Alfi-Generaldirektor Thommes: Luxemburg ist gut positioniert

Alfi-Generaldirektor Thommes: Luxemburg ist gut positioniert
Camille Thommes: Die Stimmung in der Branche ist gut, aber die Konkurrenz wird schärfer. Gleichzeitig nimmt die Tendenz, Märkte abschotten zu wollen, zu.

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Noch vor Jahren wurde die Industrie der Vermögensverwalter als eine Art Anhängsel der Bankenwelt gesehen. Mittlerweile jedoch ist sie einer der wichtigsten Bereiche des Finanzplatzes – und somit auch der Luxemburger Wirtschaft. Das Tageblatt hat sich mit Camille Thommes, Generaldirektor des Investmentfondsverbandes Alfi, über die Branche und ihre Zukunft unterhalten.

Tageblatt: Das Geldvolumen, das von Luxemburger Fonds verwaltet wird, liegt nun bei deutlich über 4.000 Milliarden Euro. Handelt es sich um eine Branche, die boomt?

Camille Thommes: Wir können nicht klagen. Letztes Jahr ist das in Luxemburg verwaltete Geldvolumen um fast zwölf Prozent gewachsen. Das sind rund ein Drittel aller Gelder, die letztes Jahr in Europa in Fonds investiert wurden. Das hat unsere Positionierung weiter gestärkt. Und was uns positiv stimmt, ist, dass rund die Hälfte dieses Zuwachses nicht an den Märkten erwirtschaftet wurde, sondern auf neue Investitionen durch Anleger in die Fonds zurückzuführen ist. Im aktuellen Umfeld mit den niedrigen Zinsen sind zudem viele Kunden auf der Suche nach Rendite. Und ein Teil ihres Ersparten investieren sie deshalb in Fonds.

Und es herrscht Optimismus für die Zukunft?

Wir sind vorsichtig optimistisch. Die drei wichtigsten Standbeine des Investmentfondsplatzes werden wir weiter ausbauen. Es sind dies die Publikumsfonds mit einem europäischen Pass (Ucits), die alternativen Fonds und der Bereich der Nachhaltigkeit. Vor allem im letztgenannten Bereich versucht der ganze Standort und auch die Regierung, das ganze Land zu positionieren. An „Green Finance“ arbeiten beispielsweise LuxFlag (Red.: Labelling-Institut) sowie die Luxemburger Börse. Aus „sozial verantwortlichem Investieren“ und aus der Finanzierung des Kampfes gegen den Klimawandel wird etwas Ganzes. Auch die Europäische Union interessiert sich dafür. Sie möchte das Thema Nachhaltigkeit konsequent fördern. Das Segment wird weiter wachsen. Die ehemalige Nische erhält eine breitere Basis.

Wie „grün“ oder „sozial verantwortlich“ sind die Fonds, die sich so nennen, wirklich?

Ein Problem ist, dass es unterschiedliche Definitionen gibt. Was ist grün? Was ist „sozial verantwortliches Investieren“? Auch in einem rezenten Bericht wurde festgehalten, dass einheitliche Definitionen wünschenswert wären. Es gibt die UN-Prinzipien – aber halt noch kein homogenes Konzept. Die EU-Kommission hat sich nun des Themas angenommen und arbeitet an einem einheitlichen Regelwerk.

Es handelt sich um eine Industrie im Wandel. Was sind die Chancen und was die Herausforderungen?

Die Industrie befindet sich in einem konstanten Wandel. Davor ist unser Sektor nicht immun. Brexit, neue Regeln, Technologie … es kommen massive Veränderungen auf uns zu. Davon sind sowohl der Vertrieb als auch die Organisation betroffen. Es gibt beispielsweise die Robo-Berater – oft sehr standardisierte Produkte, die weniger Beratungskosten mit sich bringen. Vielleicht werden in Zukunft Umschulungen von Mitarbeitern notwendig. Das betrifft aber alle Branchen.
Es ist in unserem Interesse, nicht widerstrebend zu sein und mit der Zeit zu gehen. Sonst riskiert man von der Entwicklung überholt zu werden.

Stichwort „value for money“. Erhalten die Käufer von Investmentfonds genug für ihr Geld?

