Es ist ein ganz besonderer Staatsgast, der am Sonntag im deutschen Kanzleramt in Berlin empfangen wird – einer, dessen Land sich im Krieg befindet. Dementsprechend ist der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Berlin ein Großereignis der höchste Sicherheitsstufe mit umfangreichen Verkehrssperrungen. Auch das Befahren der Spree ist in Teilen nicht möglich. Auf dem Dach des Kanzleramts sind Scharfschützen positioniert.
Schon die Anreise des Präsidenten, die bis zuletzt geheim gehalten worden war, würde sich in Friedenszeiten wie ein schlechter Agentenfilm anhören. In Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist es bitterer Ernst, denn der ukrainische Präsident ist derzeit die meist gefährdete Person Europas, wenn nicht der Welt.
Ein Airbus A319 der Flugbereitschaft der Luftwaffe hatte Selenskyj am Samstagabend in Rom abgeholt, zwei Eurofighter waren vom Fliegerhorst Lechfeld in Bayern gestartet und hatten den Airbus in den deutschen Luftraum geleitet. „Bereits in Berlin“, twittert Selenskyj kurz nach seiner Ankunft. „Waffen. Starkes Paket. Luftverteidigung, Wiederaufbau. EU. Nato. Sicherheit.“
Die Früchte des Besuches hatte er nämlich schon vorher ernten können. Vorbereitet wurde der Besuch in Deutschland mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine im Wert von zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden.
Erste Station am Sonntagmorgen ist das Schloss Bellevue, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier begrüßt den Gast aus Kiew. Das Verhältnis der beiden Staatsoberhäupter ist nicht unbelastet, ein Besuch von Steinmeier in der Ukraine hatte erst Ende Oktober im dritten Anlauf geklappt. Im April 2022 hatte Steinmeier eine gemeinsame Reise mit den Staatspräsidenten aus Polen, Lettland, Litauen und Estland in letzter Minute absagen müssen. Kiew hatte Steinmeier damals signalisiert, dass er nicht willkommen sei. Dem früheren SPD-Außenminister Steinmeier wurde seine frühere russlandfreundliche Politik angekreidet
Rom, Berlin, Paris
„In der schwierigsten Zeit in der modernen Geschichte der Ukraine hat sich Deutschland als unser wahrer Freund und verlässlicher Verbündeter erwiesen, der im Kampf für die Verteidigung von Freiheit und demokratischen Werten entschieden an der Seite des ukrainischen Volkes steht“, schreibt Selensky jedoch jetzt auf Englisch ins Gästebuch.
Später am Vormittag fährt Selenskyj am Kanzleramt vor, Hausherr Scholz wartet schon. Der 45 Jahre alte ukrainische Präsident ist in olivgrüner Cargohose und schwarzem Sweatshirt gekommen, das Outfit, in dem er derzeit im Ausland auftritt.
Scholz sichert Selenskyj bei der Pressekonferenz dann die anhaltende Unterstützung Deutschlands zu. „Wir unterstützen Euch so lange, wie es nötig sein wird“, sagt der deutsche Regierungschef. Die deutsche Solidarität mit der Ukraine sei „anhaltend, und sie ist stark“. Fragen nach der Lieferung von Kampfjets an die Ukraine weicht Scholz aus und verweist auf die bisherige deutsche Unterstützung beim Ausbau der ukrainischen Luftabwehr. Selenskyj sagt, Kiew arbeite daran, eine „Kampfjet-Koalition zu schaffen“. Er werde in diesem Zusammenhang auch Deutschland um Unterstützung bitten. Des Kanzlers Miene bleibt reglos.
Das Verhältnis von Scholz und dem ukrainischen Präsidenten ist während der Pressekonferenz recht locker, trotz der ernsten Themen. Selenskyj würdigt Deutschland mit klaren Worten als zweitgrößten Unterstützer seines Landes. „Danke für jede Mutter und jedes Kind, das sie gerettet haben“, sagt er.
In Aachen beginnt die Verleihung des Karlspreises am Sonntagnachmittag dann mit einer Stunde Verspätung. Selenskyj erhält bereits zu Beginn Standing Ovations und lang anhaltenden Applaus. Scholz würdigt in seiner Laudatio dann sowohl den Mut als auch die Kommunikation des ukrainischen Präsidenten und erinnert daran, wie Selenskyj am Morgen des russischen Angriffs mit wirkmächtigen Worten den Widerstand bekräftigt habe. „,Der Präsident ist hier. Wir alle sind hier‘“, zitiert Scholz auf Ukrainisch aus der ersten Videobotschaft Selenskyjs und stellt fest: „Wohl selten in der Geschichte hatten so knappe Worte so große Wirkung.“
Vor seinem Deutschland-Besuch war Selenskyj in Italien zu Gast. Noch am Sonntagabend sollte der ukrainische Präsident dann in Paris eintreffen, berichteten am Sonntag der Sender BFM TV, die Zeitung Le Figaro und die Nachrichtenagentur AFP.
De Maart
Bald wird er in Aachen zum König des neuen Europa gekrönt werden.