Gastgeber Andrzej Duda zählte nach einem Treffen unter vier Augen vor der Presse die polnische Waffenhilfe für die Ukraine auf, vor allem die polnischen Haubitzen „Krab“ und über 300 Panzer deutscher und zuvor sowjetischer Produktion. „In dieser tragischen Situation halten wir zusammen und hoffen deshalb auf eine großartige Zukunft“, sagte Duda und kündigte an, dass es zwischen beiden Ländern keine historischen Tabus mehr geben werde.
Der Pole versuchte damit, im Wahljahr 2023 der extremen Rechten Wind aus den Segeln zu nehmen. Die rechts-extreme „Konföderation“ versucht seit Monaten mit einem besonders patriotischen Gedenken an die Ermordung Tausender von polnischen Zivilisten im ukrainisch-polnischen Grenzgebiet durch Anhänger des ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera, Sand in die neue polnisch-ukrainische Freundschaft zu streuen. Gerade wieder wird der öffentliche Raum mit Aufklebern „Wir erinnern uns und vergessen nicht“ voll gekleistert. Konkrete Schritte zu einer Versöhnung der beiden Ansichten – Banderas Partisanen werden vor allem in der Westukraine als Nationalhelden verehrt – kündigte indes weder Duda noch Selenskyj an.
Der Ukrainer betonte wie immer die Wehrhaftigkeit der Ukraine, die auch von Polen unterstützt werde. Er dankte indes dem polnischen Volk für die Aufnahme von zeitweise bis zu drei Millionen Flüchtlingen. „Wir Ukrainer werden diese Gastfreundschaft nie vergessen“, versprach Selenskyj, der sich in Warschau etwas schwer mit den innerpolnischen Verwerfungen tat. So bestand sein Team entgegen dem Willen des Präsidentenpalastes, der der regierenden Kaczynski-Partei PiS nahesteht, auf ein Treffen mit der Opposition, Lokalpolitikern wie dem liberalen Stadtpräsidenten Rafal Trzaskowski und nicht von der PiS kontrollierten NGOs. Gleichzeitig legte er am Mittwochnachmittag nicht nur einen Blumenkranz am Denkmal des Unbekannten Soldaten nieder, sondern tat dies zusammen mit Regierungschef Mateusz Morawiecki auch am von den meisten ausländischen Gästen gemiedenen und umstrittenen Denkmal für die 96 Opfer des angeblichen russischen Anschlags auf Lech Kaczynskis Präsidentenmaschine im April 2010.
Konfrontiert mit kritischen Fragen der Presse, taten sich beide Staatspräsidenten ähnlich schwer. Selenskyj strafte einen ukrainischen Journalisten in Warschau mit der Bemerkung ab, er betreibe „Desinformation“, weil dieser sich nach einem möglichen Truppenabzug angesichts der russischen Geländegewinne in Bachmut erkundigte. Der Ukrainer sagte, die Lage dort sei bestimmt schwierig, doch die Russen hätten die Stadt nicht erobert. Erstmals schien er dann jedoch die ukrainische Öffentlichkeit auf einen möglichen Rückzug vorzubereiten. „Wenn die Situation schlechter wird und wir Gefahr laufen, im Zuge einer Umzingelung noch mehr Soldaten zu verlieren, wird der General (Sirski) entsprechend handeln“, sagte Selenskyj. Dieses Eingeständnis machte in der Ukraine sofort Schlagzeilen.
Ärger wegen Getreide aus der Ukraine
Duda gab erstmals konkrete Zahlen zu den vom polnischen Heer an die Ukraine abgegebene MIG-29-Kampfjets bekannt. Demnach hat Polen bereits acht MIG-29 in die Ukraine geliefert. Weitere sechs sollen „in Kürze“ folgen. Doch 14 modernisierte und NATO-kompatible MIG-29-Kampfjets würden weiterhin in Polen gebraucht, enttäuschte Duda die Ukrainer. Sie könnten erst zu einem späteren Zeitpunkt abgegeben werden, nachdem sie durch amerikanische und südkoreanische Flugzeuge ersetzt worden seien, sagte Duda.
Im Vorfeld des Selenskyj-Besuchs angedrohte Bauernproteste gegen das Treffen der beiden Staatspräsidenten wurden durch den Rücktritt des Landwirtschaftsministers Henryk Kowalczyk verhindert. Der Vize-Premier hatte die Bauern gegen sich aufgebracht, weil er keinen Riegel gegen den Verkauf von günstigem ukrainischem Getreide in Polen vorgeschoben hatte. Das ukrainische Getreide sollte wegen der russischen Blockade des Schwarzen Meeres ursprünglich nur im Transit durch Polen für den Export über sichere EU-Häfen transportiert werden.
Am Mittwochabend hielt Selenskyj, wie US-Präsident Joe Biden bei seinem Polenbesuch, im Innenhof des Warschauer Königsschlosses eine Rede, die sich unter anderem an die ukrainische Exil-Gemeinschaft richtete. Ihr gehören rund 1,5 Millionen Flüchtlinge und schätzungsweise ebenso viele Gastarbeiter an.
De Maart
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