Dienstag11. November 2025

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EU-Geld für türkische Islamisten31.000 Euro an Jugendverein von Erdogan-naher „Ismailaga Cemaati“-Gemeinschaft

EU-Geld für türkische Islamisten / 31.000 Euro an Jugendverein von Erdogan-naher „Ismailaga Cemaati“-Gemeinschaft
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan steht der „Ismailaga Cemaati“-Gemeinschaft nahe Foto: Adem Altan/AFP

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Eine türkische Islamisten-Gruppe, die ein mittelalterliches Frauenbild pflegt und wegen der Zwangsverheiratung eines Kindes in der Kritik steht, wird von der EU gefördert.

Empört reagierte EU-Außenbeauftragter Josep Borrell kürzlich auf das von den Taliban über Afghanistans Frauen verhängte Verbot, für die UNO zu arbeiten. Nicht ganz zu der Aufregung passen jedoch EU-Gelder an eine türkische Islamisten-Gemeinschaft, die eine den Taliban ähnliche Ideologie predigt.

Konkret geht es um „Yavuz Sultan Selim“, die Jugendorganisation der „Ismailaga Cemaati“-Gemeinschaft. Wie die EU-Kommission dem Tageblatt bestätigte, erhielt die Gruppierung aus dem Erasmus+-Programm einen Zuschuss in Höhe von 31.455 Euro. Gefördert wird damit ein bis Mai laufendes Projekt, das sich mit Islamophobie in sozialen Medien im Zuge der Pandemie befasst.

Tatsächlich sind es Gruppen wie „Ismailaga“, die Ängste vorm Islam befeuern. Denn ihr im Juni 2022 verstorbener Gründer Mahmut Ustaosmanoglu, dessen Enkel Abdulhalik die Jugendorganisation leitet, hinterließ eine mittelalterliche Islam-Auslegung. So war nach Ustaosmanoglus Tod Frauen die Teilnahme am Begräbnis in Istanbul untersagt. Wenig überraschend, hatte Ustaosmanoglu doch in seinen Schriften Ansichten wie diese verbreitet: „Aufgabe der Frauen ist es, Hausarbeit zu machen, ihren Herren zu gehorchen und gute Söhne und Soldaten für die Nation und das Land aufzuziehen.“ Oder: „Es ist niemals halal (erlaubt, Anm.), wenn Frauen ein Geschäft eröffnen.“

Die Aufgabe der Frauen ist es, Hausarbeit zu machen, ihren Herren zu gehorchen und gute Söhne und Soldaten für die Nation aufzuziehen

Mahmut Ustaosmanoglu, „Ismailaga“-Gründer

Zur „Ismailaga“ gehört auch die Hiranur-Stiftung. Deren Gründer steht gerade in Istanbul vor Gericht, weil er 2004 seine damals sechsjährige Tochter mit einem 29-jährigen Mitglied der Gemeinschaft zwangsverheiratet haben soll. Der Prozess wurde Ende März auf 5. Juni vertagt. Schon im Jahr 2020 hatte die heute 24-Jährige den Fall mit einer Anzeige gegen ihren Vater und den inzwischen Ex-Ehemann ins Rollen gebracht. Aber erst nach zwei Jahren wurden die beiden im Dezember festgenommen, was wohl am guten Draht nach oben lag. Die „Ismailaga“ ist nämlich kein Grüppchen von Sektierern, sondern hat viele — auch mächtige — Anhänger. Beim Ustaosmanoglu-Begräbnis war unter den Sargträgern kein Geringerer als Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

EU prüft Förderung

All das dürfte der EU-Kommission entgangen sein. Vom Tageblatt mit den Fakten konfrontiert, deutet Brüssel aber ein Umdenken an. Die Kommission lege „großen Wert darauf, dass sich die Empfänger von EU-Mitteln zur Einhaltung der Grundwerte der EU verpflichten“, so der Sprecher. Im konkreten Fall stehe die Kommission in Kontakt mit den türkischen Behörden und werde „nicht zögern, tätig zu werden, wenn ein Verstoß gegen die Regeln der EU-Finanzhilfevereinbarung festgestellt wird“. Mögliche Folgen eines Verstoßes gegen EU-Werte seien, so der Sprecher, „die Kürzung des Finanzhilfebetrags, die Aussetzung oder die Kündigung der Finanzhilfevereinbarung“.

Prediger abgeschoben

Die Fragwürdigkeit der „Ismailaga“-Gruppe hätte die Brüsseler Behörde mit einer Anfrage beim deutschen Verfassungsschutz unschwer erfahren können. Denn dort ist die Organisation seit Jahren bekannt. Im Verfassungsschutzbericht 2021 wird sie dem islamistischen Milli-Görüs-Universum zugerechnet und steht in der Liste jener „Gruppierungen, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt haben, dass die Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt“. 2015 war der Ismailaga-Prediger Nusret Cayır in Offenbach festgenommen und in die Türkei abgeschoben worden. Im Jahr davor hatte die Hamburger Innenbehörde von Auftritten Cayirs berichtet, in denen er gepredigt hatte, dass nur die Regeln der Scharia gültig seien, für Vergewaltiger die Steinigung und für Diebe das Abhacken ihrer Hände vorgesehen sei.

Das Ustaosmanoglu-Buch, dem obige Zitate entstammen, wird über türkische Buchhandlungen auch in Deutschland und Österreich verbreitet. Die türkische Buchhandlung tikla24.de im unterfränkischen Niedernberg nahm das Buch umgehend aus dem Sortiment, nachdem sie auf den Inhalt aufmerksam gemacht wurde.