiner Werke trägt einen Namen, ist datiert und nummeriert. Die ersten Bilder stammen aus den späten 1980er-Jahren, sein letztes Werk aus dem Jahr 2007 – nur wenige Tage vor seinem Tod.

„Das ist kein Mist“

Trotz der enormen kreativen Leistung wären Martiensens Werke beinahe im Müll gelandet. Dass sie es nicht taten, verdanken sie dem erfahrenen Auge der Psychotherapeutin und Kunstgutachterin Elizabeth Arthur und einem aufmerksamen Auktionator. Letzteren hatte die Familie mit dem Verkauf des Nachlasses von Martiensen beauftragt. Die Bilder hatten sie ihm gegenüber als „Müll“ bezeichnet und wollten sie entsorgen lassen. Der Auktionator war jedoch von Anfang an skeptisch und machte sich auf die Suche nach einem erfahrenen Kunstgutachter, der ihm bei der Einschätzung und Bewertung von Gemälden helfen konnte. Als er dabei auf Arthur stieß, sagte er zu ihr: „Ich glaube nicht, dass das Müll ist.“

Elizabeth Arthur war von der Geschichte von Anfang an fasziniert. Sie ließ alles stehen und liegen und machte sich von ihrer Praxis im Bundesstaat Victoria auf den Weg ins benachbarte Südaustralien, um zu sehen, was der Auktionator entdeckt hatte. Im Interview mit dem Guardian berichtete sie später, dass sie „buchstäblich nicht sprechen“ konnte, als sie das Lagerhaus mit den Kunstwerken betreten habe. Die Farbenpracht habe sie überwältigt. Die Werke seien „brillant“ gewesen und sie habe dem Auktionator gesagt: „Das ist kein Mist, das ist wirklich etwas ganz Besonderes.“

Der zurückgezogen lebende Mathematiklehrer war, ohne dass seine engsten Angehörigen es wussten, ein außergewöhnlicher Künstler. Neben den tausenden visuellen Werken, die auf alles Mögliche von Gardinen über Leinwände bis hin zu Sandpapier gemalt sind, schuf Martiensen auch Holzskulpturen. Um so viele Gemälde zu kreieren, müsse er „äußerst diszipliniert“ gewesen sein, sagte die Expertin gegenüber dem australischen Sender ABC. „Ich glaube, dass er sehr wenig geschlafen und sehr wenig gegessen hat.“

Arthur beschreibt Martiensens Werk als abstrakt und inspiriert von den großen modernistischen Künstlern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Insgesamt findet sie es aber schwer, seine Arbeit zu beschreiben, weil es in den Tausenden von Gemälden so viele verschiedene Stile gibt. Das gesamte Interessenspektrum – von sozialen Themen und Themen der Aborigines bis hin zu Kunst, Kultur und Musik – ist abgedeckt.

Außenseiter

Über die vergangenen Wochen hinweg waren nun erstmals mehr als 100 von Martiensens Werken in Australien ausgestellt. Die Ausstellung des bisher völlig unbekannten Künstlers verwandelte sich in einen unerwartet großen Erfolg. Tausende Besucher strömten in die Hamilton Gallery in Victoria, die die Werke ausstellte, vor allem junge Menschen zeigten sich besonders interessiert. Laut Galeriedirektor Joshua White, könnte dies daran liegen, dass Martiensen ein Außenseiterkünstler war, der an keine Regeln gebunden war. Das sei für die Jugend zugänglich und eine wirklich interessante Geschichte, so White.

Auch wenn die Geschichte in mancher Hinsicht „traurig“ sei, so sei sie in anderer Hinsicht „sehr ermutigend“. Martiensen sei jemand gewesen, der rein für sich Kunst schaffen wollte und sich nicht von einer Kunstschule, dem Kunstmarkt oder kommerziellen Galerien beeinflussen ließ. Vielmehr sei er auf der Suche nach seiner eigenen Reise und seinem eigenen Kunstwerk gewesen. „Menschen suchen Bestätigung in ihrer Kreativität, in ihrem Job oder in Beziehungen“, sagte White. Martiensen dagegen habe lediglich die Mission gehabt, etwas für sich selbst zu erschaffen.

Tausende Besucher strömten in die Hamilton Gallery in Victoria
Tausende Besucher strömten in die Hamilton Gallery in Victoria