Montag10. November 2025

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InterviewKap Verdes Präsident José Maria Neves sieht vorbildliches Regieren als Standortvorteil

Interview / Kap Verdes Präsident José Maria Neves sieht vorbildliches Regieren als Standortvorteil
Zu Gast in Luxemburg: Der kapverdische Staatspräsident José Maria Neves (Mitte) und seine Frau Débora Katisa Carvalho am Dienstag im Gespräch mit Premierminister Xavier Bettel  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Am ersten Tag seines dreitägigen Staatsbesuchs gibt das kapverdische Staatsoberhaupt Aufschluss über das kleine Wirtschaftswunder im Inselstaat, der unter anderem auf erneuerbare Energien und Tourismus setzt. Um Letzteres langfristig zu sichern, bedarf es jedoch einiger Anstrengungen, nicht zuletzt einer weiteren ökonomischen Diversifizierung.

Tageblatt: Kap Verde wurde in den vergangenen Jahren schon mehrmals als demokratischer Musterstaat bezeichnet. Was ist das Erfolgsrezept?

Es ist zum einen viel Arbeit, die gezielt ausgerichtet ist. Es bedarf zudem eines festen politischen Willens. Kap Verde war einst ein sehr armes Land mit wenigen natürlichen Ressourcen. Unser Rohstoff ist mittlerweile die „good governance“. Einerseits ist die Regierung und sind alle politischen Entscheidungsträger sehr darauf bedacht, die Probleme der Bevölkerung zu lösen. Zum anderen funktionieren unsere politischen und wirtschaftlichen Institutionen. Ein wichtiges Element ist, dass sie die Zivilgesellschaft mit einbeziehen. Darüber hinaus gibt es die Vision eines modernen Staates, der sowohl wettbewerbsfähig ist als auch jedem Bürger die gleichen Rechte und Chancen einräumt. Die Pfeiler unserer „good governance“ bilden der Respekt der Menschenrechte, die Garantie der grundlegenden demokratischen Freiheiten und der Respekt der internationalen Rechte. Außerdem will Kap Verde im internationalen Kontext eine nützliche Rolle spielen.

Wie sehen Sie die kapverdische Rolle innerhalb der afrikanischen Staatengemeinschaft?

Unser Land hat eine wichtige Funktion im internationalen Zusammenhang und kann Vorbild für andere afrikanische Länder sein. Dafür müssen wir weiter unsere Arbeit machen und eine nachhaltige „good governance“ praktizieren, um zu zeigen, dass dies auch in Afrika möglich ist. Wir müssen ein positives Bild von Afrika entwickeln und zeigen, dass eine gelingende Entwicklung in Afrika möglich ist, indem wir die „good practice“ mit anderen afrikanischen Staaten teilen. Und wir müssen dafür alle Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, mobilisieren.

Trotz eines relativ hohen Wirtschaftswachstums gibt es noch viele Probleme in Kap Verde. Die Wirtschaft des Inselstaates ist nach wie vor sehr anfällig. Wie wollen Sie diesen Herausforderungen begegnen?

Zur Person: José Maria Neves

Der kapverdische Staatspräsident ist seit 2021 im Amt. Er wurde 1960 in Santa Catarina auf der Hauptinsel Santiago geboren. Neves studierte in Brasilien Verwaltungswesen am renommierten Institut Fundação Getúlio Vargas in São Paulo. Nach seiner Rückkehr in die Inselrepublik war er im Verwaltungsdienst tätig. Schon seit Ende der 80er Jahre war er für die Jugendorganisation der damaligen Einheitspartei Partido Africano da Independência de Cabo Verde (PAICV) aktiv. Im März 2000 wurde er Bürgermeister seiner Heimatstadt, im selben Jahr Parteivorsitzender. Die heute sozialdemokratische Partei gewann am 14. Januar 2001 die Parlamentswahlen, Neves wurde Premierminister, 2006 und 2011 wiedergewählt. 2012 wurde er für die Unterstützung deutscher Meeresforscher mit dem Deutschen Meerespreis ausgezeichnet. Im Oktober 2021 gewann Neves die Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang mit 51,8 Prozent der Stimmen. Neves ist zudem als Dichter bekannt, zuletzt mit dem Buch „Nos tempos de pandemia“ (2021) und „Alma“, einem Album seiner Gedichte, vertont von kapverdischen Künstlern.

