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Der Fluch der BeliebtheitIn Mallorca gehen die Bewohner gegen den Massentourismus auf die Barrikaden

Der Fluch der Beliebtheit / In Mallorca gehen die Bewohner gegen den Massentourismus auf die Barrikaden
Urlauber auf Mallorca: 2022 könnte ein Rekordjahr werden Foto: dpa/Clara Margais

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Lange Staus auf den Zufahrtsstraßen zu Stränden und Ausflugszielen, Parkplatzchaos, Taximangel und jetzt auch noch Trinkwasserprobleme: Mallorca, die meistbesuchte Urlaubsinsel Europas, gerät diesen Sommer an ihre Grenzen. Die Nerven der Bewohner auch.

Urlauber, die auf Mallorca mit dem Auto unterwegs sind, fühlen sich in diesen Tagen oftmals wie im Berufsverkehr in der Heimatstadt. Statt in romantischer Einsamkeit auf den schönen Küstenstraßen der Insel finden sie sich im Stau wieder. Lange Blechkarawanen von Mietwagen schlängeln sich zum berühmten Naturstrand Es Trenc, zu den malerischen Orten Deià und Valldemossa oder zu populären Aussichtspunkten wie dem Kap Formentor im Norden der Insel.

Der Kolonnenfahrt folgt dann die aufreibende Parkplatzsuche. Mangels ausreichender Stellplätze werden Zufahrtsstraßen, Einfahrten und Rettungswege zugeparkt. Die Situation sei fürchterlich, klagt Lluís Apesteguia, der Bürgermeister des verwunschenen 700-Einwohner-Nestes Deià, das von Besucherlawinen buchstäblich überrollt wird. In Deià wohnen viele Künstler, Hollywoodstar Michael Douglas besitzt in der Nähe eine luxuriöse Finca.

Nicht genug Trinkwasser

Im Gemeindegebiet Deiàs liegt auch der Aussichtspunkt Sa Forada, der jeden Abend von Touristenmassen angesteuert wird, um dort den Sonnenuntergang zu genießen. Die Zufahrt über eine kurvenreiche und enge Panoramastraße ist traumhaft schön, kann aber bei viel Verkehr mit Gedrängel und ständigen Ausweichmanövern zum Albtraum werden. „Wenn wir nicht bald eine Lösung finden, wird es irgendwann ein Unglück geben“, sagt Bürgermeister Apesteguia.

Deià ist einer jener Orte Mallorcas, dem seine Beliebtheit zunehmend zum Verderben wird. Inzwischen musste, nach Monaten des Regenmangels, auch das Trinkwasser rationiert werden. Die Grundwasserbrunnen sind leer, der Ort muss mit Tankwagen versorgt werden. Das Füllen von Pools wurde verboten, Privatgärten dürfen nicht mehr gegossen werden. Bald könnte das Wasser stundenweise ganz abgestellt werden. Auch in anderen Inselorten wie in Campos, Artá, Sóller und Manacor wird das Wasser knapp.

Angesichts der Probleme auf der Insel fordert der regionale Umweltminister Miquel Mir, den Tourismus und die Bautätigkeit weiter zu zügeln. „Wir brauchen Mäßigung, eine Verringerung der Urlauberzahl und eine Reduzierung des urbanistischen Wachstums.“ Diese Debatte ist nicht neu. Die Inselregierung beschloss bereits in der Vergangenheit ein Moratorium, das die Bettenzahl auf 430.000 begrenzt. Zudem dürfen mittlerweile nur noch drei Kreuzfahrtschiffe pro Tag auf der Insel anlegen. Doch weil die Touristenzahl in den zwei Pandemiejahren 2020 und 2021 stark zurückging, verschwanden vorübergehend auch die Klagen über die Auswüchse des Massentourismus.

In diesem Sommer kehrten die Urlaubermassen zurück – und damit kamen auch die Probleme wieder zum Vorschein: Die Hotels waren im Juli und August nahezu ausgebucht. Weder der Ukraine-Krieg noch die galoppierende Inflation und noch das europäische Flugchaos konnten den Touristenansturm bremsen. „Nach den Covid-19-Einschränkungen gab es viel Lust auf Urlaub“, sagt María Frontera, Chefin des mallorquinischen Hotelverbandes.

Im ersten Halbjahr 2022 kamen 4,6 Millionen Urlauber. Damit hat Mallorca, verglichen mit 2019, nahezu wieder jene hohe Besucherzahl erreicht, die vor der Pandemie registriert wurde. Im Juli und August, traditionell die besucherstärksten Monate, kamen nach vorläufigen Angaben sogar mehr Touristen als 2019; im September geht, den Buchungen zufolge, der Höhenflug weiter. 2022 könnte ein Rekordjahr werden.

„Sonst sind wir am Ende“

Die Hoteliers freuen sich nach zwei mageren Jahren über klingelnde Kassen, doch in der Bevölkerung wächst der Unmut. Die lokale Umweltorganisation Terraferida rief die Kampagne „SOS Residenten“ ins Leben, um darauf aufmerksam zu machen, dass sich viele Einheimische vom Massentourismus erdrückt fühlen. „Die Überfüllung überschreitet alle Grenzen“, erklärt die Organisation. Es sei höchste Zeit, gegenzusteuern, „sonst sind wir am Ende“.

Es muss sich etwas ändern, findet auch der mallorquinische Fotograf Miquel Àngel Dora, der seit langem die Entwicklung der Insel grafisch dokumentiert: „Wenn wir Residenten uns nicht bewegen“, erklärte er im Inselfernsehen IB3, „sind wir dazu verurteilt, in der Hölle zu leben.“

El Arenal
28. August 2022 - 23.07

Lockdown. Was waren das für Zeiten. Aber solange man für einen Apfel und ein Ei nach Malle jetten kann,wird sich nichts ändern.