Die Auswahl an Fonds und an Investitionsstrategien ist wirklich sehr groß. Von Aktien über Anleihen bis hin zu Mischungen. Schlussendlich geht es darum, den richtigen Fonds für den Investor zu finden. Dafür soll dieser auf das Wissen von seinen Beratern zurückgreifen. Europaweit gibt es 30.000 Fonds. Manche haben eine gute Entwicklung, andere weniger.

Bleiben die aktiv verwalteten Investmentfonds attraktiv? Die Fonds, die einfach nur einem Index (ETFs) folgen, scheinen schneller zu wachsen …

In den letzten Jahren sind die Börsen stark gestiegen. Damit gewinnen Indexfonds an Attraktivität. Da sie nur einem Index folgen, bringen sie eine interessante Rendite. Das macht es schwieriger für manche aktive Manager.

Luxemburg ist sehr stark was aktiv verwaltete Investmentfonds angeht. Wie sieht das bei ETFs aus?

Es ist ein Markt, bei dem wir versuchen, uns zu positionieren. Wir sind nicht die Nummer eins. Das ist Irland. Wir behaupten uns nicht schlecht – sind die Nummer zwei. Wir müssen jedoch weiter daran arbeiten. Wir müssen noch an einigen Schrauben drehen, damit wir den Zug nicht verpassen. In diesem Bereich sind Kosten und Steuern sehr wichtig. Da geht es um Basispunkte. Das sind Hundertstel von einem Prozent. Auch Doppelbesteuerungsabkommen spielen eine Rolle.

Brexit und die Folgen …

Wir haben starke und gute Beziehungen mit London. Und das bereits seit Jahrzehnten. 17 Prozent des in Luxemburg verwalteten Fondsvermögens stammen von britischen Akteuren. Es sind große britische Akteure mit Hunderten Mitarbeitern hier vertreten. Wir wünschen uns eine pragmatische Lösung. Kurzfristig geht es um die Menschen und Akteure, die nun neu nach Luxemburg kommen. Mittel- und langfristig … da hängt alles von dem Brexit-Deal ab, der ausgehandelt werden wird.
Die EU-Kommission rät den Akteuren, sich auf das schlimmste Ergebnis vorzubereiten. Die Firmen und die Produkte werden ihren Ucits-Pass verlieren. Das könnte schlussendlich auch Luxemburger Fonds in Großbritannien schaden.

Wie entwickeln sich die Marktanteile der Luxemburger Fonds in den verschiedenen Weltregionen?

Das Großherzogtum ist der zweitwichtigste Fondsstandort weltweit – nach den USA. Und was Fonds angeht, die grenzüberschreitend verkauft werden, ist Luxemburg die Nummer eins. Im Schnitt halten Luxemburger Fonds in Drittländern einen Marktanteil von zwei Drittel aller ausländischen Fonds, die dort akzeptiert werden. Aber das schwankt von Jahr zu Jahr.

In Hongkong und Taiwan beispielsweise legt die Konkurrenz stark zu. Unser Marktanteil schrumpft oder stagniert. Viele Gesellschaften nutzen Hongkong als Eintrittstor nach China.
In Südamerika ist die Lage positiv stabil. In Brasilien dürfen große institutionelle Investoren heute mehr ausländische Produkte kaufen. In Chile dürfen Pensionsfonds nun Gelder in alternativen Fonds (AIFM) anlegen. Auch Mexiko spielt mit der Überlegung, den Markt weiter zu öffnen. Das alles bietet neue Möglichkeiten für uns.

Ein neues Regelwerk aus Europa bereitet der Branche große Sorgen …

Der Ursprung der Diskussion ist auf den Brexit zurückzuführen. Die europäische Aufsichtsbehörde ESMA hatte eine Meinung zum Thema geäußert, wie man mit Anfragen aus, beispielsweise Großbritannien, umgehen solle. Später folgten dann die Details, mit dem Thema „Delegation“ (Red.: Auslagern von gewissen Tätigkeiten in Nicht-EU-Mitgliedstaaten) und eine Diskussion mit der EU-Kommission. Am Ende des Jahres machte die EU-Kommission dann ihren Vorschlag für die Zukunft. Alle drei europäischen Aufsichtsbehörden (ESMA, EBA und EIOPA) sollen mehr Macht erhalten.
Überraschend waren die Definitionen zum Thema Delegation in Nicht-EU-Staaten (Red.: Die müssen sich künftig bei der ESMA in Paris akkreditieren). Das sorgte für Aufregung. Wir stehen dem sehr kritisch gegenüber.

