Freitag7. November 2025

Demaart De Maart

ÖsterreichIbiza-Nachbeben: Zwei prominente Chefredakteure haben sich um Kopf und Kragen gechattet

Österreich / Ibiza-Nachbeben: Zwei prominente Chefredakteure haben sich um Kopf und Kragen gechattet
Die Handy-Daten von Thomas Schmid (l. mit Maske), ehemaliger Chef der österreichischen Staatsholding Öbag und ehemaliger Generalsekretär im österreichischen Finanzministerium, sorgen seit zwei Jahren in der Alpenrepublik für Schlagzeilen Foto: APA/dpa/Tobias Steinmaurer

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Peinliche Chats mit den Mächtigen bringen in Österreich zwei prominente Chefredakteure in Bedrängnis und den ohnehin wenig angesehenen Berufsstand der Journalisten insgesamt in Verruf.

Es ist ein demokratiepolitischer Super-Gau. Rainer Nowak, Chefredakteur und Herausgeber der renommierten Tageszeitung Die Presse, und Matthias Schrom, Leiter der TV-News-Redaktion im ORF, pflegten einen Umgang mit der Macht, der ziemlich genau den Vorstellungen rechter Schwurbler von den „Systemmedien“ entspricht.

Nowak strebte nach Höherem und kommunizierte das auch gegenüber der ÖVP. Im Zuge der Ermittlungen rund um den Ibiza-Skandal aufgetauchte Chats legen nahe, dass der Chefredakteur dafür auch bereit war, Kompromisse bei der journalistischen Unabhängigkeit einzugehen. Im März 2019 drückt Nowak in einer Kurznachricht an Thomas Schmid seine Freude über das gut verlaufene Hearing des damalige Kandidaten für den Chefposten in der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG aus und erntete eine erfreuliche Antwort: „Jetzt du noch ORF-Chef – Alter, dann gehts aber ab – Danke für alles“, schreibt Schmid, dessen sichergestellte Handy-Daten seit zwei Jahren Österreichs ergiebigste Schlagzeilenquelle sind. Nowak schreibt zurück: „Ehrensache. Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen.“ Schmid: „Unbedingt.“

Für die Hilfe beim Streben nach dem ORF-Chefsessel hatte Nowak Vorleistungen erbracht. Im April 2018 hatte eine „Presse“-Redakteurin einen Artikel über die mangelnde Fachkompetenz der von der ÖVP-FPÖ-Koalition eingesetzten Polit-Generalsekretäre in den Ministerien geschrieben. Schmid, damals selbst Generalsekretär im Finanzministerium, beschwerte sich über eine Textpassage, die er „echt fies“ fand. Nowak rapportierte umgehend: „Rausgenommen die Formulierung“ (in der Webversion des Artikels, Anm.). ORF-Generaldirektor wurde er dennoch nicht.

„SPÖ-Retter werden weniger“

Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nahm die Politik auch so. Noch nie wurde das Hineinregieren in den ORF aber so nachvollziehbar dokumentiert wie anhand der sichergestellten Chats. Dem Chefredakteur der ORF-Fernsehnews wurde ein Handy-Dialog mit dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zum Verhängnis. Dem Hauptdarsteller des alles ins Rollen gebracht habenden Ibiza-Videos missfiel im Frühjahr 2019 ein Bericht in den Spätnachrichten „ZiB24“ auf ORF 1 und fand ein offenes Ohr beim damaligen ORF-2-Chefredakteur: „Das ist natürlich unmöglich“, chattete Matthias Schrom zurück und beriet den Rechtspopulisten über die weitere Vorgangsweise. „Bitte sage es (Norbert) Steger (damals Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates und Ex-FPÖ-Chef, Anm.)“, so Schrom und beteuert, dass es beim von ihm zu verantwortenden ORF 2 schon viel mehr im Sinne der Regierung läuft als bei ORF 1, der „noch viel linker“ sei. Chefredakteur Schrom an Strache: „…langsam wird’s, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger.“

Rumoren in Redaktionen

In den betroffenen Redaktionen rumort es seit Bekanntwerden der Chats. Erste, wohl nicht letzte Konsequenzen gibt es. Presse-Chefredakteur Nowak entschuldigte sich bei den Lesern für „Tonalität und unangemessene Nähe“ der Chatverläufe. Bis zum Abschluss einer vom Eigentümer, der Styria Media Group, eingeleiteten Untersuchung stellte er seine Funktion ruhend. Schrom hat sich ebenfalls entschuldigt und in einen längeren Urlaub verabschiedet. Im ORF prüft der hauseigene Ethikrat. Der Vorsitzende des ORF-Redakteurrats, Dieter Bornemann, kann sich eine Rückkehr Schroms nicht vorstellen.