Mittwoch29. Oktober 2025

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EnergiekriseStatec korrigiert Inflationsprognose nach oben: Kerninflation erreicht „ein historisches Niveau“

Energiekrise / Statec korrigiert Inflationsprognose nach oben: Kerninflation erreicht „ein historisches Niveau“
Statec hat seine Inflationsprognosen an die jüngsten Entwicklungen auf dem Energiemarkt angepasst Foto: Hendrik Schmidt/dpa

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Bis zu vier zusätzliche Indextranchen könnten laut Statec binnen zehn Monaten fällig werden. Ausschlaggebend dafür sei die Entwicklung der Energiepreise in den nächsten Monaten, hinzu kämen die auf nationaler und europäischer Ebene getroffenen Maßnahmen, um der Preisteuerung entgegenzusteuern. Das nationale Statistikamt hat am Donnerstag drei aktualisierte Szenarien veröffentlicht, auf die sich auch die Tripartite basieren wird.

Das nationale Statistikamt Statec hat am Donnerstag eine Aktualisierung seiner Inflationsprognosen von Anfang August publiziert, worin die jüngsten Entwicklungen der Energiemärkte berücksichtigt wurden. Die neuesten Zahlen, die bis zu vier weitere Indextranchen in zehn Monaten vorsehen, bilden die Basis für die nächste Tripartite-Runde. Premierminister Xavier Bettel (DP) hatte der Öffentlichkeit am Mittwochabend bereits erste Zahlen vorgestellt.

Die neue Statec-Prognose („Scénario central”) geht von einer Inflationsrate von 6,6 Prozent aus – sowohl für das Jahr 2022 als auch 2023. Damit bleibt die Prognose für 2022 unverändert, die Zahlen von 2023 werden allerdings von einem Wert von 5,3 nach oben korrigiert. Die Kerninflation erreicht laut Statec im Jahr 2022 „ein historisches Niveau“ von 4,3 Prozent und wird 2023 weiter steigen, auf 4,9 Prozent. Demnach würde im vierten Quartal 2022 eine Indextranche fällig werden und zwei weitere im Jahr 2023 – die Erste im ersten, die Zweite im dritten Quartal. Hinzu kommt die im Juni 2022 ausgelöste Indextranche, die infolge des Tripartite-Abkommens vom 31. März im April 2023 erfolgen würde.

Statec hat seine Inflationsprognosen an die jüngsten Entwicklungen auf dem Energiemarkt angepasst. Demnach rechnet die Statistik-Behörde in ihrem „Scénario central” damit, dass die Gaspreise in Luxemburg im Herbst/Winter um 160 Prozent gegenüber dem Sommer 2022 steigen werden – in der vorherigen Prognose waren es noch 90 Prozent. Statec rechnet mit einem Anstieg der Gaspreise um 80 Prozent im Oktober, gefolgt von einem Anstieg um zehn Prozent im November und 30 Prozent im Januar 2023 (zuvor waren es zehn Prozent). Statec musste auch seine Prognosen bezüglich der Entwicklung der Strompreise anpassen: Somit gehen die Statistiker nicht mehr von einem Anstieg von 35 Prozent im Januar aus, sondern von 45 Prozent.

Diese vom Statistikamt antizipierten Preisentwicklungen würden die Inflation 2023 um zwei Prozent erhöhen. „Die Auswirkungen wären noch stärker, wenn die Gasnetzentgelte, für die Anfang 2023 eine Erhöhung erwartet wird, nicht vom Staat übernommen würden“, heißt es in der Studie.

Optimistische und pessimistische Perspektive

Treibende Faktoren für die Inflation seien eine Verschärfung der Gasknappheit sowie ein Scheitern der europäischen Bemühungen zur Koordination der Gasversorgung. Zudem könnte sich der Gaspreisschock über einen Substitutionseffekt auf den Ölpreis auswirken, was die Energierechnung in Luxemburg weiter belasten würde.

