Bayern ist mit jeder Faser Freistaat. Nicht nur sprachlich und kulturell, vor allem auch politisch hebt sich das flächenmäßig größte Bundesland gerne vom Rest der Republik ab. Am kommenden Sonntag wird in Bayern – wie in Hessen – ein neuer Landtag gewählt. Vor dem 8. Oktober lohnt sich ein Blick auf bayerische Besonderheiten, die die Landtagswahl mehr oder weniger prägen dürften.
Flugblatt-Affäre
Mit der Affäre um Freie-Wähler-Chef und Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger schaffte es Bayern in die Schlagzeilen – zum Leidwesen der CSU. Mitte August wurde über das Flugblatt mit übelstem rechtsextremem Inhalt berichtet, das Aiwanger als Schüler verfasst haben soll. Aiwanger wies die Vorwürfe von sich, stellte sich als Opfer einer „Schmutzkampagne“ dar und seine Darstellung verfing bei einem Teil der Wählerschaft. Für die Freien Wähler ging es in den darauffolgenden Wochen in den Umfragen stetig bergauf. Die CSU verlor dagegen an Prozentpunkten. Bei den Christsozialen beobachtet man zähneknirschend, dass Bayerns Ansehen durch die Affäre in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ob sich der Aiwanger-Effekt an der Wahlurne niederschlägt, gilt als ungewiss. Bei der Briefwahl könnten die Freien Wähler noch deutlicher von der Affäre profitieren, da die ersten Wahlunterlagen ab Ende August verschickt wurden. Bereits jetzt zeichnet sich ein Boom ab: Bis 27. September wurden für rund 3,5 Millionen Stimmberechtigte Briefwahlunterlagen ausgestellt. Das sind fast 38 Prozent der insgesamt 9,4 Millionen Stimmberechtigten in Bayern. Zum Vergleich: Bei der Bayernwahl 2018 wählten nur 29,5 Prozent der Stimmberechtigten per Brief.
Anti-Ampel-Wahlkampf der CSU
Von Beginn dieses Wahlkampfes an hat die CSU Bayern als „Gegenmodell“ zur Ampel-Regierung in Berlin dargestellt. Man spüre, dass es Krisen gebe, sagte Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder am Dienstag in einem TV-Duell mit Grünen-Herausforderer Ludwig Hartmann. Und weiter: „In Bayern wird man die Krisen besser überstehen als woanders.“ Bei der Energieversorgung wirft die CSU der Bundesregierung vor, nicht weiter auf die Kernenergie zu setzen. In der Migrationsdebatte fordert sie weniger Sozialleistungen für Geflüchtete und lobt das Modell der bayerischen Grenzpolizei. Im Kampf gegen die Inflation wirft sie dem Bund Tatenlosigkeit vor und fordert die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf sämtliche Grundnahrungsmittel. Und beim Kampf gegen die Klimakrise ist die CSU von ihrer einstigen Annäherung an grüne Politik abgerückt und rühmt sich für Erreichtes beim Ausbau erneuerbarer Energien.
Grünen-Ablehnung
Anders als CDU-Chef Friedrich Merz bezeichnet Markus Söder die Grünen zwar nicht als „Hauptgegner“. Dennoch lässt der CSU-Chef keinen Zweifel daran, die Grünen kleinkriegen zu wollen. Schwarz-Grün lehnte Söder von Beginn dieses Wahlkampfes an ab und legte sich auf eine Neuauflage der Koalition mit den Freien Wählern fest. Die Grünen hätten in Berlin „nicht den Nachweis einer Regierungsfähigkeit“ erbracht, sagte Söder am Dienstag. Die Stimmung an den grünen Wahlkampfständen soll vielerorts jedenfalls schlecht sein, was dem Vernehmen nach auch in der Bundestagsfraktion thematisiert wurde. Die Ablehnung gipfelte kürzlich in einem Steinwurf auf das bayerische Spitzenduo Ludwig Hartmann und Katharina Schulze bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm. Dass sich der Bundestrend negativ für die Grünen auswirkt, lässt sich an den Umfragen jedoch nicht ablesen. Sie kämpfen nach aktuellem Stand mit Freien Wählern und AfD um Platz zwei hinter der CSU. Dabei hat die bayerische AfD, die seit Sommer 2022 vom Verfassungsschutz beobachtet wird, im Vergleich zur Wahl 2018 den meisten Aufwind erfahren.
Kanzler-Unterstützung
Apropos Bundestrend. Die SPD versucht in Bayern davon zu profitieren, dass sie im Bund den Kanzler stellt. So bekam der bundesweit kaum bekannte Spitzenkandidat Florian von Brunn Unterstützung von Olaf Scholz höchstpersönlich. Beim gemeinsamen Auftritt in Nürnberg Ende September grasten sie die gesamte Themenpalette von bezahlbaren Wohnungen über Bildungsinvestitionen bis hin zum Ausbau der erneuerbaren Energien ab. Im Freistaat scheint der Kanzler aber kein Zugpferd zu sein: Die SPD kommt in Umfragen bisher kaum über neun Prozent hinaus.
Seehofer-Tochter
Ob Susanne Seehofer, Tochter des früheren Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer, für die FDP ein Zugpferd ist, darf ebenso bezweifelt werden. Die bayerischen Liberalen liegen derzeit bei niedrig einstelligen Werten und müssen um den Einzug in den Landtag bangen. Dennoch, Susanne Seehofer will für die FDP ins Parlament. Sie spricht klar aus, warum sie nicht in die Fußstapfen ihres Vaters tritt: Die CSU sei ihr „zu rückwärtsgewandt“. Übrigens, auch der Fraktionschef der Freien Wähler, Florian Streibl, hat einen familiären CSU-Hintergrund. Er ist der Sohn des früheren CSU-Ministerpräsidenten Max Streibl, der von 1988 bis 1993 regierte. Dass die CSU auch nach dem 8. Oktober den Ministerpräsidenten stellen wird, darf angenommen werden.
De Maart
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