Dienstag4. November 2025

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Ukraine-Krieg„Unhaltbare“ Situation am AKW, Moskau auf Einkaufstour in Nordkorea und Erdogans Europa-Schelte

Ukraine-Krieg / „Unhaltbare“ Situation am AKW, Moskau auf Einkaufstour in Nordkorea und Erdogans Europa-Schelte
Ein von einer russischen Rakete getroffenes Wohnhaus in Charkiw Foto: AFP/Sergej Bobok

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Die IAEA äußert sich in ihrem Bericht besorgt über einen drohenden Atomunfall im AKW Saporischschja und spricht von einer „unhaltbaren“ Situation. Der türkische Präsident Erdogan mischt sich derweil mit einer Wortmeldung in den Wirtschaftskrieg zwischen Russland und der Europäischen Union ein.

Angesichts anhaltender kriegerischer Auseinandersetzungen am von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja hat die UN-Atomenergiebehörde (IAEA) die Situation vor Ort als „unhaltbar“ bezeichnet. In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht zur Lage rund um das größte Atomkraftwerk Europas forderte die IAEA die Einrichtung einer „Sicherheitszone“. Das 52-seitige Papier folgt auf eine am vergangenen Donnerstag begonnene Inspektion des AKWs durch eine IAEA-Mission.

Die „Bombardements der Anlage und der Umgebung“ müssten „unverzüglich eingestellt werden“, um erneute Schäden zu vermeiden, heißt es im IAEA-Bericht weiter. Die UN-Organisation schrieb zudem über „extrem stressige Bedingungen“, unter denen das ukrainische AKW-Personal arbeite, das unter der Kontrolle russischer Soldaten steht.

Am Montag war dem staatlichen ukrainischen Betreiber Energoatom zufolge im AKW Saporischschja der letzte noch arbeitende Reaktor vom Netz genommen worden. Grund sei ein durch Angriffe ausgelöstes Feuer, das eine Stromleitung zwischen dem Kraftwerk und dem ukrainischen Stromnetz beschädigt habe. Es seien bei der Untersuchung auch Schäden nahe der insgesamt sechs Reaktoren sowie der Lagerstätten von nuklearem Abfall festgestellt worden, heißt es in dem Bericht weiter.

USA: Moskau kauft Geschosse in Nordkorea

Wegen angeblicher militärischer Lieferengpässe will Russland einem Medienbericht zufolge Millionen Geschosse von Nordkorea kaufen. Die New York Times beruft sich in ihrem Bericht vom Montag (Ortszeit) auf US-Geheimdienstinformationen. Demnach geht es um Artillerie-Munition und Raketen mit kurzer Reichweite. US-Beamte hätten aber darüber hinaus wenige Details genannt – es werde jedoch vermutet, dass Moskau sich für weiteres militärisches Gerät auch an Pjöngjang wenden könnte.

Erst Ende August hatten amerikanische Geheimdienstkreise verlauten lassen, dass von Moskau gekaufte iranische Drohnen in Russland angekommen seien. Diese könnten für den Beschuss von Radaranlagen, Artillerie und anderen militärischen Objekten eingesetzt werden – hätten aber bei ersten Tests zahlreiche Fehlfunktionen gezeigt.

Ungeachtet dieser mutmaßlichen Engpässe geht Russland seinen üblichen Abläufen nach und hat am Dienstag Aufnahmen von einem demonstrativ gut gelaunten Präsidenten Wladimir Putin bei der Besichtigung eines Militärmanövers im äußersten Osten Russlands gezeigt. In einem Videoclip des Militärsenders „Swesda“ ist zu sehen, wie er lächelnd und scherzend in einer Militärkampfjacke neben Verteidigungsminister Sergej Schoigu sitzt. Sie wohnen der „Wostok“-Übung bei, an der auch Truppen aus China und Indien beteiligt sind. Russland hat kürzlich die Aufstockung seiner Armee um knapp 140.000 Kräfte angekündigt, um die Schlagfähigkeit der Truppen im Krieg gegen die Ukraine zu erhöhen und die hohen Verluste zu kompensieren.

Erdogan: Europa erntet eigene Saat

In den Wirtschaftskrieg zwischen Russland und der Europäischen Union hat sich jetzt auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan eingemischt. Nach dem Lieferstopp von Gas aus Russland über die Pipeline Nord Stream 1 hat Erdogan die gegen Russland verhängten Sanktionen des Westens für die Energiekrise in Europa verantwortlich gemacht. Die europäischen Länder würden „ernten, was sie gesät haben“, sagte Erdogan am Dienstag in Ankara.

