„Verantwortung liegt beim Sportler“

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Am Mittwoch wird das viel erwartete Urteil im Fall Frank Schleck verkündet. Zusammen mit dem Doping-Fachmann Professor Fritz Sörgel versucht das Tageblatt, die verschiedenen Bestandteile dieser Affäre zu beleuchten.

Professor Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg, hat den Bericht von Hans Geyer (siehe „T“ vom 16. Januar 2013) gelesen. „Handwerklich“ sei der Bericht, den die nationale Anti-Doping-Agentur ALAD in Auftrag gegeben hatte, in Ordnung.

Sörgel stellt sich aber Fragen, wenn die Dosierung der Substanz, Xipamid, diskutiert wird. Dies sei nicht zielführend. Denn „wenn wir jetzt die ’strict liability‘ abschaffen, dann fangen wir im Dopingkampf wieder von vorne an. Wir haben gelernt, dass Sportler nicht unbedingt rational denken: Landis, Mühlegg, Stefan Schumacher, Kohl und viele andere Beispiele. Es stellt sich nur die Frage: Ist ein Fremdkörper vorhanden oder nicht? Alles andere führt ins Nichts.“ Er führt das Beispiel Dieter Baumann an. Der deutsche Leichtathlet wurde 1999 positiv auf Nandrolon getestet. Seine Verteidigungsstrategie war eine doch sehr fantasievolle: Das Nandrolon sei in seiner Zahnpasta gewesen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband sprach Baumann frei, der Internationale Verband nicht und sperrte den Deutschen. „Die Hypothese der Zahnpasta interessiert uns nicht.“

Mit „strict liability“ meint der Professor die Regel, dass der Sportler dafür verantwortlich ist, was in seinen Körper gelangt: „Es stellt sich nur die Frage, ob ein Fremdstoff gefunden wurde oder nicht. Xipamid gehört nicht in einen Sportlerkörper. Es ist nicht die Aufgabe eines Gutachters, die Frage der Dosis zu beantworten.“ Professor Sörgel weiß natürlich auch, dass diese Regel ihre Tücken birgt: „Ich weiß, es ist hart. Und es kann zu Ungerechtigkeiten kommen. Aber der Sportler ist für seinen Körper verantwortlich.“

Seltenes Diuretikum

Xipamid ist bekanntlich ein Diuretikum, das bei Patienten mit Bluthochdruck eingesetzt wird. Durch die Flüssigkeits- und Mineralienausscheidung kann der Bluthochdruck gesenkt werden. „Warum sollte ein gesunder Mensch Xipamid nehmen?“, fragt sich Fritz Sörgel, der seine Doktorarbeit über eine Diuretikum-Gruppe, u.a. Xipamid, geschrieben hat.

Wie Geyer schließt auch Sörgel eine Verunreinigung von Nahrungsergänzungsmitteln eher aus. Xipamid ist ein seltenes Diuretikum, das „wahrscheinlich nur von drei, vier Firmen weltweit chemisch hergestellt wird. In rauen Mengen ist es nicht vorhanden, auch wenn man es in einer Apotheke sicherlich innerhalb eines Tages erhalten kann, auch in Deutschland, Frankreich oder Luxemburg. Darum gibt es keinen Schwarzmarkt für dieses stinknormale Mittel. Also auch keinen Grund, dass es irgendwo in Nahrungsergänzungsmitteln auftauchen sollte.“

Xipamid ist auch nicht im Entferntesten ein körpernaher Stoff. Das Diuretikum bleibt während 12 bis 18 Stunden wirksam; nachweisbar bleibt es während ungefähr 72 Stunden.

Keine Erklärung

Eine Erklärung, wie das Mittel in den Körper von Frank Schleck kam, hat der Doping-Experte nicht. Und was er damit bewirken wollte, auch nicht. Die Verschleierungstaktik ist seiner Meinung nach natürlich möglich. Will heißen, Frank Schleck hätte sich Tage vor der positiven Dopingprobe mit einem anderen illegalen Mittel Vorteile verschaffen wollen. Und dies dann – eventuell im Wissen einer anstehenden Dopingprobe – mit dem Xipamid verschleiern wollen.

Der Versuch, ein ganz selten eingesetztes Diuretikum zu verwenden, läge auf der Hand, weil das vielleicht nicht leicht nachweisbar wäre. Dann hätten sich die dafür Verantwortlichen aber kräftig getäuscht, es ist auch in geringsten Konzentrationen nachweisbar.

Für den Deutschen ist klar, wie das Urteil lauten müsste: „Eigentlich müsste man ihn für zwei Jahre sperren. Sonst machst du Tür und Tor auf. Dann sind wir wieder am Ausgangspunkt im Dopingkampf. Frank Schleck hat keine Gegenthese präsentiert. Ich vergleiche nicht gerne, aber Contador hatte auch Thesen und keine Beweise. Die Sache mit dem Steak hat ihm auch keiner geglaubt.“