Mittwoch5. November 2025

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Ukraine-KriegAngriffe auf der Krim, Autobombe bei Moskau – Russland bekommt den Krieg immer stärker zu spüren

Ukraine-Krieg / Angriffe auf der Krim, Autobombe bei Moskau – Russland bekommt den Krieg immer stärker zu spüren
Ermittler am Ort der Explosion eines von Daria Dugina gefahrenen Autos außerhalb von Moskau – die Tochter des rechten Ideologen Alexander Dugin kam bei dem Anschlag ums Leben Foto: AFP/Russischer Untersuchungsausschuss

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Erneut gibt es Angriffe gegen militärische Stützpunkte Russlands auf der Krim. Die Menschen dort bekommen es langsam mit der Angst zu tun, immer mehr verlassen die Halbinsel. Moskau ist derweil geschockt von einem Autobombenanschlag. 

Mindestens acht Explosionen erschütterten in der Nacht zum Sonntag Sewastopol auf der seit 2014 russisch besetzten Halbinsel Krim. Laut Michail Raswoschajew, dem von Moskau eingesetzten Gouverneur, soll es sich um einen von der Luftabwehr abgefangenen Drohnenangriff gehandelt haben. Vermutlich galt er dem Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte, wie bereits die Drohne, die dort am Samstagmorgen abgeschossen wurde. „Die Luftabwehr ist aktiviert; ich rufe alle Einwohner zu Ruhe und Besonnenheit auf“, beschwichtigte Raswoschajew. Am Samstag waren in der Nähe des Hauptquartiers dicke Rauchwolken zu sehen, am Sonntag gelang es offenbar, Zerstörungen zu vermeiden.

Die Situation ist dennoch völlig neu für Russland, das sich acht Jahre lang sicher auf der im Frühjahr 2014 annektierten ukrainischen Halbinsel fühlte. Doch vor gut einer Woche wurde zuerst der Militärflughafen „Saki“ bei Jewpatorija angegriffen und dort rund ein Dutzend Kampfflugzeuge zerstört. Am Donnerstag folgte ein Angriff auf den Militärflugplatz „Belbek“ bei Sewastopol. Zuvor flog ein Munitionsdepot in Dschankoj, im Norden der Krim, in die Luft. Auch wurde die Stadt Kertsch unmittelbar vor der Krim-Brücke angegriffen. Am Samstag griffen mutmaßlich ukrainische Drohnen auch Militäranlagen bei Zaozerne vor der bei Touristen beliebten Badestadt Jewpatorija und vor Alupka an. Beide Angriffe wurden von der russischen Luftabwehr verhindert. 

Staus an der Krim-Brücke

Die Ukrainer wollen einstweilen weniger die Halbinsel selbst zurückerobern, als sich vielmehr den Rücken für die geplante Rückeroberung der an die Krim angrenzenden südukrainischen Oblast Cherson freischießen. Unter den Russen macht sich indes große Unsicherheit breit. Seit Tagen stauen sich die Autos vor der Krim-Brücke aufs Festland im Osten der Halbinsel. Auch haben auf russischen Immobilienplattformen die Angebote für Ferienwohnungen auf der Krim weit unter dem bisherigen Marktwert massiv zugenommen. Offenbar wollen Urlauber sowie auch Einheimische ihre Immobilien auf der besetzten Insel so schnell wie möglich verkaufen. Kiew hat bereits angekündigt, dass die Rückeroberung des russischen Urlauberparadieses ein Fernziel sei.

Selenskyj warnt vor verstärkten russischen Angriffen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat vor verstärkten russischen Angriffen rund um den ukrainischen Unabhängigkeitstag am Mittwoch gewarnt. „Russland könnte in der kommenden Woche etwas besonders Widerwärtiges und Gewalttätiges unternehmen“, sagte Selenskyj am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. In der Hauptstadt Kiew sind von Montag bis Donnerstag vorsorglich alle öffentlichen Versammlungen untersagt. In der zweitgrößten Stadt Charkiw wurde sogar eine Ausgangssperre verhängt.
Am 24. August erinnert die Ukraine an ihre Unabhängigkeit von der Sowjetunion vor 31 Jahren. In diesem Jahr blickt sie am Nationalfeiertag zugleich auf die sechs Monate seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar zurück. (dpa)

In Moskau machte indes am Sonntag weniger die Krim Schlagzeilen, sondern die Ermordung eines bekannten Polit-Prominenten. Am Samstagabend war nämlich die Kreml-treue Publizistin Daria Dugina bei einem Autobombenanschlag ums Leben gekommen. Laut einer russischen Polizeihypothese galt der Anschlag vermutlich ihrem Vater Alexander Dugin, einem der wichtigsten Ideologen Wladimir Putins. Vater und Tochter hatten zusammen das ultra-konservative Festival „Tradicja“ bei Moskau besucht, waren aber aus Sicherheitsgründen in zwei Autos zurück in die Hauptstadt gekehrt.

