Montag10. November 2025

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InterviewJacques Villeneuve: „Das Risiko gehört im Motorsport dazu“

Interview / Jacques Villeneuve: „Das Risiko gehört im Motorsport dazu“
Jacques Villeneuve kehrte 2023 Vollzeit in die WEC mit dem Floyd-Vanwall-Team von Colin Kolle zurück Foto: Marie-Jo Nickels

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Der Name Villeneuve hat vor allem für eingefleischte Motorsportfans Legendenstatus. Was Vater Gilles wegen seines frühen Rennfahrertodes bei Ferrari verwehrt blieb, erreichte Sohn Jacques 1997: Er wurde mit Williams Formel-1-Weltmeister. Auch heute ist der mittlerweile 52-Jährige noch im Rennsport aktiv und bestreitet die Langstrecken-WM WEC. Das Tageblatt hat anlässlich der sechs Stunden von Spa-Francorchamps mit ihm gesprochen.

Tageblatt: Sie sind nun schon so lange im internationalen Motorsport erfolgreich dabei. Was können Sie uns zu Ihrer Karriere sagen?

Jacques Villeneuve: Nun ja, ich bin Rennfahrer und mein ganzes Leben hat sich um das Rennfahren gedreht. Das Ziel eines jeden Rennfahrers ist es, erfolgreich zu sein. Ich schätze mich glücklich, das Indy 500 (sowie das CART-Championat, Anm. d. Red.) gewonnen zu haben, 1997 Formel-1-Weltmeister geworden zu sein und noch viele andere Rennen gefahren und gewonnen zu haben. All diese Rennen sind große und bekannte Events, wo viele Menschen auf dich schauen und dadurch ein großer Druck auf dir lastet. Dort erfolgreich zu sein, tut gut.

Was haben Sie genau in den letzten Jahren gemacht, nach Ihren regelmäßigen Einsätzen in der Formel 1 und in der Langstrecken-Weltmeisterschaft? Sind Sie, neben Ihrer Tätigkeit als Formel-1-Kommentator, noch Rennen gefahren?

Ich habe nie mit dem Motorsport aufgehört. Neben meiner Arbeit als F1-Kommentator habe ich zum Beispiel letztes Jahr am Daytona 500 teilgenommen und war auch bei einigen Rennen der europäischen Nascar Whelen Euro Series am Start. Mein Ziel war es aber, wieder einmal alle Läufe einer Serie zu bestreiten, nicht nur einige einzelne Rennen. Heutzutage aber ist es schwer, Fuß zu fassen in einer Serie. Bis letztes Jahr gab es z.B. in der WEC mit Toyota nur einen Hersteller in der LMP1-Kategorie. Wenn du dort keinen Kontakt hast, dann wird es schwer, ein Cockpit zu bekommen. Dieses Jahr, durch das neue Reglement, haben wir sehr viele neue Hersteller in der WEC und somit konnte ich ein Cockpit beim Team von Colin Kolles bekommen.

Wie kam es denn dazu, dass Sie heute beim Vanwall-Team Kolles fahren?

Oh, das war durch Zufall. Ich war mit einem Freund, der das Team gut kennt, einen Kaffee trinken und er meinte: „Oh, Colin Kolles wird dieses Jahr mit einem Hypercar in Le Mans und in der WEC an den Start gehen.“ Ich meinte, dies sei interessant, und so kam es, dass er das Team, das gerade in Barcelona am Testen war, sofort anrief. Einen Tag später saß ich im Flugzeug nach Barcelona. Dort bin ich dann meine ersten 20 Runden mit dem Auto gefahren und jetzt bin ich hier als einer der drei Kolles-Piloten zusammen mit Tom Dillmann und Esteban Guerrieri.

Jacques Villeneuve (r.) im Gespräch mit Tageblatt-Korrespondent Norbert Nickels
Jacques Villeneuve (r.) im Gespräch mit Tageblatt-Korrespondent Norbert Nickels Foto: Marie-Jo Nickels

Sehen Sie das Vanwall-Hypercar-Projekt für sich selbst als eine Tätigkeit für diese Saison oder planen Sie eher längerfristig?

Es ist nicht mein Ziel, Ende der Saison meine Rennfahrerkarriere an den Nagel zu hängen. Ob und wie es mit der Zusammenarbeit mit dem Team Kolles weitergehen wird, hängt davon ab, wie diese Saison verläuft. Ob wir gut zusammenarbeiten, ob wir gute Resultate einfahren usw. Das kann ich jetzt aber noch nicht sagen.

Ist die WEC in Ihrer heutigen Form eine Serie, die Ihnen gefällt?

Dieses Jahr ist die WEC zu einer sehr großen Meisterschaft herangewachsen. Und sie wächst weiter, denn nächstes Jahr kommen noch BMW und Lamborghini dazu. Außerdem gehören die 24 Stunden von Le Mans zu dieser Meisterschaft und die gilt es zu gewinnen.

