„Canci“ zum 4. oder Boonen zum 5. Mal?

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RADSPORT - Nach seinem Erfolg bei der "Ronde van Vlaanderen" geht Fabian Cancellara am Sonntag als ganz großer Favorit an den Start von Paris-Roubaix.

Seine schärfsten Rivalen sind dieselben wie vor einer Woche auf den belgischen Pavés. Zum Peloton der 200 Fahrer gehört als einziger Luxemburger erstmals auch Jempy Drucker.

Jempy Drucker: zum zweiten Mal nach der „Ronde“ von „T“-Radsportexperte Petz Lahure mit einem Favoriten-Stern bedacht. (Bild: Tageblatt-Archiv / Marcel Nickels)

Im Vorfeld von Paris-Roubaix, das am Sonntag zum 112. Mal ausgetragen wird, sind alle Augen auf Fabian Cancellara gerichtet. Der 33-jährige Schweizer (geb. am 18.3.1981 in Wohlen) hat den Klassiker bereits dreimal gewonnen (2006, 2010, 2013) und vor 12 Monaten als zweiter Fahrer zum zweiten Mal nach 2010 das Doublé „Ronde-Roubaix“ geschafft. Im Jahr zuvor hatte Tom Boonen dieses Kunststück als erster fertiggebracht.

Cancellaras neuestes Ziel ist das doppelte „Doublé“, d.h. in zwei aufeinanderfolgenden Jahren die „Ronde“ und Paris-Roubaix zu gewinnen. Das wäre eine Premiere. Drei Doublés desselben Fahrers hat es auch noch nie gegeben. Im Falle eines Sieges würde „Canci“ gleichzeitig zu den Rekordhaltern Roger De Vlaeminck/B (1972, 1974, 1975, 1977) und Tom Boonen (2005, 2008, 2009, 2012) stoßen, die Paris-Roubaix bereits viermal erfolgreich beenden konnten.

Cancellara jedenfalls hofft auf einen weiteren glanzvollen Ritt über die „Pavés“. Paris-Roubaix, „la dernière folie du cyclisme“ – wie der frühere Tour-Direktor Jacques Goddet zu sagen pflegte – aber ist kein Rennen wie all die anderen. Auf dem langen Weg vom Start in Compiègne bis ins Ziel im Velodrom von Roubaix müssen die Konkurrenten nicht weniger als 28 „Pavé“-Sektoren (51,1 km) hinter sich bringen, ehe der Sieger gekürt werden kann.

„Trouée“ und „Arbre“

Kernstück ist dabei die „Tranchée (oder Trouée) d’Arenberg“ (Sektor 18), die 2004 wegen extremer Gefährlichkeit aus dem Streckenplan verschwunden war, nach einer gründlichen Säuberung aber schon ein Jahr danach wieder für gut befunden wurde.

Auf den 2.400 m Pavé, die bei km 161,5 km auf Cancellara und seine gefährlichsten Konkurrenten warten, wurden wie üblich einige Teile ersetzt und blitzblank geputzt. Von den Witterungsverhältnissen hängt es vornehmlich ab, wie groß die Gefahr ist, die auf die Fahrer lauert. Für Sonntag ist Sonne und ein zeitweise bedeckter Himmel, aber kein Regen angesagt.

Weil nach der „Trouée dArenberg“ immerhin noch fast 100 km mit 17 „Pavé“-Sektoren verbleiben, ist kaum anzunehmen, dass die Entscheidung schon dort fallen wird. Viel eher in Frage kommt dafür der „Carrefour de l’Arbre“ bei km 240 (2.100 m Kopfsteinpflaster). Hier legten sowohl schon Fabian Cancellara als auch Tom Boonen den Grundstein zu ihren Erfolgen.

