Versöhnungswillige Ex-Feinde treten anders auf. Er habe keinerlei Absicht, in dieser Woche zur Feier des 20-jährigen Jubiläums von Serbiens Beitritt zum Europarat nach Straßburg zu reisen, falls dort ein Tag später Kosovo aufgenommen werden sollte, kündigte zu Wochenbeginn der serbische Außenminister Ivica Dacic grollend an: „Denn im Europarat wurde noch nie etwas aufgenommen, was kein Staat ist.“
Belgrad versuche vor den am Sonntag angesetzten Kommunalwahlen im überwiegend serbisch besiedelten Nordkosovo, „die lokalen Serben von der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte abzuschrecken“, erregt sich in Pristina Blerim Vela, der Kabinettschef von Präsidentin Vjosa Osmani, über die „ausländische Einmischung“.
„Furcht vor einer neuen Eskalation der Gewalt im Nordkosovo“, titelte am Dienstag die Belgrader Zeitung Blic angesichts der bevorstehenden „Hochspannungswahl“. Doch nicht nur wegen des von den Kosovo-Serben in Abstimmung mit Belgrad weitgehend boykottierten Urnengangs knistert es wieder einmal kräftig im labilen Nachbarschaftsgebälk. Auch die Umsetzung der ihnen vor Monatsfrist von der EU im mazedonischen Ohrid aufgenötigten Zwangseinigung sorgt bei den Ex-Kriegsgegnern mal wieder für Streit.
Ich habe einen unerträglichen Schmerz in der Hand, wenn ich unterschreibe. Dieser Schmerz wird in den nächsten vier Jahren anhalten.
Droht Brüssel ein neuer Kosovo-Fehlschlag? Zwar hatten sich die Dauerstreithähne auf starken Druck des Westens auf die Annahme des EU-Kosovo-Plans zur Normalisierung ihrer Beziehungen verständigt, diesen allerdings nicht unterzeichnet. Doch ob bei der von Pristina gelobten Schaffung eines Verbands der serbischen Kommunen, der gegenseitigen Anerkennung von Pässen, Zollstempel und Hoheitszeichen oder bei der von Belgrad zugesicherten Einstellung der diplomatischen Störmanöver gegen Kosovos Zutritt zu internationalen Organisationen: Bisher machen die unwilligen Nachbarn wenig Anstalten zur Umsetzung des Abkommens. Im Gegenteil.
Nicht einmal auf die eigentlich innerhalb eines Monats vorgesehene Schaffung einer gemeinsamen Kommission zur Überprüfung der Umsetzung ihrer Vereinbarungen konnten sich die beiden Staaten bisher verständigen. Eine Normalisierung der Beziehungen sei mit Kosovos derzeitiger Regierung „nicht realistisch“, wettert Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Bereits nach dem Treffen von Ohrid hatte er die von ihm verweigerte Unterschrift auch künftig ausgeschlossen: „Ich habe einen unerträglichen Schmerz in der Hand, wenn ich unterschreibe. Dieser Schmerz wird in den nächsten vier Jahren anhalten.“
Hart und konfrontativ
Pristina setzt derweil gegenüber den Serben in Nordkosovo unverändert auf einen harten und konfrontativen Kurs. EU-Diplomaten versichern zwar, dass mit der Aufnahme des Ohrid-Abkommens in den EU-Beitrittsmarathon beider Staaten eine „neue Dynamik“ in den lange festgefahrenen „Nachbarschaftsdialog“ gekommen sei. Doch die letzten Wochen haben – unabhängig von den fehlenden Unterschriften – bereits die Webfehler der Vereinbarung offen gelegt.
Bis auf die eher schwammige Vorgabe, dass sich Kosovo „sofort“ an die Schaffung des lange abgelehnten serbischen Kommunalverbands machen sollte, fehlt es an klaren Fristen. Zudem scheinen die Anreize oder mögliche Sanktionen nicht verlockend oder beängstigend genug, um Belgrad und Pristina entschlossener auf die Verständigungskarte setzen zu lassen. Die EU-Möhren seien „nicht besonders schmackhaft und die Knüppel nicht hart genug“, zitiert „Radio Free Europe“ einen anonymen Diplomaten.
Analysten argwöhnen, dass dem autoritär gestrickten Vucic ohnehin eher am Erhalt des Status-Quo als an dem offiziellen Ziel eines EU-Beitritts gelegen sei. Gleichzeitig mangle es dem Westen an effektiven Druckmitteln, da er den zwischen Ost und West lavierenden EU-Anwärter auch nicht in die Arme Moskaus oder Pekings treiben wolle. Eine echte Bereitschaft zur Umsetzung der Vereinbarungen vermag der Politologe Florian Bieber in Belgrad nicht zu erkennen: „Vucic macht immer nur so viel, wie unbedingt nötig ist.“
De Maart
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