Sie leiten schon zur nächsten Frage über. Sie haben mit Peugeot den Le-Mans-Sieg knapp verpasst. Wollen Sie unbedingt die „Triple Crown“ (Formel 1, Indy 500 und Le Mans) einfahren?

Ja, natürlich ist das mein Ziel. Es gibt nur wenige große Rennen, die ich noch nicht gewonnen habe, die 24 Stunden von Le Mans zählen dazu. 2008 konnten wir die 24 Stunden mit Peugeot eigentlich nur gewinnen und wir haben es fertiggebracht, sie doch zu verlieren; damals wurden wir Zweiter.

Was können Sie uns zum Team Kolles sagen?

Es ist ein sehr kleines Team und unser Problem ist, dass wir nicht ausgiebig testen können. Somit ist es schwer, das Auto weiterzuentwickeln und immer mit Updates zu den Rennen zu kommen. Nach Spa haben wir aber die Möglichkeit, drei Tage in Monza zu testen, um das Auto voranzubringen.

Wussten Sie eigentlich, dass das Team Kolles eine winzige Zweigstelle in Luxemburg hat, von wo aus Teamchef Boris Bermes agiert?

Ach so? Nein, das wusste ich nicht.

Bei den letzten beiden Rennen in Portimão und Spa hatten Sie jeweils einen Unfall. Sind Sie immer noch bereit, sich mit 52 Jahren bewusst einem Verletzungsrisiko auszusetzen?

Ja, natürlich gibt es im Motorsport immer ein Verletzungsrisiko. In Portimão war das Problem, dass die Kühlluftzufuhr zur Bremse nicht gereinigt wurde und die Bremsscheibe dadurch überhitzte und schlussendlich explodierte. Natürlich war dies ein Vorfall, der nicht vorkommen darf. Das Risiko gehört im Motorsport aber einfach dazu. Was das Ganze reizvoll macht, ist die Tatsache, das Limit herauszukitzeln, mit dem Wissen, dass es ein Risiko gibt. Wenn dies nicht wäre, käme das Rennfahren ja einem Videospiel gleich.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihren jüngeren Teamkollegen Tom Dillmann und Esteban Guerrieri?

Tom und Esteban sind junge, aber erfahrene Kollegen. Unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, da wir uns gegenseitig mit Respekt behandeln. Das Testen außerhalb der Rennwochenenden ist deshalb so wichtig, damit du dich mit deinen zwei Teamkollegen optimal abstimmen kannst. Mit 40 Minuten Fahrzeit am Freitagstraining eines Rennwochenendes entwickelst du kein Auto weiter.

Mussten Sie eigentlich Ihren Lebensstil ändern, um wieder „voll renntauglich“ zu werden?

Ich habe meine Trainingseinheiten, die ich zu Formel-1-Zeiten machte, wieder aufgenommen und ich trainiere wieder mit meinem damaligen Physiotherapeuten. Die Hitze im geschlossenen Auto macht mir keine Probleme. Wenn du einmal die 500 Meilen von Indianapolis gefahren bist, dann stören dich die hohen Temperaturen im Cockpit eines Prototypen nicht – schlimmer als Indy geht nimmer.

Zur Person

Bevor Jacques Villeneuve der Formel 1 seinen Stempel aufdrückte, beeindruckte er schon in der amerikanischen IndyCar-Serie, damals noch als CART bekannt. In den USA gewann er nicht nur die ruhmreichen 500 Meilen von Indianapolis, sondern krönte sich auch zum CART-Champion 1995. Nach seinen erfolgreichen Jahren inklusive dem WM-Titel bei Williams in der Formel 1 wechselte er zum damals neuen BAR-Team, das sein damaliger Manager Craig Pollock ins Leben gerufen hatte. Mit dem wenig erfolgreichen Auto sollte dies sich als der Anfang vom Ende von Villeneuves Formel-1-Karriere entpuppen.

Auch später mit Sauber, Renault und BMW blieben Erfolge aus. Der nächste bedeutende Schritt in Villeneuves Karriere war der werksseitige Einstieg mit Peugeot in der Langstrecken-Weltmeisterschaft ab 2007. Mit den Franzosen wollte er den ihm noch fehlenden Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans erringen. Es reichte allerdings nur zu Platz zwei im Jahr 2008, als er sich mit seinen Teamkollegen Marc Gené und Nicolas Minassian dem Audi RS10 TDI von Tom Kristensen/Alan McNish/Dindo Capello geschlagen geben musste.

Bis heute hat der mittlerweile 52-jährige Kanadier den Rennsport nie völlig aufgegeben. Er hat inzwischen wohl fast alle Rennserien bestritten, von der Formel E bis zu den Stock Cars, und dies sowohl in Amerika als auch in Europa. Mittlerweile startet er wieder Vollzeit in der WEC.