Dienstag11. November 2025

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ItalienGewerkschaften mobilisieren gegen „Armutsgesetz“

Italien / Gewerkschaften mobilisieren gegen „Armutsgesetz“
Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni scheint mit ihrer Reform des Arbeitsmarktes auf heftige Gegenwehr zu stoßen Foto: AFP/Andreas Solaro

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Am 1. Mai hat die Regierung Giorgia Melonis ein neues Arbeitsgesetz verabschiedet. Das Dekret, das laut Aussagen der Regierung einen Fortschritt in die Arbeitswelt bringen soll, ist für die Opposition und die Gewerkschaften eine Provokation und ein weiterer Schritt zur Verarmung der Italiener. Die Gewerkschaften haben bereits zu Protesten aufgerufen. Meloni könnte ein heißer Sommer bevorstehen.

In einem eigens gedrehten Video im Palazzo Chigi preist Regierungschefin Giorgia Meloni (Fratelli d’Italia, FdI) die Errungenschaften des neuen Dekrets an: Mehr Menschen sollen in Arbeit kommen, Steuersenkungen sollen die Inflation bremsen, insgesamt sollen die Menschen mehr von ihren Einkommen profitieren. Sie sei sehr stolz auf das Erreichte, meint Meloni.

Doch die Realität sieht anders aus. Zwar sind im Dekret wirklich Lohnsteuersenkungen festgelegt, doch die greifen nur bei niedrigen Einkommen. So sollen Arbeitende mit einem Bruttojahreseinkommen bis 25.000 Euro sieben Prozent weniger Steuern, solche mit einem Einkommen bis 35.000 Euro sechs Prozent weniger zahlen müssen. Netto entspräche dies etwa einer Zahlung zwischen 35 und 100 Euro monatlich – eine Summe, die in überhaupt keiner Relation zur derzeit existierenden Inflation und Teuerung steht. Die stark familienorientierte Premierministerin fügte noch hinzu, Unternehmen hätten zudem die Möglichkeit, über Boni und Sachgutscheine ihre Mitarbeiter für gute Leistungen zu honorieren. Allerdings liegt dieses Mittel in der Hand der Unternehmer, ohne dass für die Arbeitenden ein gesicherter Rechtsanspruch besteht.

Um mehr Menschen in Arbeit zu bringen – so eine weitere Maßnahme der Regierung – soll die Befristbarkeit von Arbeitsverträgen von bisher 12 auf nun 24 Monate erhöht werden. Mussten bislang Beschäftigte nach einem Jahr der Arbeit in einen festen Vertrag übernommen werden, so erhöht sich nun die Unsicherheit auf zwei Jahre. Ein Bonus für die Unternehmer, die nun freiere Hand zum Kündigen bekommen. Vor allem im wirtschaftlich desolaten Süden des Landes wird damit die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse deutlich ansteigen.

Parallel ist im Dekret der bereits angekündigte Wegfall des Grundeinkommens, des Reddito di Cittadinanza, zu Beginn des kommenden Jahres festgeschrieben. Wer nachweislich aus Krankheits- oder Altersgründen, wegen einer Schwerbehinderung oder wegen der Erziehung von Kindern keiner geregelten Arbeit nachgehen kann, soll befristet noch eine Sozialunterstützung erhalten. Allerdings ist dieses Geld nicht kontinuierlich erhältlich. Und da auch die Arbeitslosenunterstützung deutlich gekürzt wird, ist eine Verarmung vieler Italiener mit der neuen Verordnung vorprogrammiert.

Protest von Opposition und Gewerkschaft

Dass Giorgia Meloni das Dekret ausgerechnet am 1. Mai, dem traditionellen Feiertag der Arbeiterinnen und Arbeiter verkündet, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Doch nicht nur wegen des Datums gehen Opposition und Gewerkschaften auf die Barrikaden. Meloni hatte noch am Samstag die Spitzen von CGIL, CSIL und UIL zum Gipfel geladen und deren Bedenken in den Wind geschlagen.

Die neue Vorsitzende des sozialdemokratischen Partito democratico (Pd), Elly Schlein, nannte das neue Dekret schlicht eine „Provokation“. Das neue Gesetz „verurteilt uns zu Armut und Prekarität“, so Schlein in einer ersten Reaktion. Millionen von Arbeiterinnen und Arbeitern müssten für einen knappen Lohn tätig sein, könnten sich nicht einmal ein Mittag- und ein Abendessen leisten, führte die Pd-Chefin aus. Die Arbeitslosenrate im Süden, schon jetzt bedenklich hoch, würde noch weiter steigen. Vor allem erhöhe die Aufweichung des Kündigungsschutzes für junge Arbeitnehmer die Gefahr erhöhter Jugendarbeitslosigkeit. Dem müsse entschieden begegnet werden.

Diese Auffassung vertritt auch der Chef der 5-Sterne-Bewegung, Giuseppe Conte. Das erlassene Dekret sei keines für Arbeit, sondern gegen Arbeiterinnen und Arbeiter. Conte rief für Juni zu starken Protestdemonstrationen auf. Konkreter wurde CGIL-Chef Maurizio Landini. Bereits für den kommenden Samstag ruft die größte italienische Gewerkschaft zur Protestdemonstration in Bologna auf. Am 13. Mai folgt dann Mailand und eine Woche später versammeln sich die Gewerkschafter in Neapel.

Es ist zu erwarten, dass sich eine Oppositionsfront aufbaut. Conte, Landini und Schlein haben bereits Kontakt zueinander aufgenommen. Möglicherweise könnten der Regierung Meloni heiße Wochen ins Haus stehen – denn italienische Demonstranten können nicht weniger impulsiv sein als ihre französischen Kollegen.