Stünde allein die optische Inszenierung für die Wirkung von Gesetzen, die EU-Kommission hätte an diesem Mittwoch einen großen Schritt gegen die Bedrohungen durch Korruption gemacht. Nicht weniger als vier Kommissare marschierten Seite an Seite auf, um das Vorschlagspaket zu präsentieren. Die drei Vizekommissionspräsidenten und die Innenkommissarin machten auch sogleich die Bedeutung ihrer Initiative klar: „Korruption tötet Demokratie“, meinte die für Werte und Transparenz verantwortliche Kommissarin Vera Jourova. Sie verglich Korruption mit Krebs – und dass sie ebenfalls nicht nur durch Vorbeugung, sondern auch durch wirksame Behandlung bekämpft werden müsse. Außenbeauftragter Josep Borrell bezifferte den weltweiten Schaden durch Korruption auf mindestens fünf Billionen Dollar jährlich. Das sind fünftausend Milliarden.
Antikorruptionsexperte Daniel Freund von den Grünen zeigte sich gleichwohl nicht sonderlich beeindruckt. „Was die Kommission als großen Wurf präsentiert, ist maximal ein Meilensteinchen“, sagte der Europa-Abgeordnete dem Tageblatt. Es sei zwar richtig, dass Oligarchen, Politiker und Kriminelle, die durch Korruption zu Milliardären geworden seien, bald mit Sanktionen rechnen müssten. Zum Kampf gegen Korruption gehöre aber deutlich mehr als eine Harmonisierung von Definitionen oder Einreisesperren für russische Oligarchen. Wenn Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ernst machen wollte mit dem Kampf gegen Korruption, „dann nutzt sie den Rechtsstaatsmechanismus konsequent gegen mehrere Mitgliedstaaten, stattet die Europäische Staatsanwaltschaft besser aus und sorgt mit einem unabhängigen Ethikgremium im eigenen Laden für Ordnung“, erläuterte Freund.
Innenkommissarin Ylva Johansson kündigte an, nach der Sommerpause alle Beteiligten zusammenzurufen, um die wichtigsten Schwachstellen anzugehen. Natürlich seien auch EU-Behörden bei der Korruptionsbekämpfung verstärkt gefragt, die Schlüsselrolle liege jedoch bei den Mitgliedstaaten. Und da eröffneten die vollkommen unterschiedlichen Rechtsrahmen Schlupflöcher für Kriminalität, wenn etwa Bestechung je nach Land mit Freiheitsstrafen zwischen drei Monaten und 15 Jahren geahndet werde. Mit der Richtlinie wolle die Kommission den Standard der Korruptionsbekämpfung EU-weit anheben. Dazu gehört auch, dass die Strafverfolgungsbehörden genügend Personal und Zeit bekommen, um ihre Arbeit wirksam machen zu können. Dabei denkt die Kommission auch an Korrekturen bei den Verjährungsfristen und den Immunitätsregeln für Politiker.
Schärfer vorgehen, Vertrauen wiedergewinnen
Die EU-Gremien selbst waren zuletzt unter dem Stichwort „Katargate“ unter Korruptionsverdacht geraten, als die Ermittler in Brüssel Taschen voller Geld bei ehemaligen Abgeordneten, aktuellen Parlamentariern und Mitarbeitern bis hinauf zu Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili sicherstellten. Offenbar sollten damit Entscheidungen im Sinne von Katar und Marokko beeinflusst werden. Das sei eine Angelegenheit der belgischen Strafverfolgung, erläuterten die Kommissare. Noch in diesem Monat will die Kommission auch mit dem Parlament ins Gespräch kommen über ein Ethikgremium, das institutionenübergreifend künftigen Korruptionsgefahren vorbeugen soll.
Brüsseler Vorbilder und schärferes Vorgehen der EU-Staaten scheinen dringend nötig zu sein. Denn die Kommission verknüpfte ihr Vorschlagspaket mit bedenklichen Ergebnissen einer aktuellen Eurobarometer-Umfrage unter EU-Bürgern. Danach waren 68 Prozent der Befragten der Meinung, dass Korruption in ihrem Land weit verbreitet sei, aber nur 31 Prozent hielten die Bemühungen ihrer Regierung zu Korruptionsbekämpfung für effektiv. Johansson fügte dem Befund hinzu, dass 60 Prozent der Täter im Bereich der Organisierten Kriminalität Korruption einsetzten und diese zumeist grenzüberschreitend sei. Damit sei die EU-Ebene in besonderer Weise gefragt.
Einheitliche Definitionen
Wird der Vorschlag von den EU-Staaten akzeptiert, soll die EU künftig in der Lage sein, weltweit gegen schwere Korruptionsdelikte vorzugehen, unabhängig davon, wo diese verübt werden. Das Sanktionsinstrumentarium soll im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik entsprechend ergänzt werden.
Zu den innereuropäischen Vorhaben gehören nicht nur schärfere Strafen, sondern als Voraussetzung erst einmal einheitliche Definitionen dessen, was überhaupt als Korruption betrachtet wird. So will die Kommission erreichen, dass in allen EU-Staaten nicht nur Bestechung, sondern auch Veruntreuung, Einflussnahme, Amtsmissbrauch, Behinderung der Justiz und illegale Bereicherung im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten verfolgt werden. In allen Staaten soll es spezialisierte Stellen zur Korruptionsbekämpfung geben, die das Vertrauen der Bürger genießen.
Parallel laufen die Bemühungen weiter, Konsequenzen aus dem Katargate-Skandal zu ziehen und die Transparenz über die Kontakte von Politikern mit Akteuren in Drittstaaten zu erhöhen. Außerdem will das Parlament die Bestimmungen zur Auszahlung von EU-Haushaltsmitteln an einzelne Staaten verändern, um auch mit diesem Hebel Korruption bekämpfen zu können.
De Maart
An der Schütz der ´Whistleblowers´ sieht man wie Ernst es ist.
Genau. Nicht.
Ich würde eher mal auf Gemeinde-Ebene anfangen.
Korruption war damals der Missbrauch von Macht, um sich selber Vorteile zu verschaffen. Heutzutage wissen die Leute aber, dass es auch der Missbrauch von Macht ist, um seinen Freunden oder seiner Familie Vorteile zu verschaffen.