Langsam aber sicher gehen Wikileaks-Gründer Julian Assange die juristischen Möglichkeiten aus, die drohende Abschiebung in die USA doch noch zu stoppen. Im Juni wies ein britischer Richter sämtliche acht Gründe für Assanges Berufung gegen den Auslieferungsbefehl ab. Diesen hatte die frühere britische Innenministerin Priti Patel bereits 2022 unterzeichnet.
In der kommenden Woche will eine Delegation von australischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern nun einen dringenden Rettungsversuch für den australischen Staatsbürger starten. Die Politiker reisen nach Washington, um Lobbyarbeit bei US-Kongressmitgliedern zu betreiben und beim US-Außenministerium und Justizministerium vorzusprechen. Zudem will die Gruppe mit Nichtregierungsorganisationen sprechen, darunter die American Civil Liberties Union, die Foundation for Individual Rights and Expression sowie das Committee to Protect Journalists and Reporters Without Borders.
Die Gruppe deckt dabei das gesamte politische Spektrum ab: Es reisen sowohl Politiker aus dem liberal-konservativen und konservativen Umfeld als auch ein Sozialdemokrat, eine unabhängige Parlamentarierin und zwei Vertreter der Grünen in die USA. Die Reise wird privat von der Assange-Kampagne mit Hilfe von mehr als 800 Spendern finanziert. Neben der Delegation haben sich auch über 60 australische Politikerinnen und Politiker in einem Brief, der dem Guardian vorliegt, hinter Assange gestellt. Sie forden die Einstellung der Strafverfolgung gegen den Australier und warnen vor „einem heftigen und anhaltenden Aufschrei in Australien“, sollte der Wikileaks-Gründer ausgeliefert werden.
US-amerikanische Kriegsverbrechen aufgedeckt
In den USA wird Assange Spionage vorgeworfen, nachdem er mit der Enthüllungsplattform Wikileaks mutmaßliche Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte öffentlich gemacht hatte. 2010 publizierte er tausende geheime Dokumente über amerikanische Aktivitäten im Irak und in Afghanistan, die ihm vom damaligen Geheimdienstoffizier Bradley (heute Chelsea) Manning zugespielt worden waren. Manning kam dafür ins Gefängnis, doch ein Großteil der Strafe wurde der ehemaligen Soldatin vom einstigen US-Präsidenten Barack Obama erlassen. Doch die USA wollen auch Assange noch vor ein US-Gericht stellen. Die maximale Gefängnisstrafe für seine vermeintlichen Vergehen beträgt 175 Jahre. „Als seine Frau befürchte ich, dass er bis zu seinem Tod in der tiefsten, dunkelsten Ecke des US-Gefängnissystems begraben wird“, schrieb seine Partnerin Stella Moris einst in einem Beitrag für den australischen Sender ABC.
Jahrelang suchte Assange aus Angst vor einer Auslieferung an die USA Zuflucht in der Botschaft Ecuadors in London. Als er diese verlassen musste, wurde er von der Londoner Polizei festgenommen. Inzwischen sitzt der Australier seit Jahren in einem britischen Gefängnis und kämpft sich durch das Gerichtssystem, um seine Auslieferung an die USA zu stoppen. Diese will auch die australische Regierung verhindern. Australiens Premierminister Anthony Albanese sagte in der Vergangenheit, die Angelegenheit ziehe sich bereits zu lange hin.
Guter Rapport mit Washington
Aussagen wie diese geben Hoffnung für den Fall Assange – vor allem da es Albanese innerhalb kürzester Zeit im Amt gelungen ist, einen engen Kontakt zu US-Präsident Joe Biden aufzubauen. Der australische Premierminister hatte vier formelle Treffen mit ihm, zwei Treffen im Rahmen der Quad-Gruppierung, an der neben den USA und Australien auch Indien und Japan beteiligt sind, sowie mehrere weniger formelle Gespräche. Am vergangenen Wochenende trafen die beiden Politiker erst beim G20-Gipfel in Indien wieder aufeinander und für Oktober plant Albanese einen Staatsbesuch in Washington.
Allerdings sind – trotz dieser engen, freundschaftlichen Beziehungen der beiden Länder – alle bisherigen Bemühungen Australiens, den Auslieferungsbefehl für den australischen Staatsbürger Assange fallen zu lassen, bei den Amerikanern auf taube Ohren gestoßen. Ein weiteres schlechtes Zeichen war Anfang des Jahres, als US-Außenminister Antony Blinken auf einer Pressekonferenz mit der australischen Außenministerin Penny Wong in Australien sagte, er habe zwar Verständnis für die australischen Bemühungen, doch es sei wichtig, „dass unsere Freunde hier unsere Bedenken in dieser Angelegenheit verstehen“. Assanges Taten hätten die US-amerikanische nationale Sicherheit gefährdet und die namentlich genannten Personen einer großen Gefahr ausgesetzt.
Spielball der amerikanischen Politik
Laut Greg Barns, Berater der Assange-Kampagne, handelt es sich beim Fall Assange allerdings um „keinen gewöhnlichen Auslieferungsfall“. Meinungsfreiheit sei ein „ein wichtiges Thema in den USA“, erklärte Barns vor kurzem gegenüber der lokalen australischen Ausgabe des Guardian. Der Fall Assange ermögliche es Ländern wie China, ihn „als eine Art moralisches Äquivalenzargument“ zu nutzen. So hat der Sprecher des chinesischen Außenministeriums das Thema seit Anfang letzten Jahres bereits mehrmals auf seiner täglichen Pressekonferenz in Peking erörtert und unter anderem gesagt, dass Assange „nicht vor Gericht stehen sollte, weil er den Menschen die Wahrheit gesagt hat“. Die Forderung nach einer Auslieferung spiegele „die Heuchelei der USA und des Vereinigten Königreichs in Bezug auf die ‚Pressefreiheit‘“ wider. Laut Barns spielt der Fall den Chinesen direkt in die Hände – vor allem da „die USA gerne auf der ganzen Welt demokratische Standards und Menschenrechtsstandards“ predigen würden.
So wird eines der Hauptargumente der australischen Delegation denn auch sein, dass die Strafverfolgung eines australischen Staatsbürgers in den USA ein „sehr gefährlicher“ Präzedenzfall sei, der von China, aber auch von Russland ausgenutzt werde. Die australische Politikexpertin Michelle Grattan von der University of Canberra glaubt trotz dieser Argumentation nicht an einen Erfolg der Delegation, wie sie in einem öffentlich zugängigen Meinungstext schrieb. „Die Affäre Assange ist mehr als Logik oder Gerechtigkeit, sie ist zu einer Frage kruder amerikanischer Politik geworden.“ Da im nächsten Jahr die Präsidentschaftswahlen in den USA anstehen würden und die Demokraten dabei „vor einer gewaltigen Herausforderung“ stünden, würde Biden sicher nichts tun wollen, um seine Basis zu provozieren.
		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
175 Jahre Gefängnis als Strafe für die Veröffentlichung von "geheimen" Dokumenten, die vor allem bezeugen, wie sch***egal der Weltmacht USA die Menschenrechte sind und wie auch von den sogenannten "Guten" Kriegsverbrechen verübt werden! Wie kann es sein, dass lupenreine Demokraten, wie wir Europäer uns doch selbst immer darstellen, es zulassen, dass jemand an einen Staat wie die USA ausgeliefert werden soll, wo es nur um Rache und Vergeltung an einer Einzelperson und Einschüchterung von potentiellen Whistleblower geht? Die Menschenrechte werden nicht ausschliesslich von dem Diktator in Moskau verletzt!