Es wurde eine Lösung für ein Problem gefunden, das überhaupt nicht existiert. Seit nunmehr 30 Jahren lagert die Fondsindustrie Tätigkeiten in Kompetenzzentren aus. Es ist ein erfolgreiches Modell. Es gab in den 30 Jahren keine Fehlschläge. Im Gegenteil: Es war ein gutes, offenes Modell für die Industrie. Es machte die EU attraktiv – auch für Firmen von außerhalb.

Und wie geht es jetzt weiter?

Die EU-Kommission hat ihr Papier auf den Tisch gelegt. Die Industrie hat zum Teil sehr kritisch darauf reagiert. Es gibt mehr als 50 offizielle Stellungnahmen auf der Webseite. Jetzt beschäftigen sich auch noch der Europäische Rat und das EU-Parlament damit. Wir müssen abwarten, zu welchen Schlussfolgerungen die kommen. Wir reden aber aktiv mit und erklären unseren Standpunkt.

Wie schlecht ist die neue Regel für den Fondsplatz Luxemburg?

Es ist kein spezifisch luxemburgisches Problem. Das aktuelle offene Modell hat viel zum weltweiten Erfolg der europäischen Ucits-Fonds beigetragen. Jetzt wird sich der administrative Prozess verlängern. Zur nationalen Regulierungsebene kommt nun noch die europäische Überwachung hinzu. Das verursacht zusätzliche Kosten. Die Wettbewerbsfähigkeit und die Attraktivität der gesamten europäischen Fondsindustrie wird leiden. Die Lust, neue europäische Fonds aufzulegen, kann zurückgehen. Das Angebot an Fonds kann schrumpfen. Das alles kann doch nicht im Interesse des Investors sein.

Derzeit macht eine Fernsehserie (Bad Banks) über das Benehmen von Investmentbankern von sich reden. Haben Sie die Serie gesehen?

Ich habe die Serie nicht gesehen. Hier in Luxemburg bieten wir ja ganz viele Finanzdienstleistungen an – aber jedoch kein Investment Banking.

In Luxemburg werden viele Investmentfonds verwaltet. Die Experten, die die Investmententscheidungen treffen, sitzen jedoch oft in anderen Ländern. Verändert sich das?

Im Rahmen des Brexit bauen ein Reihe Vermögensverwalter ihre Büros in Luxemburg aus. Sie bringen mehr Kompetenzen nach Luxemburg. Die Verwaltung des Portfolios (Red.: die Investmententscheidungen) treffen sie aber am liebsten dort, wo ihre Kompetenzzentren sind … und im jetzigen europäischen Modell ist das nahe bei den jeweiligen Finanzmärkten. Im alternativen Bereich (AIFM) hingegen sind auch eine Reihe Manager in Luxemburg tätig. Vor allem bei Immobilien- und Risikokapitalfonds.

Eine Schlussfolgerung?

Wir sind zufrieden. Das letzte Jahr ist gut gelaufen. Wir sind vorsichtig optimistisch. Aber die Konkurrenz wird schärfer. In Asien und Südamerika versuchen Länder, sich zusammenzuschließen und die europäische Ucits-Erfolgsgeschichte in ihrer Region nachzuahmen. Gleichzeitig nimmt die Tendenz, Märkte abschotten zu wollen, zu. Das ist keine gute Entwicklung für unser Land. Der Himmel ist also nicht ganz ohne Wolken. Wir müssen die Herausforderungen angehen, um weiter so ein starker Sektor zu bleiben. Das ist wichtig für das ganze Land. Immerhin zahlen wir erheblich Steuern. Letztes Jahr dürften es weit mehr als eine Milliarde Euro gewesen sein. Das wird oft vergessen. Das gilt es zu wahren und zu pflegen.

Oft wird die Finanzwelt als notwendiges Übel gesehen. Aber sie ist wichtig für die gesamte Luxemburger Wirtschaft. Die hier eingenommenen Erträge werden genutzt, um das Land zu diversifizieren. Ohne Finanzplatz könnten wir uns vieles nicht leisten.