„Die Tour ist kein Junioren-Rennen“

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Andy Schleck wiederholte am Montag während des zweiten Ruhetages seinen Wunsch, in Paris ganz oben in Gelb zu stehen.

In einem Tageblatt-Gespräch erklärt Andy Schleck, weshalb die Pyrenäen noch keine (Vor-)Entscheidung brachten und vor wem er und sein Bruder sich in Acht nehmen müssen, was in den Alpen zu tun ist und welchen Vorsprung er sich für das Einzelzeitfahren am Samstag wünscht.

Tageblatt: Andy, wer ist der Stärkere von euch beiden, du oder dein Bruder Frank?

Andy Schleck: „‚Et kann nëmmen ee ganz uewe stoen.‘ Unsere Stärke ist, dass wir zu zweit sind. Ich weiß nicht, wer der Bessere ist und wie es weitergeht.“ (Einem deutschen Sender sagte Andy Schleck: „Ich weiß es, werde es Ihnen aber nicht sagen.“) „Wir sind nicht hier, um Zweiter und Dritter zu werden. Einer muss ganz oben stehen, und wenn der andere 20. oder 30. wird, spielt das keine Rolle. Wir wissen beide, dass dieser Punkt irgendwann kommen wird. Ich habe keine Angst davor. Jeder erwartet von mir, die Tour zu gewinnen, aber ich habe noch viele Jahre vor mir, in denen ich die Tour gewinnen kann. Mein sportlicher Traum ist es, die Tour zu gewinnen. Es muss aber nicht dieses Jahr sein. Meine Chancen stehen sehr gut, dass es dieses Jahr sein kann … Franks Chancen auch. Mehr kann ich euch nicht sagen.“

Du hast stets betont, dass die Alpen die Entscheidung herbeiführen werden.

„Ich spüre mich von Tag zu Tag besser. Ich habe mich für die Alpen vorbereitet, es war das, was ich von Beginn an im Kopf hatte. Ich sagte mir, die Pyrenäen sind schwer … wie viele Bergetappen hatten wir im Endeffekt? Zwei Zielankünfte in der Höhe mit Luz-Ardiden, wo es sehr schwer war. Es war die erste, die Fahrer waren noch frisch. Dann der Plateau de Beille, ein Berg, ‚deen uewen um grousse Plateau gefuer gëtt a wou d’Loft e grousse Facteur spillt an dee keng Decisioun erbäigefouert huet.‘ Das wussten wir. Bislang haben wir den großen Kampf der Favoriten noch nicht gesehen. Fünf oder sechs Fahrer können noch die Tour gewinnen. Die Alpen entscheiden die Tour, und ich bin bereit.“

Ist in den Alpen mit dem Galibier und der Alpe d’Huez das gleiche Szenario zu erwarten wie in den Pyrenäen mit Luz-Ardiden und dem Plateau de Beille?

„Nein, das nehme ich nicht an. Ich habe mir die Etappe nach Gap (Dienstag, d. Red.) angesehen mit dem Col de Manse, wo es am Ende sehr stark hoch geht. Aber das Gefährlichste ist die Abfahrt. Meiner Meinung nach muss man kein solches Finale machen. Es kann dort immer zu Stürzen kommen. Und dann die Etappe nach Pinerolo, eine schwere Etappe. Ich kann die ASO nicht verstehen, die solch eine Zielankunft einbaut. ‚C’est ridicule‘. Sollte es regnen, sehen wir weitere Fahrer im Krankenhaus. Das ist praktisch ein Fahrradweg in einem Waldgebiet. Ich bin ihn dreimal im Training gefahren. Ich hoffe, die Tour wird nicht dort durch einen Sturz entschieden. Die Tour, das sind die Berge.“

Vor Jahren hätte jeder davon geträumt, zu Beginn der letzten Tour-Woche zwei Fahrer als Zweiter und Vierter in der Gesamtwertung zu haben. Jetzt erwartet jeder, dass einer von euch beiden die Tour gewinnt. Wie vernehmt ihr diesen Druck?

„Wir haben uns die Latte selbst so hoch gelegt mit unseren Resultaten der letzten Jahre. Ich bin froh, dass ihr das so sagt, damit die Leute verstehen, dass … Die Tour de France ist kein Junioren-Rennen. Hier ist die Champions League, hier sind die Weltbesten. Vierter und Zweiter sind sehr gute Platzierungen, vor Jahren hätten wir so ein Resultat unterschrieben. Ich bin mir bewusst, dass, wenn ich in Paris Zweiter werde, gesagt wird: ‚Den Andy huet den Tour verluer.'“

Weshalb habt ihr nicht bereits in den Pyrenäen den Knockout gesucht?

„Vielleicht wollten wir den K. o. noch nicht, weil es sehr früh gewesen wäre in der Tour. Das Gelbe Trikot gilt es in Paris zu haben, nicht eine Woche vorher. Letztes Jahr hatte ich es eine Woche vorher, und ich hätte sehr gerne, dass sich das dieses Jahr ändert.“

Welche Taktik habt ihr für das Ende der Tour?

„Der Bessere von uns beiden wird angreifen. Wir wissen, dass wir die Tour nicht gemeinsam das gleiche Jahr gewinnen können. Ich mag es, spontane Entscheidungen zu treffen. Natürlich diskutieren Frank und ich über ein mögliches Szenario vor jeder Etappe, aber die Entscheidung wird immer erst spontan genommen. Und falls ich etwas verspüren sollte, dann glauben Sie mir, werde ich eine Entscheidung nehmen. Oder mein Bruder.“

Wie schätzt du deine Gegner ein?

„Diese Frage muss sich jeder selbst stellen. Ich bin in den Pyrenäen nie hinten gefahren, ich habe mich nicht damit begnügt, die anderen zu beobachten. Ich habe in den beiden schweren Etappen angegriffen. Wenn Alberto (Contador) die Tour gewinnen will, und das will er, dann muss er angreifen. Samuel Sánchez ist ein anderer ernst zu nehmender Kandidat, und auch vor Ivan Basso müssen wir uns in Acht nehmen.“

Ivan Basso hat gesagt, er verstehe eure Taktik nicht und dass es euch nicht gelungen sei, Contador zu isolieren.

„Ivan hat das so nicht gesagt. Ich habe gestern (Sonntag, d. Red.) mit ihm gesprochen, und er hat mir gesagt, seine Wörter seien verdreht worden. Das Gespräch wurde nämlich in Englisch geführt, und sein Englisch ist nicht wirklich gut.“

Profitiert Thomas Voeckler derzeit davon, dass ihr von euren Konkurrenten neutralisiert werdet?

„Er überrascht mich. Man hört immer: Das Gelbe Trikot verleiht Flügel. Thomas ist hierfür das perfekte Beispiel. Er fährt stark, eine super Tour für das französische Publikum, und das ist auch gut so. Er ist ein netter Kerl. Ich sehe ihn aber nicht in Gelb in Paris stehen. In den Alpen werden die Richtigen ganz vorne sein. Und das Zeitfahren ist auch nicht seine Spezialität, auch wenn Gelb einen schneller fahren lässt. Eines ist sicher, wir werden ihn nicht in einer Ausreißergruppe fahren lassen.“

Was für einen Vorsprung bräuchtest du vor dem Einzelzeitfahren am Samstag in Grenoble?

„30 Sekunden könnten reichen, mit einer Minute dreißig wäre ich zufriedener. Aber ich bin mir sicher, ein gutes Zeitfahren abzuliefern. Im Kopf bin ich bereit zu fahren, bis ich vom Fahrrad falle.“