Neun für die Tour

Was seit Jahren für die „Trouée“ gang und gäbe ist, gilt seit 2010 auch für den „Carrefour“. Er wird wie verschiedene andere Sektoren mit Barrieren abgesichert, so dass die Fahrer ungehindert passieren dürften. Einige der Pavé-Abschnitte wie diejenigen von Haussy (800 m) und Saulzoir (1.200 m) wurden nach zehn Jahren erstmals wieder in Paris-Roubaix eingebaut. Nicht so lange (zwei Jahre) musste der Sektor in Famars (1.200 m) auf seine Reintegrierung warten.

Interessant ist auch, dass neun Kopfsteinpflaster-Abschnitte von Paris-Roubaix zur 5. Etappe der nächsten Tour de France gehören (insgesamt 15,4 km). Im Juli werden die Pavés aber teilweise aus entgegengesetzter Richtung befahren.

Bei Paris-Roubaix lauert an jeder Ecke die Gefahr oder die Defekthexe. Manchmal reichen schon wenige Quadratzentimeter feuchter Boden aus, um einen Fahrer aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dass nicht immer alles so nach Plan läuft, wie man sich das in seinen Träumen vorstellt, erfuhr „Canci“ in dem überaus schnellen Rennen vom letzten Jahr (Schnitt des Siegers: 44,190 km/h). „Alle fuhren gegen unsere Mannschaft und gegen mich“, sagte er damals: „Wir hatten viel Pech. Ich musste das Feld weit von hinten aufrollen und eine Selektion herbeiführen. Am Ende konnte ich meinen letzten Begleiter Sep Vanmarcke nicht abschütteln, so dass die Entscheidung im Velodrom fallen musste.“

Am Sonntag muss Cancellara mit einem ersatzgeschwächten Team antreten, da Belgiens Meister Stijn Devolder, der am Sonntag zweimal schwer gestürzt war, nicht dabei sein kann. Er wird durch den Holländer Boy Van Poppel ersetzt. Auch Jaroslaw Popowitsch und Grégory Rast waren bei der „Ronde“ zu Boden gegangen. Ihre Teilnahme ist aber gesichert.

Cancellaras schärfster Rivale auf dem Papier, Tom Boonen, war letztes Jahr wegen eines Rippenbruchs nicht am Start. Diesmal kann er zwar auf eine starke Equipe zählen, doch muss er in besserer Verfassung sein als am letzten Sonntag (06.04.14), um eine Chance zu haben, eventuell als erster Fahrer das rennen ein fünftes Mal zu gewinnen.

Zum zwölften Mal hintereinander wird die „Classique“ bei trockenem Wetter ausgetragen. Nur bei Boonens erster Teilnahme 2002 war die ganze Strecke nass. Die Folge war eine Schlammschlacht. Damals strampelte der Belgier, 21 Jahre jung, noch für den amerikanischen Rennstall US Postal. Er sollte George Hincapie helfen, fuhr aber gleich aufs Podium (hinter Johan Museeuw und Steffen Wesemann), während sein amerikanischer Leader 6. wurde. In besagtem Paris-Roubaix klassierte sich Tom Flammang übrigens auf dem 19. Rang (auf 9’11). Hinter ihm notierten wir u.a. Erik Zabel (26. auf 9’59) oder Thor Hushovd (33. auf 16’38). Es war Flammangs bester Auftritt in seiner Profikarriere.

Druckers Premiere

Jempy Drucker, am Sonntag der einzige Luxemburger Teilnehmer (wahrscheinlich Startnummer 252), ist ungefähr in derselben Lage wie Tom Boonen bei seinem Debüt. Drucker (27) ist zwar um einiges älter als damals der Belgier. Trotz viel Erfahrung auf den belgischen Pavés ist er ohne genaue Kenntnisse, was die „reine des classiques“ betrifft, die zu den fünf „Monumenten“ des Radsports gehört.

Drucker bereitete sich wie viele andere Fahrer beim Scheldeprijs (69.) auf den Klassiker vor, dies trotz seiner Verletzungen, die er sich vor einer Woche bei einem Sturz in der „Ronde“ zuzog. Die Batterien sollten demnach auch für Sonntag wieder aufgeladen sein.