Auf der anderen Seite könnten Eingriffe in den Energiemarkt zur Begrenzung des Preisanstiegs und der Notfallplan der Europäischen Kommission einen mildernden Effekt auf die Inflation haben. Folglich würde der Strompreis eine weniger starke Anpassung erfahren als im zentralen Szenario angenommen.

Das pessimistischste Szenario basiert auf den Prämissen steigender Ölpreise sowie einem Gaspreisschock im kommenden Herbst/Winter von rund 225 Prozent im Vergleich zum Sommer 2022. Auf diesen Schock würde ein Anstieg der Strompreise um 50 Prozent im Januar 2023 im Vergleich zum Dezember 2022 folgen. Demnach würden in den kommenden zehn Monaten sogar fünf weitere Indextranchen in fällig werden. Die Tranchen würden im vierten Quartal 2022 sowie im ersten, zweiten und dritten Quartal 2023 fällig – dazu würde noch die 2022 verschobene Indextranche kommen.

Das „Scénario bas” hingegen geht von sinkenden Ölpreisen und einem Anstieg des Gaspreises um fast 100 Prozent sowie des Strompreises um 40 Prozent aus. In diesem Szenario, in dem die Inflation am wenigsten in den kommenden Monaten zunimmt, wird mit einer Inflationsrate von 6,4 Prozent für 2022 und weiteren 4,4 Prozent für 2023 gerechnet – in dem Fall würden im vierten Quartal 2022 und im zweiten Quartal 2023 weitere Indextranchen fällig. Das bedeutet, dass inklusive der verschobenen Juni-Tranche dieses Jahres drei weitere Indextranchen in den kommenden Monaten ausgezahlt werden müssten.

Drei Inflationsprognosen, basierend auf der Entwicklung der Energiepreise
Drei Inflationsprognosen, basierend auf der Entwicklung der Energiepreise Tabelle: Statec

Diverse Faktoren beeinflussen Energiepreise

Die Inflationsrate bleibe im August bei 6,8 Prozent stabil und werde im Januar 2023 mit 8,7 Prozent ihren Höchststand erreichen (mittleres Szenario). Das beschleunigte Inflationstempo gehe auf die direkte und indirekte Weitergabe der Energiepreise an die Endverbraucher zurück. Die Gaspreise steigen ab Oktober, die Preise für Strom im Januar 2023. Die zunehmende Unsicherheit bei der Gasversorgung werde sowohl auf die Gaspreise als auch auf jene von diversen Waren und Dienstleistungen übertragen.

Auch die chinesische Null-Covid-Strategie sowie das anhaltende Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hätten weiter einen großen Einfluss auf die globalen Produktionsstätten und die Preise. Die europäischen Sanktionen gegenüber Russland, die eine Verteuerung der Importe zur Folge haben, würden den Preisdruck zusätzlich erhöhen.

Die auf unbestimmte Zeit beschlossene Schließung von Nordstream 1 habe die Spannungen auf dem europäischen Gasmarkt verstärkt. 2021 lag der Durchschnittspreis der als Referenz dienenden Dutch TTF bei 45 Euro pro Megawattstunde. Am 31. August 2022 lag der Preis bei fast 240-Euro – dem höchsten bis dahin verzeichneten Tagesdurchschnitt. Auch auf den Derivatemärkten, auf denen Kontrakte für künftige Lieferungen gehandelt werden, ist ein Aufwärtstrend feststellbar. Die im Juli 2022 gehandelten Verträge antizipierten einen Gaspreis von 140 Euro für 2023 – im August 2022 lag der erwartete Preis schon bei 210 Euro.

Diese Entwicklungen wirken sich alle direkt über den europäischen Großhandelsmarkt auf die Strompreise aus. Am 1. Januar 2022 habe der Strompreis auf dem deutschen Markt, mit dem das luxemburgische Netz am engsten verbunden ist, bei 85 Euro pro Megawattstunde gelegen. Ende August des gleichen Jahres wurde nach kontinuierlichen Preissteigerungen die 660-Euro-Marke überschritten.