Atomexperten der Vereinten Nationen haben am Donnerstag ungeachtet anhaltender Kämpfe im Süden der Ukraine das von Russland besetzte AKW Saporischschja erreicht. Der Chef der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Rafael Grossi, erklärte anschließend auf Twitter, seine Behörde werde nun vor Ort präsent bleiben. Russische Behörden hatten dagegen im Vorfeld angedeutet, der IAEA-Einsatz solle nur einen Tag dauern. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte unterdessen, die Armee seines Landes greife russische Truppen an der gesamten Front an.
Grossi kündigte nach einem ersten mehrstündigen Aufenthalt an, seine Experten würden eine neutrale technische Begutachtung des Kraftwerkes vornehmen. „Wir gehen nirgendwo hin“, sagte er Reportern zum weiteren Vorgehen. „Die IAEA ist jetzt vor Ort, sie ist in der Anlage und wird nicht weggehen – sie wird dort bleiben.“ Der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Energoatom, Petro Kotin, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die IAEA-Mitglieder würden wohl bis Samstag bleiben. Kotin zufolge bemühen sich die ukrainischen Techniker, den fünften Reaktorblock von Saporischschja wieder in Gang zu bringen. Dieser war am Morgen nach einem Beschuss vom Netz genommen worden.
Lukoil-Chef stirbt nach Fenstersturz
Der russische Ölkonzern Lukoil hat den Tod seines Vorstandschefs Rawil Maganow bekannt gegeben. Maganow sei am Donnerstag an den Folgen einer „schweren Krankheit“ gestorben, teilte das Unternehmen mit, ohne nähere Angaben zur Todesursache zu machen. Lukoil war eines der wenigen russischen Unternehmen, die ein Ende der russischen Offensive in der Ukraine verlangt hatten. Die Nachrichtenagentur Interfax hatte unter Berufung auf eine „informierte“ Quelle gemeldet, der 1954 geborene Maganow sei aus einem Fenster des Zentralen Klinischen Krankenhauses in Moskau gestürzt und „an seinen Verletzungen gestorben“. In den vergangenen Monaten sind mehrere Führungskräfte russischer Energiekonzerne unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen.
Das AKW wird seit März von russischen Truppen besetzt gehalten, jedoch weiter von ukrainischen Technikern betrieben. Russland und die Ukraine machen sich gegenseitig für den anhaltenden Beschuss von Europas größtem Atomkraftwerk verantwortlich. Wegen der Angriffe gibt es Befürchtungen, dass es nach Tschernobyl zu einer neuen Atomkatastrophe in der Ukraine kommt.
Selenskyj will an der gesamten Front angreifen
Russland hatte am 24. Februar mit dem Einmarsch in die benachbarte Ex-Sowjetrepublik begonnen. Kurz darauf eroberte es große Teile der südlichen Ukraine. In den vergangenen Tagen starteten das inzwischen mit moderneren Waffen aus dem Westen ausgerüstete ukrainische Militär eine seit längerem angekündigte Gegenoffensive. Diese erstrecke sich nicht nur auf den Süden, sondern auch den Osten des Landes, sagte Präsident Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache. „Aktives militärisches Vorgehen findet jetzt entlang der gesamten Frontlinie statt: im Süden, in der Region Charkiw, im Donbass.“
Britischen Geheimdiensten zufolge hat die Ukraine ihre Offensive im Süden des Landes vorangetrieben. Panzerverbände hätten seit Montag an mehreren Frontverläufen Angriffe gestartet und dabei unter Ausnutzung von Schwachstellen in der Verteidigung die russischen Streitkräfte stellenweise etwas zurückgedrängt. Das Verteidigungsministerium in Moskau erklärte dagegen, russische Truppen hätten die ukrainischen Streitkräfte zurückgeschlagen. Berichte aus dem Kampfgebiet können unabhängig nicht überprüft werden.
Die Regierung in Moskau bezeichnet ihr Vorgehen als Spezialoperation mit dem Ziel, militärische Kapazitäten der Ukraine zu zerstören und als gefährlich eingestufte Nationalisten zu bekämpfen. Die Ukraine und ihre Verbündeten sprechen von einem Angriffskrieg, in dem inzwischen Tausende Menschen getötet wurden. Millionen sind auf der Flucht. (Reuters, AFP)
Manöver mit China und Syrien
Russland hat am Donnerstag großangelegte Militärmanöver zusammen mit China und weiteren Kreml-freundlichen Ländern gestartet. Die „Wostok-2022“ genannten Übungen sollen nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums bis zum 7. September im äußersten Osten Russlands und den Gewässern vor der Ostküste des Landes abgehalten werden. Nach Angaben des Ministeriums begann die aktive Phase der Manöver am Donnerstagmorgen unter anderem mit Übungen von Kampfflugzeugen und Minenräumungssimulationen im Japanischen Meer. Die Besatzungen der Kampfflugzeuge müssten das „Abfangen von Luftzielen“ trainieren und „Luftangriffe auf Bodenziele ausführen“, hieß es.
Nach Angaben Moskaus werden über 50.000 Soldaten und mehr als 5.000 Einheiten militärischer Ausrüstung, darunter 140 Flugzeuge und 60 Schiffe, an den Übungen teilnehmen. Zu den teilnehmenden Ländern gehören neben China noch weitere Nachbarländer Russlands sowie Syrien und Indien.
De Maart
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