„Wir sind in einer schwierigen Situation“

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Westeuropa ist keine Stahlregion mehr. Der Konsum lässt nach oder stagniert auf niedrigem Niveau. Fabriken und Hochöfen müssen mit Schließungen und mit Kurzarbeit rechnen.

Die lothringische Stahlstadt Florange muss sich darauf einstellen, dass es im vierten Quartal und damit rund um Weihnachten Kurzarbeit geben wird. Etwa 600 der 3.000 Mitarbeiter sollen dann mehr Freizeit bekommen. Das kündigten die Gewerkschaften in Lothringen nach einer gemeinsamen Sitzung mit dem Vorstand des Stahlwerkes an.

Florange ist dabei nicht der einzige Standort, der von der nachlassenden Konjunktur getroffen wird. Der belgische Standort Fontaine-L’Evêque produziert derzeit überhaupt nicht und soll bis 2012 geschlossen bleiben. Und in Luxemburg werden die Standorte Schifflingen und Rodange, die Verluste produzieren, nur künstlich am Leben gehalten.

„Wir sind in einer schwierigen Situation“, erklärte der für Langstahlprodukte zuständige Generaldirektor des Unternehmens, Michel Wurth, in einem Interview mit der Wirtschaftszeitschrift Paperjam. Das Interview soll am 15. September 2011 veröffentlicht werden. Paperjam veröffentlicht große Teile bereits vorab im Internet.

Der Hochofen P3 ist im Sommer dieses Jahres stillgelegt worden. Wurth kündigte an, dass er so schnell auch nicht wieder angeblasen werden wird. Mindestens bis Ende des Jahres werde sich an der Situation nichts ändern. Wurth: „In Florange arbeitet ein Hochofen. Man wird später sehen, wie der Markt sich entwickelt.“

Nachfrage zurückgegangen

In Florange ist allerdings nicht nur die Roheisen-Produktion zurückgefahren worden. Schwierigkeiten gibt es auch im Bereich der Verpackung. Das sei eine direkte Folge des Wetters in diesem Jahr, sagte Wurth. Da die Ernten überall schlechter gewesen seien, sei auch die Nachfrage nach Metallverpackungen, sprich Konserven, zurückgegangen.

Die Auslastung in den Fabriken in Luxemburg hinge von den Produkten ab. Sie sei gut in Belval und in Differdingen, wo man Spundwände und schwere Träger herstelle. Sie führe zu Verlusten in Schifflingen und in Rodange, wo Massenware hergestellt werde, die nicht konkurrenzfähig sei. In Düdelingen produziere man den technisch hochwertigsten Stahl. Dort sei man zufrieden.

Eine Repositionierung der Fabriken in Rodange und in Schifflingen sei nicht möglich, sagte Wurth gegenüber Paperjam. „Wir müssten die Fabriken völlig neu bauen. Es stellt sich aber die Frage, ob es in Europa überhaupt einen Markt für neue Produkte gibt.“

Krise des alten Kontinents

Der europäische Stahlmarkt liege heute um 20 bis 25 Prozent unter der Nachfrage von vor der Finanzkrise des Jahres 2008. „Wir haben Probleme mit Überkapazitäten“, sagte Wurth.

Das variiert von einem Land zum anderen. Für Frankreich bedeutet das derzeit die Stilllegung von Einheiten. Die Luxemburger Stahlindustrie ist weitgehend auf die Bedürfnisse der Bauindustrie ausgelegt. Genau da aber gibt es eine weltweite Krise. Und was sich hier andeutet, ist nicht dazu geeignet, die Situation zu verbessern. Wurth geht davon aus, dass es im vierten Quartal 2011 eine Verlangsamung der Konjunktur geben wird mit zusätzlicher Auswirkung auf die Auslastung der Fabriken. Im vierten Quartal rechne man mit einem Rückgang der Nachfrage und mit einem Vertrauensverlust der Verbraucher.

Andere Krise

Die Krise, in der man sich derzeit befinde, sei eine andere als im Jahre 2008. Damals habe man sich darauf verlassen können, dass es Infrastruktur-Maßnahmen der Regierungen geben würde. Heutzutage sei dies auszuschließen. Die Regierungen seien in eine Phase eingetreten, wo Ausgaben auf Kredit eingestellt würden und Haushaltssanierungen an der Tagesordnung seien.

„Im Jahre 2008 hatten wir eine Blase bei den Vorräten, die geplatzt ist. Jetzt gibt es sie nicht. Weltweit gesehen können wir keine Senkung der Rohstoffpreise beobachten. Eisenerz ist teuer, Kohle bleibt teuer, genauso wie der Schrott. Die Krise, die wir heute haben, ist im Gegensatz zu 2008 eine Krise des alten Kontinents und keine weltweite.“