Inzwischen ist Kap Verde ein Land mit mittlerem Einkommen. Trotzdem sind wir noch sehr vulnerabel. Umso wichtiger ist es, unsere Wirtschaft zu diversifizieren. Momentan setzen wir vor allem auf den Tourismus. Aber wir müssen weitere wirtschaftliche Standbeine finden. Deshalb gilt es, unsere Wettbewerbsvorteile zu nutzen. Zu nennen sei hierbei die „blue economy“, die die Ökosysteme der Erde schützt und gleichzeitig Arbeitsplätze schafft. Der Name unseres Landes, Kap Verde, ist ein Paradox. In der „blauen Ökonomie“ steckt ein enormes Potenzial. Schließlich bestehen 99 Prozent von Kap Verde aus Meer. Wir haben einen hohen Anteil erneuerbarer Energien. Kap Verde soll ein internationales Zentrum von Investitionen und Ausbildungen im Bereich der erneuerbaren Energie werden. Dabei spreche ich nicht nur von Sonnen- und Windenergie, sondern auch vom grünen Wasserstoff. Es ist möglich, diesen hier zu produzieren und ihn auch zu exportieren. Ebenso sei der Sektor der digitalen Transition erwähnt. Auch darin können wir sehr innovativ sein. Zusammen mit dem Tourismus bilden sie den Motor für die Transformation unserer Wirtschaft. Nicht zu vergessen ist, dass Kap Verde ein Zentrum der internationalen Dienstleistungen in den Bereichen des Transports, der erneuerbaren Energien und der Finanzwelt werden kann.

Kap Verde hat jedoch auch die Folgen des Klimawandels zu spüren bekommen, etwa den großen Wassermangel. Wie gehen Sie damit um?

Dafür haben wir inzwischen verschiedene Strategien entwickelt, etwa mit dem Bau von Staudämmen, mit der unterirdischen Wassererkundung und Wasserentsalzungsanlagen. Zurzeit sind wir an einem Projekt dran, um Meerwasser zur Bewässerung zu verwenden. Das ist ein ganzer Mix.

Was bedeuten für Sie die Beziehungen zu Luxemburg?

Für uns ist es eine Strategie. Es ist schwierig, ein Wort zu finden, um diese Beziehungen einzuordnen. Unser Verhältnis ist exzellent. Luxemburg ist der erste Partner von Kap Verde. Es unterstützt uns in den verschiedenen strategischen Domänen wie Bildung, Berufsausbildung, Innovation, erneuerbare Energie, Klimaschutz, Mikrofinanz und Hygiene, die für die Entwicklung unserer Wirtschaft wesentlichen Bereiche. Im Rahmen der multilateralen Partnerschaft mit der Europäischen Union spielt Luxemburg ebenso eine wichtige Rolle. Darüber hinaus hat es eine nicht unbedeutende kapverdische Gemeinschaft.

Die Kapverdier und Menschen kapverdischer Herkunft hierzulande sind überdurchschnittlich von Benachteiligung betroffen. Das gilt besonders für die Bereiche Schule, Wohnungsmarkt und Arbeitsmarkt. Was kann gegen diese Benachteiligung getan werden?

Wir arbeiten mit der luxemburgischen Regierung zusammen, um eine bessere Integration zu garantieren. Das gilt für die schwierige Frage der Bildung und Ausbildung, aber auch für die anderen Bereiche, die sie genannt haben. Die luxemburgische Regierung ist sehr offen dafür.

Was erwarten Sie konkret von der aktuellen Staatsvisite?

Die Visite dient besonders der Verstärkung der Beziehungen. Diese sind bereits exzellent, aber sie sollen in verschiedenen Bereichen weiter vertieft werden, besonders in den Bereichen der „blue economy“, der erneuerbaren Energien und der digitalen Transformation sowie auf wissenschaftlicher Ebene, was die Zusammenarbeit der Universitäten angeht. Aber natürlich auch, um die Investitionen luxemburgischer Unternehmen in Kap Verde zu verstärken sowie den Lufttransport, um die Mobilität der Personen zwischen den beiden Ländern zu verbessern.