Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für Oppositionsparteien. Heißt es. Österreich stöhnt unter einer Inflationsrate weit über dem EU-Schnitt, der Ukraine-Krieg ohne Aussicht auf Frieden sorgt für allgemeine Verunsicherung und die regierende ÖVP marschiert seit dem unrühmlichen Ende der One-Man-Show Sebastian Kurz durchs Jammertal. Im vergangenen Sommer schienen tatsächlich gute Zeiten für die Opposition anzubrechen. Die SPÖ lag in den Umfragen auf Platz eins, steuerte schon die 30-Prozent-Marke an. Die bis dahin glücklose Parteichefin Pamela Rendi-Wagner konnte sogar Anspruch auf das Kanzleramt erheben, ohne belächelt zu werden.
Doch dann kam die Landtagswahl in Tirol, wo die SPÖ im September trotz massiver ÖVP-Verluste gerade einen Viertelprozentpunkt hinzugewinnen konnte. Ende Januar folgte die Niederösterreich-Wahl: wieder satte ÖVP-Verluste, dieses Mal aber auch ein Minus für die Sozialdemokraten. Am vergangenen Sonntag setzte sich der rote Abwärtstrend in Kärnten fort: Obwohl die SPÖ dort mit Peter Kaiser einen populären Landeshauptmann hat, der Umfragen zufolge in einer Direktwahl sogar für eine absolute Mehrheit gut wäre, stürzten die Genossen um neun Prozentpunkte auf 38,9 Prozent ab.
ÖVP bejubelt Mini-Plus
Alle anderen Parteien verzeichneten Zugewinne, wenngleich die rechtspopulistische FPÖ im einstigen Haider-Land mit einem mageren Plus von 1,6 auf 24,5 Prozent ihren Höhenflug nicht so steil fortsetzen konnte. Besonders bitter für die SPÖ: Sogar die angeschlagene ÖVP legte leicht von 15,4 auf 17 Prozent zu, was deren Generalsekretär Christian Stocker in Wien sogleich als „sensationell“ bejubelte.
Während in Kärnten nun gerätselt wird, ob Kaiser weiter mit der ÖVP koalieren kann oder gar FPÖ, ÖVP und das von einem SPÖ-Aussteiger geführte „Team Kärnten“ eine Koalition auf die Beine stellen, wird in Wien über die Zukunft von Rendi-Wagner spekuliert. Auf ihren Verbleib an der Parteispitze mag derzeit kaum jemand zu wetten. Auch Genossen nicht. Was wohl eine Ursache des Problems ist: In den eigenen Reihen gibt es zu viele, die nicht mehr glauben, dass die Chefin die spätestens im Herbst 2024 anstehende Nationalratswahl gewinnen kann. Deshalb poppt die Führungsdebatte immer wieder auf. Meist wird sie aus dem Burgenland angezettelt, wo sich der rote Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil schon per Umfrage bestätigen ließ, dass er der bessere Spitzenkandidat wäre.
Aber auch dessen Kärntner Amtskollege hatte nach dem Niederösterreich-Debakel die Führungsdebatte mit der Art, wie er sich gegen eine solche aussprach, befeuert: „Eine bundespolitische Diskussion vor Landtagswahlen in Kärnten akzeptiere ich nicht“, sagte Kaiser. Über „weitere Dinge“ könne man nach den Wahlen in Kärnten und Salzburg diskutieren. Also selbst Kaiser, der wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig als Rendi-Protektor gilt, wollte nur Waffenstillstand für die Dauer der Wahlkämpfe.
„Derzeit“ Chefin
Setzt sich der SPÖ-Abwärtstrend bei der Salzburger Landtagswahl in sieben Wochen fort, wird es kein Halten mehr geben. Schon jetzt bekommen Journalisten, die SPÖ-Funktionäre nach deren Haltung zur Parteichefin fragen, nur Antworten wie von Landeschef Kaiser: „Sie ist es derzeit.“ Alle wollen Rendi-Wagner nur „derzeit“ die Stange halten, kaum jemand sagt, Rendi-Wagner sei auf jeden Fall die bestgeeignete Spitzenkandidatin.
Hinter vorgehaltener Hand wurden schon vor der Kärnten-Wahl mögliche, angeblich in den SPÖ-Spitzengremien schon diskutierte Szenarien kolportiert. Nationalratspräsidentin Doris Bures wird ebenso als Nachfolgerin gehandelt wie der frühere ORF-Chef Alexander Wrabetz, der jetzt Präsident des roten Traditionsfußballclubs Rapid ist. Entscheidend wird letztlich sein, ob der Burgenländer Doskozil tatsächlich den Hut in den Ring wirft. Bislang betätigt er sich nur als Quertreiber, hat aber offiziell kein Interesse an Rendis Job angemeldet.
De Maart
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