Wir haben damit überhaupt nichts zu tun, denn im Gegensatz zu Russland ist die Ukraine kein verbrecherischer und schon gar kein terroristischer Staat

Der Berater Selenskyjs zum Autobombenanschlag nahe Moskau

Laut der Online-Ausgabe der russischen Zeitung Kommersant war auch Vater Dugin an der Unglücksstelle und musste danach ins Spital abtransportiert werden. Der 60-jährige ultra-nationalistische Politiker und Philosoph hatte seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Heimholung der Ukraine nach Russland gefordert. Dugin ist der Begründer des Euro-Asiatismus, der weder für die Ukraine noch für Polen eine Daseinsberechtigung sieht. Russland müsse sich von der westlichen Zivilisation abschotten und alle Ex-Sowjetrepubliken und die einstigen sozialistischen Bruderländer unterordnen, fordert er.

Das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte wurde erneut von Drohnen angegriffen
Das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte wurde erneut von Drohnen angegriffen Foto: AFP

Zusammen mit seiner Tochter gilt Alexander Dugin als glühender Freund der so genannten „Spezial-Operation“ der russischen Armee gegen die Ukraine. „Dieser Krieg wurde vom ukrainischen Regime gegen den Donbass begonnen; Russland hat damit nichts zu tun, es führt den Krieg nun nur zu Ende“, sagte seine Tochter Daria Dugina Anfang März. Erst im Juni besuchte sie das zerstörte „Asovstal“-Werk in der russisch besetzten Hafenstadt Mariupol, um von dort ein Sieges-Selfie zu posten. Auch ist sie Mitautorin eines Buches über den Ukraine-Krieg.

Der russische Ideologe Alexander Dugin: Beobachter gehen davon aus, dass der Anschlag ihm und nicht seiner Tochter galt
Der russische Ideologe Alexander Dugin: Beobachter gehen davon aus, dass der Anschlag ihm und nicht seiner Tochter galt Foto: dpa/Mikko Stig

Laut dem pro-russischen Separatistenführer Denis Puschilin, dem „Staatspräsidenten“ der selbst ausgerufenen „Volksrepublik Donezk“, steht Kiew hinter der Autobombe auf Daria Dugina. Mychailo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hat dies umgehend von sich gewiesen. „Wir haben damit überhaupt nichts zu tun, denn im Gegensatz zu Russland ist die Ukraine kein verbrecherischer Staat und schon gar kein terroristischer Staat“, sagte er am Sonntag.

Antiwestlicher Hassprediger

Die USA, die Dugin auf ihrer Sanktionsliste haben, sehen den Ideologen als Ideenstifter des am 24. Februar von Putin befohlenen Einmarschs in die Ukraine. Der 60-Jährige hat, wie Journalisten in Kiew am Sonntag nach der Explosion berichteten, offen zur Tötung von Ukrainern aufgerufen. Und auch von seiner Tochter Darja ist dieser Satz überliefert: „Ukrainer sind Unmenschen!“ Dugin, der viele Bücher geschrieben hat, gilt als antiwestlicher Hassprediger und Kämpfer für die Idee einer slawischen Supermacht.
Die Explosion einer Autobombe nahe Moskau bringt Russlands Krieg für die Hauptstädter, die das Blutvergießen im Nachbarland weitgehend ausblenden, nun wieder ganz nah. Schon im April soll der wegen seiner Kriegshetze mit Sanktionen belegte Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow knapp einem Anschlag entgangen sein.
Beobachter meinten am Sonntag, dass die Schockwelle der Autobombe zumindest die bequeme Welt der Propagandisten, die sich bisher in Sicherheit wähnten, erschüttert. Dass eine in der Öffentlichkeit stehende Befürworterin des Kriegs gegen die Ukraine nun auf russischen Gebiet in der Nähe von Moskau demonstrativ getötet wird, gilt als beispiellos. (dpa)