Noch hält Kanzler Karl Nehammer Kurs. „Wir müssen an den Sanktionen festhalten“, bekräftigte er Montagabend bei der Eröffnung des Europäischen Forums Alpbach. Doch er musste dabei schon Konzessionen an einen mächtigen Parteifreund machen: Berechtigt sei, so der ÖVP-Chef, die Frage, ob die Sanktionen Russland auch mehr treffen als die EU.
Genau diese Frage hat gerade der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer in den Raum gestellt. Dieser hält die Sanktionen zwar für „grundsätzlich richtig“, betont aber auch, dass nichts in Stein gemeißelt sei. „Die Sanktionen müssen immer auf eine Frage hin überprüft werden: Dienen sie hauptsächlich der Friedenserreichung oder schaden sie uns in der Mehrheit schon selber?“
Angst vor Wutwinter
Stelzer artikuliert grassierende Angst der Regierungsparteien vor einem Wutwinter mit Massenprotesten gegen die ökonomischen Kriegsfolgen. Zwar versucht die türkis-grüne Koalition, der Teuerungswelle mit im EU-Vergleich durchaus großzügigen Abfederungsmaßnahmen entgegenzuwirken, doch eine Verdreifachung des Gaspreises wird der Staat auf Dauer nicht komplett neutralisieren können. Und das Ende der Inflationsfahnenstange ist noch gar nicht erreicht. „Wir haben jetzt Sommer, niemand muss heizen. Das Thema Energie wird viel spürbarer werden, wenn dann wieder geheizt werden muss“, ahnt Stelzer Ungemach in der spätestens Ende Oktober beginnenden Heizperiode und rät: „Bevor es zu einer Situation kommt, dass wir uns selber unser Leben massiv beschädigen, dass der soziale Ausgleich ins Wanken kommt, müssen wir natürlich darüber nachdenken, ob diese oder jene derzeit wirksame Sanktion weiterbetrieben wird oder ob die Treffsicherheit noch verbessert werden muss.“
Ins selbe Horn stößt der Tiroler ÖVP-Chef Anton Mattle, der in einem Monat eine für seine Partei absehbar desaströs ausgehende Landtagswahl zu schlagen hat. Auch er befürwortet eine Evaluierung der Sanktionen. Zweifel an der Sinnhaftigkeit der gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine verhängten Strafmaßnahmen äußerte auch schon Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer, ebenfalls ein ÖVPler. Es sei eine politische Entscheidung gewesen, sich an die Seite der Ukraine zu stellen, „ich weiß nur nicht, ob es fertig gedacht war“.
Offen distanziert hat sich in der ÖVP von Stelzer nur einer: Othmar Karas. „Wer jetzt der Lockerung oder dem Ende von Sanktionen das Wort redet, … stärkt Putins Spaltungsstrategie und dessen barbarische Expansionspläne“, twitterte der Vizepräsident des Europaparlamentes. Und: „Wir haben in dieser Frage vor der Geschichte zu bestehen – nicht vor der nächsten Wahl.“
Welche Wirkung zählt?
Ob die Sanktionen als effektiv zu qualifizieren sind, ist eine Frage der Perspektive. Die bloßen Zahlen sprechen eine klare Sprache: Russland wird ohne Zweifel härter getroffen als die EU. Laut dem Wiener Außenministerium werde die russische Wirtschaft dieses Jahr um mindestens sechs Prozent schrumpfen. Die EU verzeichnet dagegen noch immer ein Wachstum, wenngleich sich das über den Winter ändern könnte. „Die Sanktionen wirken, jeden Tag ein Stück mehr“, hält das Außenministerium Kritikern entgegen.
Doch diese ökonomischen Wirkungen zeitigen höchst unterschiedliche Effekte. Während im autoritär geführten, aber auch weniger luxusverwöhnten Russland Volkszorn kein Thema ist, droht im Westen die Stimmung zu kippen. In Österreich halten sich Gegner und Befürworter der Sanktionen noch in etwa die Waage, doch der Unmut wächst. Und er wird wachsen, wenn die Preisexplosion noch mehr auf die Güter des täglichen Bedarfes durchschlägt. Damit ist zu rechnen. Denn eine Wirkung haben die Sanktionen bisher auf keinen Fall erreicht: ein Ende des Krieges.
Wind in FPÖ-Segel
Die FPÖ greift daher den von Stelzer gespielten Ball dankbar auf. Parteichef Herbert Kickl begrüßt die „Stimmen der ökonomischen Vernunft“ innerhalb der ÖVP und fordert eine Volksabstimmung über die Sanktionen sowie Verständnis auch für den Aggressor. Man müsse „auch die andere Seite verstehen“, sagt Kickl mit Verweis auf die Vorgeschichte des Konfliktes. Die Sanktionen würden Europa in eine Wirtschaftskrise treiben, warnt der FPÖ-Chef vor einem Winter ohne Versorgungssicherheit bei Erdgas. „Was ist dann los, wenn die Industrie strauchelt?“ Was dann los sein wird, weiß Kickl wohl schon: Die FPÖ wird sich an die Spitze des Protestes gegen Sanktionen und Teuerung stellen.
Der Wutwinter könnte brutale Realität werden. Nicht nur in Österreich …
De Maart
Oder de Leit sinn d‘Aaen opgangen, a se gleewen net méi alles wat se vun de Politiker an den Politesch gesteierten Medien vercklickert kréien….!
Die Solidarität schmilzt wie der Gletscher im Klimazonenwandel!