Erdogan erklärte, Putin setze alle seine Mittel und Waffen ein. „Erdgas ist leider eine davon“, sagte der türkische Staatschef. Er gehe davon aus, dass Europa in diesem Winter „ernsthafte Probleme“ haben werde. Für sein Land hingegen gelte dies nicht. Allerdings sind die Verbraucherpreise in der Türkei im August so stark gestiegen wie seit 1998 nicht mehr. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich um durchschnittlich 80,21 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Umfragen zufolge glauben viele Türkinnen und Türken der amtlichen Statistik nicht: Etwa jeder Zweite ist der Meinung, dass die Preise noch stärker steigen als offiziell ausgewiesen.

Beim Gaspreis wurde in Europa derweil am Dienstag ein Rückgang verzeichnet. Der europäische Future verbilligte sich um mehr als zehn Prozent auf 220 Euro je Megawattstunde. Der erneute Stopp russischer Gaslieferungen hatte am Montag eine erneute Rally beim Gaspreis ausgelöst.

Der türkische Präsident folgt mit diesen Äußerungen der Darstellung Moskaus. Am Montag hatte der Kreml den Westen für den Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1 nach Europa verantwortlich gemacht. Die Probleme seien „wegen der Sanktionen der westlichen Staaten aufgetreten, es gibt keinen anderen Grund dafür“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und ließ damit wissen, dass die „technischen Probleme“ an der Pipeline gelöst würden, sobald die EU ihre Sanktionen gegen Russland fallenlasse. Die Türkei pflegt sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehungen. Ankara lieferte Kiew Militärdrohnen, schloss sich aber nicht den westlichen Sanktionen gegen Moskau wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine an.

Die westlichen Staaten hatten in Reaktion auf den am 24. Februar von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine massive Sanktionen gegen Moskau verhängt. Diese betreffen unter anderem Kohleimporte, abgestuft auch Ölimporte, aber bisher nicht die Gasimporte, von denen viele EU-Staaten in besonderer Weise abhängig sind. Die EU wirft Russland „Erpressung“ bei den Gaslieferungen vor.

Es ist nur eine Frage der Zeit

Der ukrainische Präsident Selenskyj zur Rückeroberung der Region Cherson

Im Kriegsgeschehen treibt die Ukraine nach eigenen Angaben ihre Offensive im Süden und Osten des Landes voran. In dem Ort Wyssokopillja in der südukrainischen Provinz Cherson hissten ukrainische Truppen die blau-gelbe Flagge des Landes, wie auf einem online veröffentlichten Foto zu sehen war. Die Ukraine hole sich Schritt für Schritt ihre Gebiete zurück, sagte Präsident Selenskyj in einem Interview mit ABC News. „Es ist nur eine Frage der Zeit.“ In der Region Cherson im Süden des Landes seien vier russische Munitionsdepots zerstört worden, teilte das Südkommando der ukrainischen Streitkräfte mit. Auch würden Brücken über den Dnjepr unter Beschuss genommen. Die Informationen zum Kampfgeschehen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Nach Angaben des Gouverneurs der Region Charkiw im Nordosten der Ukraine wurden bei einem russischen Angriff drei Zivilisten getötet. In der Nacht zum Dienstag seien im Industriegebiet der zweitgrößten ukrainischen Stadt ein zweistöckiges Gebäude sowie ein Wohnhaus, in dem eine 73 Jahre alte Frau lebte, beschädigt worden, schrieb Oleh Synehubow auf Telegram. „Leider ist sie gestorben.“ Zwei Männer seien in dem Ort Solotschi nördlich von Charkiw ums Leben gekommen. (AFP, dpa, Reuters, A.B.)

Spannung vor Treffen der EU-Energieminister

Vor dem mit Spannung erwarteten Treffen der EU-Energieminister werden laut tschechischer EU-Ratspräsidentschaft vor allem zwei Vorschläge zur Begrenzung der sprunghaft gestiegenen Preise diskutiert. Diese sollten am Freitag auf den Tisch kommen, sagte der tschechische Industrieminister Jozef Sikela am Dienstag der Nachrichtenagentur CTK. Dazu würden nun Stellungnahmen der 27 EU-Staaten eingeholt. Zum einen wird den Angaben zufolge diskutiert, den momentan wegen fehlender russischer Lieferungen extrem hohen Gaspreis zu entkoppeln von Kraftwerken, die Strom aus Gas erzeugen. Zum anderen könnten Preise von günstigeren Produzenten wie Wind- und Solarparks oder Atom- und Kohlekraftwerken gedeckelt werden.