Die deutsche Wirtschaft wird wegen ausbleibender Energielieferungen aus Russland in eine Rezession rutschen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) senkte am Mittwoch die Konjunkturprognose der Regierung deutlich. Im dritten und vierten Quartal 2022 sowie im ersten Quartal 2023 werde die Wirtschaft schrumpfen, sagte Habeck. Im Gesamtjahr 2023 werde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,4 Prozent zurückgehen – bisher erwartet hatte die Regierung ein Wachstum von 2,5 Prozent. „Das ist schon ein erheblicher Wirtschaftseinbruch“, so Habeck. Für das laufende Jahr reduzierte er die Prognose von 2,2 auf nur noch 1,4 Prozent Wachstum.
Die Zahlen seien schlecht, hätten aber auch noch wesentlich mieser sein können. Habeck verwies auf stabilisierende Effekte durch die mittlerweile gefüllten Gasspeicher, die Entlastungspakete für Bürger, Hilfsprogramme für Unternehmen und Einsparungen bei Energie. Bei komplett ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland, wie sie jetzt eingetreten seien, hätten die Prognosen von Experten einst bei minus drei bis minus neun Prozent gelegen.
Energiekrise wird zur Wirtschafts- und Sozialkrise
Der Vize-Kanzler warnte, die Energiekrise als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine wachse sich immer mehr zu einer Wirtschafts- und Sozialkrise aus. Grund dafür sei die Inflation, die auf dem höchsten Stand seit Jahrzehnten liegt. Viele Haushalte fürchten deswegen, ihre Rechnungen bald nicht mehr bezahlen zu können. Die Bundesregierung prognostiziert 2022 eine durchschnittliche Teuerungsrate von 8,0 Prozent, 2023 noch 7,0 Prozent. Ohne die geplanten Preisbremsen bei Strom und Gas wären es nächstes Jahr noch deutlich mehr, so Habeck.
Für 2024 kalkuliert die Regierung mit einer deutlich geringeren Inflation von 2,4 Prozent. Das wäre wieder ein halbwegs normaler Wert. Habeck verwies auf die steigenden Leitzinsen in Europa. „Das wird sicherlich wirken.“ Außerdem dürften die Energiepreise 2024 nachlassen durch staatliche Maßnahmen sowie ein ausgeweitetes Angebot.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) räumte am Rande der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington ein, dass Deutschland wirtschaftlich deutlich schlechter durch die Inflations- und Energiekrise komme als viele andere Länder. „Deutschland kann nicht zufrieden sein damit, wie wir im nächsten Jahr uns wirtschaftlich entwickeln“, sagte er. „Im Vergleich zu anderen Industrienationen hat Deutschland offensichtlich große Hausaufgaben mitzunehmen aus Washington nach Deutschland“, sagte Lindner. „Wir können jedenfalls nicht damit zufrieden sein, dass wir von den Industrienationen jetzt die schwächste wirtschaftliche Entwicklung haben, parallel zu sehr hohen Inflationsraten.“
Dass Deutschland so schlecht durch die Krise komme, liege zwar zum einen an der besonderen energiepolitischen Abhängigkeit und der internationalen Exponiertheit als Exportnation. Zugleich aber gebe es auch „länger bestehende Defizite unserer Wettbewerbsfähigkeit, an denen wir systematisch in den nächsten Jahren werden arbeiten müssen“. Dabei gehe es nicht nur um die Industrie, sondern auch um den Mittelstand.
Trotz der deutlich gesenkten Herbstprognose der Bundesregierung könnte die Steuerschätzung Ende Oktober nach den Worten eines bekannten Steuerschätzers besser ausfallen als erwartet. „Die Steuerschätzung könnte, bereinigt um die Effekte der diversen von der Bundesregierung aufgegleisten Entlastungspakete, besser ausfallen, als die Rezessionserwartungen vermuten lassen“, sagte der Steuerschätzer des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Jens Boysen-Hogrefe, zum Tageblatt. „Insgesamt dürfte die Einnahmensituation des Staates voraussichtlich nicht so schlecht aussehen, wie man nach der Herbstprojektion der Bundesregierung vermuten könnte“, so Boysen-Hogrefe.
De Maart
Et gett net alles mei deier,
Daer verdéngt just net genuch!
-Robert Habeck